Donnerstag, 26. August 2004

Das Paar in der Trinta Baar

Nach der Portugiesischstunde hüpfe ich noch freudig in die Bar 30, um mir endlich das lang ersehnte Stück "Torta (Torte, aber das konntet ihr euch denken) Bom-Bom (sozusagen Guti-Guti)" zu gönnen.

Die Bar 30 - ich sollte sie euch kurz beschreiben - liegt im Erdgeschoss des IPCT-Gebäudes (Bild folgt), nahe der Informatikerbar, aber nicht nah genug, dass es weh tut. :P
Die ersten zehn Meter vom Eingang bis zur Kasse, an der man sein Essen "bestellt", paradiert man an der langen Glace-Theke vorbei. Mit stolzgeschwellter Brust, und ich muss sagen, meist ma-kel-lo-ser Uniform präsentieren sich da Pistazie, Straciatella, M&Ms, und andere Glace-Accessoires. Bisher konnte ich es mir verkneifen, die eine oder andere Unregelmässigkeit mit dem kleinen Finger glattzustreichen (und das Ergebnis davon im Mund verschwinden zu lassen ;) ), aber wer weiss, was passiert, wenn es wärmer werden sollte?

Jedenfalls erreiche ich die Kasse und bemerke plötzlich, dass mich alle Leute anstarren! Oh, oh! Ich gebe mich locker und selbstbewusst, schiebe die Brust leicht raus und drehe mich im plötzlichen, unerwarteten Rampenlicht auf meinen Schuhfersen, dies so süffisant wie möglich. Bis mir nach 90º der Koloss von einem Menschen. Nein, Menschen wäre falsch gesagt, Basketballspieler auffällt. Von 52er Spezialschuh bis krauser Haarspitze registrieren meine geweiteten Augen eine Grösse von zirka 2 Meter 20! Das Erste, was mir einfällt, ist, dass er bitte keinen Espresso bestellen soll - der Unterschied der Tasse zum Menschen wäre zu surreal.
Während ich die rituelle Teilung der Torte abwarte (und sie muss rituell sein, so lange dauert sie), blicke ich mich in der Menge, die gerade beim unerträglich spannenden Volleyballmatch der Frauen mitfiebert, um.
Ab und zu, z.B: wenn der Kommentator gerade wieder einmal die unglaubliche (aber in dem Moment gerade versagende) Abwehr der Brasilianerinnen bejubelt, lugen einige Fans verstohlen zu dem Schatten hin, der links von mir auf seinen Happen wartet. (Happen? Ein halber Elefant? 300 rohe Eier? Oder ein Dreifach-Käse-Sandwich, das dann aus Versehen zwischen Eck- und Schneidezahn rutscht und ihn noch den ganzen Abend nervt?) Und obwohl alle hin und wieder hinschauen, fällt mir ein kleines Mädchen auf, das permanent in seine Richtung schaut. Oder besser: lächelt. Nein, straaaaaaa...aaaaahlt. Mit einem Strahlen, das übers Gesicht hinausrutscht, siebenmal um den Kopf wuscht, und jeden es bemerkenden Anwesenden im Herz packt und den Besitzer zum "Drücken" animiert. :)

Einschub: Für mich gibt es irgendwie einen bestimmten Personentyp, den ich am liebsten (à la Elvira aus Looney Tunes) gleich in die Arme schliessen würde. Dazu gehören kleine Mädchen mit Gnomengrinsen, langen Haaren, und spitzen Öhrchen, die aus diesen Haaren hervorlugen - und, und es mag etwas merkwürdig klingen - alte Männer mit Bärten, die leicht traurig mit müden Augen in die Welt blicken. Habe ich etwa zu oft das grosse Buch der Zwerge angeschaut? (Zirka 20x, seit ich sabbern, äh, lesen kann) Vermutlich kommt es von da, und ich meine es ernst.

Zurück in die Bar 30. Mittlerweile habe ich mich gleich neben den Tisch mit dem Gnom hingesetzt - trotz der imminenten Jöööö-Gefahr - und schlinge die Torte runter wie ein Ork (um mich in die Riesen- und Gnomen gefüllte Umgebung einzubinden. Ok, ich gebe es zu, ich esse immer so ;) ). Zwischendurch linse ich nach links. Immer noch blickt sie mit einem ich würde fast sagen, absolut dankbaren Blick knapp an mir vorbei, zum Traum eines jeden Basketball-Talentsucher. Weshalb? Wieso?
Vermutlich hat sie als einzige entdeckt, dass in seinen krausen Haaren eine Vogelfamilie haust, und ist nun hypnotisiert von den Vorgängen in luftiger Höhe. :) Oder sind sie gar zusammen? Zwei kurze Blicke auf beide Seiten, eine schnelle Kalkulation in den Stirnlappen, und eine kleine mentale Projektion im Hinterkopf ergeben: Naaaaaah.

Und doch. Und doch - eine halbe Minute später eröffnet sich mir, dass Liebe solch kleinere physikalischen Hürden ohne Weiteres meistert. Mit einem warmen Gefühl im Bauch und nicht weniger lächelnd fliege ich über die Treppen zum Labor hoch.

Mittwoch, 25. August 2004

Warme, klare Luft

(frei nach den Chicks on Speed)

An einem speziell kühlen Tag im August**, vor zwei Tagen, haben meine eisumkrusteten Augen einen Lufterhitzer erblickt - ein Freudenschrei musste damals ausbleiben, denn wir alle wissen um das Problem, wenn man gefrorene Lippen voneinander zu reissen sucht.

**hört sich für euch nur halb so brutal an, wie es für mich ist! ;)

Heute Abend ist es soweit! Mathias und ich entscheiden uns kurzentschlossen, d.h. ich überfalle ihn in einem schwachen Moment: "Was willst Du heut machen?" "Ich, keine Ahnung? Du?" "Och, ich dachte, vielleicht könnten wir uns einen (spannungsaufbauende Pause) 1500-Watt-Wärmeluftumtauscherhitzer kaufen!" Tip an alle Frauen: So überzeugt man Männer, ohne dafür irgendwelche Gegenleistungen eingehen zu müssen. Mit komplizierten Worten und grossen Zahlen. Heh heh. Ich nehme dafür auch in Kauf, dass ich nun von der vereinigten Liga der Männer um alle sieben Weltmeere gejagt werde... ;)

Nach zirka 10 Minuten entscheiden wir uns aus den 4 Modellen (von denen 2 schon von Beginn weg nicht einbezogen werden, da sie eigentlich in der Abteilung für Brennbares, wie Holz oder Benzin, stehen sollten) für ein relativ günstiges Teil, 99 Reais, das mit 1500 Watt sich eigentlich beeindruckend anhört.
Alles klar, oder? Ist gekauft, oder?
Und an dieser Stelle muss ich zugeben, so oft ich über das ulkige Einkaufverhalten (Schuhe, Kleider) bestimmter Frauen witzeln und lachen mag, so amüsant muss es doch sein, zwei Männern zuzusehen, wenn sie technische Geräte einkaufen.
Ergo: Wir kaufen noch nicht. Nein. Stumm und die Mundwinkel runterziehend nicken wir mit halbverschränkten Armen das Ding, das unseren durch halbgeschlossene Augen geworfenen Blicken ausgesetzt ist, zu. Mmmmh-hmmmm. 1500 Watt. Das kommt gut. Jaja. Wir lassen uns die Zahl noch einige Sekunden, was sag ich, Minuten im Kopf herumschwirren, die ganze Potenz der Energie entfaltend, bevor wir...
Es kaufen???
Nein. Denn jetzt: Die Packung. Dreifach verschraubter Sicherheitsstutzen. Vierfach gelötetes Sicherheitsdispositiv. Nicken. Mh-hm. Gut. Gut. Ha! Aber hat nicht der andere Lufterhitzer drei, anstatt nur zwei Ventilatorblätter? Tatsächlich! Ein verachtenswerter Versuch des Herstellers, unseren Komfort zu schmälern. Nun gut, dafür soll es umso leiser ("Dreifach lasierte sonoritätshemmende Pufferzone", übrigens) sein. Ein Pluspunkt hier, ganz gewiss.
Wir stellen die Packung mehrmals wieder aufs Regal, nehmen sie wieder, öffnen und schliessen sie mehrmals. Aus den Augenwinkeln bemerke ich die Sicherheitsleute, die sich uns nonchalant nähern, wie jedesmal, wenn man länger als 3,4 Sekunden vor etwas stehenbleibt, und es gar in die Hände nimmt. Denken sie, wir wären zwei Medizinmänner aus dem Amazonas, die die ihnen unbekannte Technologie nach bösen Geistern durchsuchen? Ich könnte es ihnen nicht verübeln.
Wir stehen noch ein, zwei Minuten unerbittlich, mit verschränkten Armen vor dem Regal stehen. Das Ding fällt immer noch nicht auseinander. Test bestanden. Es ist gekauft. Wir klopfen uns auf die Schultern, 1500 Watt, das Ding kann ja auch was, oder! 1500 Watt! Hörst Du? Tau-send-Fünf-Hundert! :)

Zusammen mit den noch freudig eingekauften Esswaren werfen wir uns in die Küche, voller Euphorie den Fernseher aussteckend, umd richten uns gemütlich ein. Ein Essen am Feuer, einem knisternden Cheminée der Gemütlichkeit. Hach.
Nichts da. Zwar bläst es ganz ordentlich, aber die warmen Luftmoleküle lassen auf sich warten. Versuchen alle, sich vor der sie erwartenden Kälte zu verstecken? Oder wird das Unglückliche per "Survivor"-Methode gewählt, d.h. einer wird jede Woche von der (Wärme-)Insel gewählt? Nun, ich kann es dem bewegten Luftmolekül nicht verdenken - ich würde ebenfalls im Lufterwärmer bleiben wollen. (Wenn ich doch nur hineinpassen würde! ;) )
Wir kommen dann zum Schluss, dass es vermutlich an den Permafrostböden (und -wänden) hier liegt, die erst mal aufgetaut werden müssen.

In den Zimmern aber wird es mit dem Ding dann doch recht gemütlich warm, und so sind wir dann doch noch ziemlich stolz auf unseren Einkauf. Ich nenne ihn "Wärmi". :)

Dienstag, 24. August 2004

Bus or Bust!

In einem zum Scheitern verurteilten Versuch, mein Tagebuch wieder auf den letzten Stand zu bringen, beginne ich nun, an zwei Fronten gleichzeitigzu schreiben. (Obwohl wohl jeder General, der eine Feder schwingen kann und über mehr als 2 Gehirnzellen verfügt, weiss, dass dies nur in einer Niederlage enden kann. Ich mach's mal wie Napoleon und halte mich immerhin einige Zeit über Wasser)

Im olympischen Geiste, der momentan herrscht, will ich mal von meinem all-morgendlichen Dekathlon berichten.Zur Ausnahme wieder mal ein blendender Tag, der verspricht, das Quecksilber über magere 15 Grad hinauszutreiben. Vertrauensvoll, ja fast naiv (dünner Pulli) werfe ich mich ihm freudig in die Arme, mit dem mulmigen Wissen im Hinterkopf, dass es schattige Zonen zu meiden gilt, in denen man ab und zu die Überreste der Menschen finden kann, die anderen blendenden Tagen ebenfalls zu voreilig ihr Versprechen abgenommen haben.(Dieser Text wurde übrigens mit äusserst klammen Fingern geschrieben *brrr*)

Der Dekathlon besteht aus den hier unter Studenten traditionellen 5 Sportarten: Buswinken, Realklauben, Bankdrücken (Eine reale Sportart?), Free-for-all-Kampfsport, und Marathinho.Es geht los mit Buswinken. Etwas nervös begebe ich mich zur Bushaltestelle, die um 7:45 morgens leider noch keine Zuschauer anzieht, die mir im Geheimen etwas helfen könnten, einen dieser gefürchteten 20 Tonnen schweren Monster "Ônibusia Antiquia" anzuziehen, und dann eigenhändig zu zähmen. Ein weisses Ungetüm rauscht heran. Noch kann ich die Ziel-Aufschrift nicht ausmachen: "343"? "Viamão"?, und nur wenige Zeit verbleibt, den Bus heranzuwinken, bevor er mich im Staub hustend zurücklässt. Es ist Viamão! Kann ich den nehmen? Die Kommentatoren sind unbarmherzig: "Der Schweizer Mitstreiter zögert! Das kostet ihn mehrere Hunderstelsekunden! Doch halt - eine Brasilianerin rückt unbemerkt von hinten an, und ... und schafft es!" (Und ich stelle mir vor, wie sie innerlich "GOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOO-OOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOL" schreien, wie immer, wenn Brasilien irgendwas erreicht ;) )Hinter mir steigt die ergraute, betagte Frau langsam ein, und ich spüre ihren genüsslichen, siegesberauschten Blick in meinem Nacken. Ich balle meine Faust und knurre ein Bisschen.
Der Nächste! Ich blicke mich um - niemand. Ja! Ich kann es schaffen. Schon lange bevor es nötig ist, hebe ich meinen Arme und rudere ihn mal schneller, mal langsamer. Jahaaa, ein Kribbeln steigt meinen Nacken hoch, der ist es, den hab ich. Doch warum sind die Fans so leise? Ehrfürchtige Erwartung eines absoluten Siegs? Oder stilles Leiden? Letzteres. Unbeeindruckt rauscht die D43 an mir vorbei, zu ihrer tatsächlichen Haltestelle. Ich überbrücke diese kleine Niederlage gekonnt, indem ich ungerührt weiterflattere. Und tatsächlich, eine 343 kommt quietschend neben mir zu stehen. Dankbar, allerdings nicht ganz mit mir zufrieden, steige ich ein. Ein minimaler Punkteabzug, als das Biest ohne Vorwarnung abrupt anfährt, und ich meine Balance nicht halten kann: 7,7. 8,1. 7,8.

Realklauben. Meine Paradesportart.Die Kommentatoren schieben einen kleinen Wissensblock ein, den sie swischen sich hin- und herschieben ("Jerry, wusstest Du, dass ...? Nein, Tom, aber dafür..."). Der Real existiert erst seit 1994! In den zehn Jahren davor gab es so zirka 6 Währungen (weiss hier fast niemand mehr so genau, schon gar nicht die Namen, was wohl alles sagt), die alle an galoppierender Inflation litten. Im Rekordjahr betrug diese 10'000%! Erst krakelte man mit Stiften weitere Nullen auf die Noten, dann schliesslich gab die Regierung spezielle "000"-Stempel heraus. 1994 kam Cardoso - vermutlich genau wegen "seines" Plans zur Gesundung der Brasilianischen Währung - an die Macht, und führte den Real ein, auf Parität, d.h. 1:1 zum US Dollar. Obwohl, auch hier höre ich Verschiedenes, z.B: dass er zu Beginn auf 1.30 US$ gewesen sein soll, und die Brasilianer daher scharenweise in die USA geflogen sein sollen, um sich dort mit Gütern einzudecken. Der Real hält sich bisher ziemlich gut.
Zu den Münzen und Noten! Ich habe hier noch nie eine Banknote über der 50er Denomination erblickt, und sollte eine existieren, wird wohl ihre Benutzung mit dem plötzlichen Auftauchen von schwarzgekleideten Sicherheitsleuten beantwortet (und diversen aufschrillenden Sirenen). Sonst: 20, 10, 5, 2, 1, die alle mit Bildern von Tieren geziert werden. Die Münzen sind problematischer. Es gibt alte und neue Münzen - die alten Münzen sind generell wunderhübsch silbern glänzend, die Neuen sehen bronzen, abgenutzt, und ziemlich dreckig aus. *g* Im Ernst! Die Münzen gibt es in den folgenden Denominationen: 1 Real, 50 Centavos, 25, 10, 5, 1. Der kleine aber feine Unterschied zu unserem System besteht darin, dass man hier einen 25er anstatt eines 20ers benutzt. Was ist besser, fragt ihr? Nun, ich werde keine Analyse durchführen, aber fragt euch doch mal, welche Zahlen von 1 bis 99 brauchen mehr Münzen in unserem, welche mehr im hiesigen System.

Danke, Tom! Nun zurück zum Wettstreit - der Teilnehmer ist schon furios am Realklauben. Es sieht so aus, als hätte er Pech - sein Portemonnaie ist nur spärlich mit Münzen ausgestattet. Wird er die 1.55 Real zusammenkriegen können? (Manchmal ist es zum wahnsinnig werden. Während ich in der Schweiz wie wild versuche, meine Rappen loszuwerden, versuche ich hier, sie - mit doppelter Wildheit - zu kriegen)Ich komme nur auf 85 Centavos, und ich besitze weder 1 Real-Note, noch Münze. HA! Eine 2 Reais Note! Siegeshungrig schiebe ich sie dem Kondukteur über den kleinen Tisch, der in der Mitte des Busses angebracht ist. Glück gehabt - eine 5 Reais Note wäre ebenfalls gegangen, aber eine 10, oder gar 20 Reais-Note? Höchstens zähneknirschend.

Ratternd dreht sich hinter mir das Drehkreuz, meinem Blick eröffnet sich dasselbe Bild, das sich einem Ölsardinengourmet beim Öffnen der Dose bietet...
Bankdrücken. Diese Sportart ist schnell erklärt. Die anderen drücken die Bänke, während ich mich mit 20 anderen in der Mitte des Ganges so zu arrangieren versuche, dass keine Nase in andere Achselhöhlen gesteckt wird. Ich nenne es Volks-Tetris :)
(Auf die erste Vorlesung um 8 in die PUCRS zu kommen, wie ich es tue, entspricht etwa Level 9. Mit dem kleinen Finger der linken Hand.)

Free-For-All-Kampfsport. Da ich mich in einem Bus befinde, der von Studenten zur PUCRS gefüllt ist, kommt diese Sportart nicht zur Anwendung. Normalerweise aber bin ich nicht so glücklich. Der Normalzustand besteht darin, dass ich mich noch in der Nähe des Drehkreuzes befinde, der Gang bis zum sich hinten befindlichen Ausgang prall gefüllt ist, und ich bei der nächsten Station aussteigen soll. Standardvorgehen? Nach dem üblichen Am-Seil-Ziehen, um dem Fahrer ein Aussteigen zu signalisieren, hat sich eine Mischung aus Brustschwimm-Technik und Crawl bewährt, von Wasserpolo-Unterwasser-Tritten begleitet, die man freigiebig austeilt. Vielleicht versuche ich morgen eine Matrix-Wandrenn-Technik?

Marathino. Von den begrüssenden Lautsprechern mit motivierender (obwohl ich der einzige Empfänger eines benevolenten Effekts zu sein scheine) Musik eingedeckt, jogge ich locker und siegesgewiss die letzten Meter zum IPCT...

Sonntag, 15. August 2004

Bustöurchen

Ein langer Tag steht mir bevor!
(Gut, dass ich das nach 6 Stündchen Schlaf noch nicht wusste... ;) )

Das Wetter ist unglaublich blendend schön, und einer Busfahrt im oben offenen Doppeldeckerbus steht nichts im Wege. Chimarrão-Tee wird in den üblichen Trinkgefässen herumgereicht, während uns eine Stimme permanent daran erinnert, nicht während der Fahrt aufzustehen. (Was sowieso niemand von uns gemacht hätte, ausser vielleicht Carmen Miranda ;) ) Die Busfahrt kann ich nur schon wegen des einen Achterbahneffekts empfehlen, der auftritt, wenn der Bus über die Hügel hüpft. Ausserdem dachte der Vater von Rodrigo, dass ich Spanier sei. Ein ziemlich motivierendes Lob an mein Portugiesisch, muss ich sagen! :)

Nach der Busfahrt düsen wir quer durch die Stadt, um schliesslich bei Rodrigos Eltern zu landen, die uns prompt mit den vier hiesigen Grundnahrungsmitteln verköstigen: Fleisch, Pasta, Fleisch, und mehr Fleisch. (Gut, ich gebe zu, auch die kö-ö-östlichen Palmherzen waren zu finden) Die darauffolgenden vorteilhaften 1000 Schritte führen uns in den ziemlich grossen zentralen Parque Farroupilha, wo wir ausgiebig ruhn.

(Meldung aus der Zukunft: Ich entdecke diesen Eintrag am 23.10.04 (Hoppala), und werde ihn deshalb nur grob weiterschreiben, auch wenn noch viel passierte an jenem Tag)

- Suele schenkt uns Fernseher und zwei Antennen, wir versuchen ihn einzurichten, versagen. Nein!
- Abends treffen wir Ana und ihre durchgedrehten Kolleginnen, Gabriela und Iionara, die mich glatt zum Essen einladen (materialisiert sich dann aber nie).
- Mit Ana und Iionara schliesslich zur Pipebar, wo wir in die Nacht hineintanzen... ("A noite é jovem")
- Kollabiere auf und mit Bett.

Freitag, 13. August 2004

The Spanish Inquisition!

Eine leichte Uninspiritis zwingt mich dazu, den Floblog mit Kurzmeldungen aufzufüllen...
(Die folgenden Tage also in diesem Stil)

Tatsächlich! Die merkwürdigen "Home Improvements" in unserem Haushalt können durch das Einwirken einer Frau erklärt werden. Der obere Stock meines Kajütenbetts wird mit Ana, einer Spanierin gefüllt. Und entgegen den Horrorvisionen, die ich hatte, ist sie ziemlich leicht gebaut. (Horrorvisionen übrigens: Dass der neue Deutsche, der nächste Woche ankommen wird, ein 150 kg wiegendes, schnarchendes Ungetüm ist, das den oberen Stock des Kajütenbettes irgendwann um 3 Uhr nachts davon überzeugt, sich zermalmenderweise und zersplitternden Holzes auf mich zu stürzen)

Ana in ihrer Standardhaltung (Sie hält ein Telephon)

Die Verständigung mit Ana ist genau so amüsant wie nervenaufreibend - ihr Englisch besteht aus einigen spanifizierten Vokabeln, z.B: "Daee 'ouse" (The House), während ihr Portugiesisch aus Spanisch mit kleineren gewagten Portugiesisch-Einwürfen ("Oi, äh, osch, äh, ooooi" = "hoje", d.h. heute) besteht. Aber es klappt. Nach einigen Stunden harter Arbeit wissen wir auch schon, woher sie kommt (Valençia, oder besser gesagt: "Walenfffffia", wobei das "fffff" mit viel Spucke untermauert werden sollte), und was sie hier macht (In einem Architekturbüro arbeiten).
Abends dann noch ein kleiner Ausflug von Michael, Ana, Felipe, und mir ins hoffnungslos teure Cherry Berry (oder so) Pub, das nur schon für den Eintritt (Eintritt in ein Pub?) 6 Reais verlangt, dann noch 20 Reais Consumação (Wenn man weniger konsumiert, bezahlt man trotzdem soviel).
Michael übrigens ist ein weiterer Deutscher aus Kölle, ich meine, Köln, dessen Gepäck sich den staunenden Augen von Mathias und mir als "Kleines Europa" (in der WG haben wir mittlerweile eine kleine Ecke mit diesem Namen, da man dort alle unsere mitgebrachten Geräte anschliessen kann) eröffnet. Mehr als 30 Kilo Kaffeemaschinen, Laptop, 220V-Transformator, usw. usw.

Michael reist noch in der Nacht wieder ab, um in Salvador die dringend benötigte Sprachschule zu besuchen. Mathias und ich suchen am nächsten Morgen vergebens seine Espressomaschine. Drei Wochen später dämmert uns dann, dass Michael Koffein benötigt, wie zum Beispiel ich Luft.


Donnerstag, 12. August 2004

Kläff!

Als ich heute nach Hause komme, traue ich meinen Augen kaum: Der Boden strömt Mestre Popper aus, die Betten sind straff bezogen. Den Küchentisch ziert ein hübsches Tuch.
Waren heute wieder mal die Heinzelmännchen aktiv?
Die Heinzelmännchen bestehen übrigens aus einem jungen Mulattenmädchen, das vermutlich für ein Taschengeld für Mrs. Suelè arbeitet, das heisst zum Beispiel, dass sie den winzigen aber durchgehend gestörten Hund bändigt.
Nach einiger Nachforschung ist es mir gelungen, die traurige Geschichte des Hundes zu rekonstruieren:
1. Beginnt sein Leben 1878 in der neu erstellten Kanalisation als Zwerghamster.
2. Dank über die Jahre hinweg ausdauernde Churrascão-Abfall-Diät wächst das Vieh zur stattlichen Länge von 40cm heran (oder sollte ich sagen, "mutiert"?).
3. Irgendwo am Ipiranga Kanal begegnet es Mrs. Suelè. Ein schicksalsträchtiger Zufall. Um die Geschichte kurz zu halten: Der folgende haarsträubende Ringkampf endet damit, dass das Vieh hinter der Rua Evaristo da Veiga 351 in ein kleines Hundehüttchen gesperrt wird, wo es seither sein Dasein fristet... :)

Bisher gab es noch keine Vorfälle von abgetrennten Gliedern, und normalerweise ist von der Abomination nichts zu sehen. Trügerisch wenig, um genau zu sein, denn oft stolpere ich über die Hausschwelle, noch komplett schlaftrunken und glücklich, das (in diesem Zeitpunkt) komplexe Schlossgebilde überwunden zu haben, und dann... UR-PLÖTZLICH dringt mir ein Jaulen ans Ohr, das nur durch etliche Jahrzehnte an purem Schmerz hervorgebracht werden kann, begleitet von einem schäumenden Ball aus heissglühender Aggression, der geradewegs auf meine wie angewurzelten Füsse losstürmt. Die Tatsache, dass ich nicht schon längst im Schiebewägelchen für "the abdominally challenged" durch die Strassen von Porto Alegre rollen muss, ist nur dem Heinzelmädchen zu verdanken, die sich in dem Moment dann ohne Rücksicht aufs eigene Wohl auf den Hund stürzt, um ihn wenigstens um die kritischen Zehntelssekunden zu bremsen, die ich benötige, um gelähmt rückwärts ins Haus zu fallen.

Andere Vorfälle, die mich demnächst dazu bewegen werden, einen Horrorschocker namens "The Mamster That Grow(l)s At Night!" zu drehen, beinhalten ein bedrohliches Knurren und Scharren beim nächtlichen Toilettenbesuch inklusive sofortigem Aufheulen, sollte das Vieh bemerken, dass sich tatsächlich jemand im Raum befindet (und dies, meine lieben Mitleser, kann - besonders beim Besuch des stillen Örtchens - schwer zu verhindern sein). Oder die Tatsache, dass es spürt, wenn meine Träume zu spannend/angenehm/originell werden, und dies per Kläffaufruf an die umliegenden 2 Quadratkilometer Hundeterritorium unterbindet.
Alguem quer Churrascão do Cachorro? ;)

Aber um wieder auf die Verbesserungen in unserem Haushalt zurückzukommen: Wer würde es als lohnende Investition sehen, einen Junggesellenhaushalt mit frischer Bettwäsche, einem neuen Tischtuch auszustatten, geschweige denn zu putzen? ;)
Cherchez la Femme...?

Mittwoch, 11. August 2004

... ist Mord! :)

Doch bevor es dazu kommt und scharenweise Polizisten den Tatort per gelb-schwarzem Leuchtband umzingeln, damit eifrige Detektive in dieser künstlichen Arena einige Salven trockenen Humors abfeuern können, um die natürliche Rangordnung alter, erfahrener, aber müder Detektiv über jungem, unerfahrenem, aber ehrgeizigem Detektivanfänger zu bestimmen... :)

Eine kleine Beschreibung. Irgendwo im riesigen Bauch des siebenstöckigen Sportkomplex' (wir erinnern uns) befindet sich der zweistöckige Kraftraum. Schon auf dem ersten Stock erwarten den sündigen Churrascão-Geniesser ein Arsenal an Foltermaschinen, das jeden Inquisitor zu Tränen der Freude rühren würde. Neben jedem Gerät befindet sich eine kleine Skizze der Position des hier trainierten Muskels und dessen Namen auf Portugiesisch. Trotz der sprachlichen Probleme bin ich mir sicher, dass ich manche der gezeigten Muskeln auch auf Deutsch noch nie gesehen habe. (Aber schon demnächst würde ich sie kennenlernen, im dichten Dschungel der Unbenutztheit: "Dr. Flexor-Icosazeps, I presume?") Zusätzlich sind noch in Glaskästen Velo- und Aerobicraum untergebracht. Das ganze wird "musikalisch" von einer kleinen Musikanlage untermalt, die uns vermutlich (ich spreche kein Techno) mit motivierenden Parolen quäkend eindeckt.

Etwas verloren stolpere ich vor den beeindruckenden Maschinen hin- und her, bis mich schliesslich Alexander, der einzige Englisch sprechende Trainer, findet. Er bittet mich, noch 5 Minuten zu warten, während mein Trainingsplan zusammengestellt wird. Trainingsplan? Auf meine Frage, ob er den zusammenstellt, weist er stumm auf eine kleine alte Frau hin, die in der Ecke über ein Blatt Papier gebeugt schreibt. Manchmal schiebt sie die Brille etwas über ihre Nase und hält einige Fotos nahe vors Gesicht. Mein erster Impuls ist es, innerlich zu kichern, aber etwas hält mich zurück. Ist es Alex' respektvolles Verhalten? Beobachten wir hier die erste Fitnesstrainerin Porto Alegres, ja gar Brasiliens bei der Arbeit? Wohnt sie mit ihren drei Lieblingsmaschinen (Quadrizeps, Abdominalis, und Fingerbrecher) in einem kleinen Häuschen, und nur wenn ein Fall von gröberer Miss-Haltung vorliegt, ruft man sie, damit sie ihre jahrzehntelang angesammtelte Weisheit auf das vor ihr liegende weisse Blatt strömen lassen kann? Ich weiss es nicht, aber schon nach zwei Minuten ist sie fertig, schaut mich über den Brillenrand an, lässt die Brille schliesslich an einer um den Hals geschlagenen Schnur hängen, und reicht Alex wortlos - aber nicht ohne ein kleines Grunzen - das Ergebnis ihrer Arbeit. In schönster (ich würde fast sagen, antiker) "Schnüerlischrift" stehen da die Namen der Maschinen, in deren mächtigen Pranken es sich zu werfen gibt.

Da dies heute mein erster Besuch im Krafttraining ist, werde ich die ganze Zeit von einer Trainerin, "Shila", begleitet. Dies aber erst nachdem ich einem ziemlich amüsanten Ringkämpfchen zwischen ihr und Alex beiwohnen musste. (Der Grund dafür ist, dass sie sich für ihr nicht vorhandenes Englisch schämte, und sich daher zierte, mich zu trainieren. Das, oder der neuentdeckte Pickel auf meiner Nase. ;) ) Trotzdem verstehen wir uns ziemlich gut - sie bringt mir ziemlich viele Brocken Portugiesisch (das berüchtigte Portugiesisch der Krafträume, z.B: "Mais Pesos?") bei, und ich zeige ihr, was "Fuss", "Füsse", oder "Knee" auf Englisch heisst ("Fut", "Fiz", "Niiiii?", so ihre ersten Versuche).

Als Erstes geht es in den zweiten Stock, der mit Laufmaschinen gefüllt ist. 10 Minuten bei 6 km/h, so der Befehl. Doch kaum ist sie verschwunden, kann ich dem lockenden Ruf der sich vor mir befindenden Knöpfchen und Anzeigen nicht widerstehen. Schliesslich kann ich 6 km/h auch auf einer ordinären Landstrasse haben. "Volle Kraft voraus!", rufe ich quasi ins Messingrohr, der Maschinist antwortet prompt, und ich fliege mit 15 km/h über die endlose Ebene dahin, die komplett aus schwarzem Gummi zu bestehen scheint. Für 5 Minuten ist das ziemlich befriedigend, das Muskeln kontrahieren, der Mensch japst. Dann aber entdecke ich den "Elevation" Knopf, der den Schweizer in mir wachruft. Ausdauernd (und vermutlich breit grinsend) lasse ich den Zeigefinger auf dem Knopf verweilen, bis die endlose Gummiebene endlich heimatliche 25° in den Himmel zeigt. Der Ausflug in die Schweiz wird aber dann hinterhältig von der eingestellten Steigung, der Geschwindigkeit, und sogar meinem eigenen Körper vereitelt. Not really "Jerome, Jerome, the Metronome" (siehe "Gattaca"), am I? ;)

Genügend erniedrigt, ich meine, aufgewärmt trete ich zum Training an. Shila ist äusserst nett, nur verfügt sie über diese riesigen traurigen Augen, die sie jedesmal einsetzt, wenn ich das Gewicht erhöhen will - und so beginnt mein Training äusserst unfulminant. Eine voll qualifizierte Fitnesstrainerin schaut einem 1/35 qualifizierten Muskelpaket zu, das Seile hin- und herzieht. (Mittlerweile habe ich das Gewicht und die Dauer gnadenlos erhöht - Kameraschwenk zu noch riesigeren, traurigeren Augen ;) ) Dennoch ist es witzig, die Zeit vergeht vor Allem damit, dass sie mir klarzumachen sucht, dass mein Knie nicht "Cabeça" heisst. Und, zu meiner Überraschung, befindet sich mitten im Kraftraum ein Gratis Mate Tee Becher, der zur freien Verfügung steht! (Und wer könnte *dem* widerstehen? Nun, ich würde sagen, die gesamte zivilisierte Welt, aber wir wollen mal nicht so sein. ;) )

Am Nachmittag überrascht uns dann die Lehrerin damit, dass wir einzeln nach vorne gehen müssen und sie uns mit einem unregelmässigen Verb in Grundform überrascht, das wir im Präsens konjugieren müssen. *gulp* Ich gehe mit wehenden Fahnen unter, als ich das Verb "poder" zwar glorios und locker konjugiere, dann aber bei "Eu ..." versage. Ist es posso? Neeeein, das ist doch Italienisch! Oder doch? Hmmm... (Tatsächlich - posso)

Eu posso
Tu podes ("podschis")
Voce pode ("podschi")
Nós podemos
Voces podem ("podeng")

Dienstag, 10. August 2004

Avaliação Fisica

Heute reisse ich mich um 7 aus den Federn - die obligatorische Physische Untersuchung für den Kraftraum steht an! HACH! Kaum springe ich lächelnd, was sag ich, lachend und berstend vor Erwartung aus dem Bett, und eile, die Haustür an die Wand knallend, aus der Wohnung. Denn was gibt es Besseres, als seinen Körper von oben bis unten durchleuchtet zu kriegen, um nachher einen Bericht aller Fehler zu lesen? ;)
Die Realität ist, dass während ich vor Erwartung berstend aus dem Bett springe, mich ein Speer des Kopfschmerzes durchbohrt. Woher? Was war gestern Abend? Eine Suche im Gedächtnis bringt nichts zu Tage, auch das Tagebuch gibt sich blank und leer, ja fast vorwurfsvoll! Verbissen kämpfe ich mich zu dem riesigen, siebenstöckigen Sportkomplex vor.

Die physische Untersuchung ist hier das Eintrittsticket in den Kraftraum. Die Untersuchung läuft wie folgt ab: Erstens wartet man mal im Kraftraum 20 Minuten darauf, dass die Anderen einen Englisch sprechenden Trainer gefunden haben, obwohl man zirka 34x betont hat, dass man Portugiesisch lesen könne. (Hm, ich habe gerade anstatt "lesen" "leren" geschrieben - Portueutsch? Oder Deutugiesisch? Portsch?) Anschliessend wird man in einen kleinen Raum geführt, wo man mit dem Trainer zusammen einen Fragebogen auf Englisch übersetzt. Das ist ja alles schön und gut, aber wo ist die physische Untersuchung? ;)
Hier! Blutdruck wird gemessen, die Postur von allen Seiten fotographiert, das Skelett vermessen, die Beweglichkeit evaluiert (*knirsch, aua*), und schliesslich noch der Fettanteil (*knirsch, aua, aua*).

Zwei Wochen später wird einem von der Empfangsdame folgender 4-seitiger Bericht in die erwartungsvoll zitternden Hände gedrückt. Dies vereinfacht mir auch die Arbeit bei den Antworten zu den jedes Mail schmückenden "Wie geht's?"-Fragen :)

Florian Hanke - 89,5 kg - 190,5 cm
Blutdruck: 130 / 90 (leicht erhöht, wegen der Spritzen, die auf dem Tisch lagen ;) )
Haltung:
- Füsse minimal nach innen geknickt, und nach aussen gedreht
- Gesäss leicht nach vorn gedrückt (Wie jedes gute Model)
- Leicht hängende Schultern
- Rechte Schulter tiefer als linke (American Football-Rempler-Postur, durch Busfahrten gestärkt)
Beweglichkeit:
- Rumpf: 60° (Fingerspitzen berühren hochgezwungene Zehenspitzen)
- Rumpf links/rechts: 75° (Die "Chilbi"-Kraftmaschine würde "Schlangenmensch" anzeigen)
Vor den Längenmessungen verschon ich euch mal. Wer will, kann erfahren, wie lang genau mein rechter Unterarm ist. :)
Das Fett: (Achtung, jetzt kommt's!)
14,46% Körperfett - ein offenbar guter Wert, auch wenn mir die Vorstellung, zu einem Siebtel aus Fett zu bestehen, nicht wirklich behagt. Mehr Fett als Hirn? Glurks ;)

Morgen um Acht soll es losgehen!

Montag, 9. August 2004

Portugiesisch

(Anmerkung: Meine Schlafqualität ist leicht gesunken, daher fällt es mir momentan etwas schwerer, viel zu schreiben, auch wenn genug Material vorhanden wäre...)

Heute ist meine erste Portugiesischstunde!
Ich gebe zu, diese Stunde war einer der Gründe, etwas eher von den Foz do Iguacu zurückzukehren. Merkwürdig, denkt ihr? Nicht für mich, ich bin ziemlich begeistert von der Sprache! :)

Das Beste daran ist eigentlich, dass ich ziemlich oft eigene Worte aus Englisch, Französisch (amüsante Kommentare zu meinen Französischfähigkeiten von Ex-Mitschülern werden geduldet ;) ) und alle Schaltjahre Italienisch bastle, und oft ziemlich nah dran liege.

Als ich ins Schulzimmer stolpere, schlucke ich erst mal leer. Nicht nur sind da Alex (USA), William (USA), Amadeus (D), und Sandrine (F), die alle schon ziemlich gut Portugiesisch können, sondern auch die Massen an Asiaten, die fast allesamt Portugiesisch studieren, und ohne Weiteres mit der Lehrerin ein paar Witzchen austauschen. Dies während ich im berühmt-berüchtigten Lach-Dilemma stecke. Soll ich nun versuchen, an der korrekten Stelle zu Lachen? Zwei mögliche Ausgänge: 1. Ich lache, bevor der Witz überhaupt fertig ist, Ergebnis: Reif fürs Sanatorium. 2. Ich lache in dem Moment, als z.B: Kumiko erklärt, dass ihre Tante gestorben ist, Ergebnis: Soziale Abschottung, Hunger, Tod. ;)


Der Grund, dass unschuldige Fortgeschrittene von mit den subtilen Feinheiten der portugiesischen Sprache (Eu estou, Nós estamos, o.ä) noch nicht vertrauten Anfängern gefoltert werden, ist der Folgende: Es ist zu wenig Geld vorhanden, zwei Klassen zu bilden. Mit müdem Blick winke ich ab - wo habe ich diesen Spruch schon mal gehört? (Vielleicht in einem lokalen Anwaltsbüro, wer weiss?)


Wir sitzen also mitten in der Fortgeschrittenenklasse, die ihre vor einem halben Jahr gewonnenen Fähigkeiten nochmals durchnehmen: Heute sollen wir nochmals den Präsens besichtigen, das nächste Mal das Präteritum Perfekt, Präteritum Imperfekt, übernächstes Mal: "Present Continuous"...
Eine Herausforderung, ich nehme es als: Zeitrafferlektionen! Portugiesisch in 21 Tagen! Inklusive "Past Continuous Subjunctive"! :)


Mein Ehrgeiz, der mental wie ein kostümierter Mann aussieht, der mit gen Wolken gereckter Faust in den Himmel saust, wird von der ersten Aufgabe nur minimal geschwächt (Cape wird von Socken in der Wäsche leicht verfärbt). Ein Aufsatz, deren erste paar Zeilen ich euch hier nicht vorenthalten will. Leser, die der portugiesischen Sprache fähig sind, und denen ihr Sprachzentrum etwas wert ist, sollten den folgenden Abschnitt überhüpfen:
"Pela manhã, as sete e meia, eu me levanto. Então, eu tomo o café da manha e tomo um banho de chuveiro. Depois, levo conmigo o dicionário importante , eu vou para o ponto de ônibus. No ônibus, eu procuro 1.55 Real por cinco minutos. Hoje, eu não vou fazer esporte, mas vou diretamente ao Bar 30 no Prédio 30. No Bar 30, eu como uma salada de frutas como todos os dias..." (Und so weiter und so fort)


Irgendwie habe ich das dumpfe Gefühl, dass sie diese Aufsätze dazu missbraucht, den Nachbarn zu zeigen, wie gut ihr vierjähriger Sohn schon schreiben kann! ;) Aber ich bin doch ziemlich stolz, nicht die ganze Zeit das Wort "então" (dann), oder "depois" (danach) benutzt zu haben.

Samstag, 7. August 2004

Wasserfälle - Brasilien

Ich muss leider vorerst noch die Bilder für sich sprechen lassen...

Freitag, 6. August 2004

Busfahrt nach Foz do Iguacu

Heute Nacht soll es nach Foz do Iguazu gehen!

Diverse Weltkriege, Kriege, oder auch Bush beweisen, dass die Menschheit nicht fähig ist, aus der Vergangenheit zu lernen. Nunnn, Mathias und ich können den Rest der Menschheit in dieser Überzeugung nur schwer alleine lassen, und wir entscheiden uns, wiederholt den Bus zu nehmen. Eine kurze Beschreibung der Umstände, die auch dieses Wochenende einleiten, findet sich hier. (Busstation, Bus, Wetter: Identisch)

Die Worte wollen momentan nicht flockig leicht über die Fingerkuppen hüpfen, deshalb eine Aufzählung der dramatischen letzten Minuten vor der Abfahrt des Busses. Vielleicht ist das für Mitleser mit überdrehter Fantasie sogar NOCH spannender, als es sowieso schon ist?
(19:15 - pünktliche Abfahrt des Busses)
18:20 - Wir splashen (Ok, kein deutsches Wort, aber es trifft es ziemlich genau) durch die Strassen zur Busstation.
18:21 - Ich trete genau in ein Wasserloch. Wenigstens wird diesmal Mathias nicht von einem Busfahrer nassgespritzt.
18:25 - Busstation. Kein Bus.
18:26 - Es regnet in Strömen. Der Überlebenstrieb setzt ein: Die Wartenden versuchen, sich gegenseitig unter dem kleinen Dach der Busstation hervorzuschubsen.
18:31 - Ein alter Mann, der sich nicht wehren konnte, liegt nun im Nass. Ich wende meinen Blick vom traurigen Schauspiel ab. Die Natur nimmt ihren Lauf.
18:35 - Nach unsäglich feuchten Minuten kommt der Bus!
18:40 - Hunger setzt ein, der Bus steckt im Stau.
18:45 - Die geplante Ankunft am Busbahnhof (Rodoviaria) wird auf Weiteres verschoben.
18:55 - Eine Laufminute vom Busbahnhof entfernt, im Stau.
19:00 - Fünf Minuten später: Ankunft! Wir eilen zum nächsten Burgerladen...
19:02 - Wir bestellen.
19:05 - Mathias und ich versuchen beide, gleichzeitig einen Burger und Frites zu essen und Guarana zu trinken. Keine Gesichtsöffnung bleibt unbenutzt. Es ist kein schöner Anblick.
19:14 - Wir flitzen beide zum Bus, eine Spur von Servietten, Frites, und Ketchup hinterlassend. Ich glaube, an meinem Schuh klebt auch noch eine Dose.
19:15 - Pünktlich beim Bus! *high five* :)

Meine Sitzposition verspricht mir eine einzigartige und unvergleichliche Geräuschkulisse - ich sitze ganz hinten, gleich neben Kaffeemaschine (*blubber*) und Toilette (*blubber blubber*). Die Kulisse wird noch zusätzlich dadurch verstärkt, dass die beiden Lebensformen, äh, Geräte eine symbiotische Beziehung eingehen: Die Toilette lockt potentielle Opfer in die Nähe der Kaffeemaschine, und die Frucht der Kaffeemaschine zwingt die Opfer wiederholt zur Toilette. Ein Teufelskreis, der perfekt die Vorgänge der Natur demonstriert. Genau neben meinem Ohr.

Doch mir bleibt es vergönnt, irgendetwas davon wahrzunehmen, sinke ich doch kurz nach diesen Gedanken in tiefen Schlaf. (Und nachdem mir Santi zum 546sten Mal erklärt, was genau "cajondo" auf Spanisch bedeutet, und wie er im Zusammenhang mit diesem Wort steht ;) )

Zwei Stunden später zwängt sich grelles Licht durch meine krampfhaft zusammengepressten Augenlider. Aliens! Nein, aber nur knapp daneben: Ein riesiges All-Night-Cafe-Colonial&Churrascão-Restaurant, das sozusagen die drei umliegenden Dörfer beschäftigt (und damit auch "ernährt"). Die Geräusche in der Halle sind gedämpft, ich bestelle mir eine Torrada (Toast mit Schinken und Käse). Aschfahles Licht aus fluoreszierenden Lampen ergiesst sich in der Halle, die Umgebung ist in tiefste Dunkelheit getaucht, ich könnte auch genausogut auf dem Weg vom Mars zum Jupiter sein, mit Zwischenstop beim "Chez Asteroidengürtel".
Es stellt sich heraus, dass dieser Vergleich nicht ganz unpassend ist. Immer wieder aus unruhigen Träumen aufwachend, starre ich schlaftrunken in die Umgebung. Ein Geisterdorf, das komplett von Neonröhren beleuchtet wird. Bäume, die kurz von unseren Scheinwerfern angestrahlt werden, dann als ergrauende Streifen an den Fenstern vorbeiziehen. Manchmal sehe ich eine riesige Autobahn, die unsere Strasse fast in Fahrtrichtung kreuzt, über ihr die prachtvollen Sterne der südlichen Hemisphere. Die meisten davon habe ich noch nie erblickt.
Wir rauschen extrem schnell über die unbeleuchteten Strassen, entgegenkommende Autos sind in Sekunden wieder hinter uns verschwunden, manchmal streift unser Bus das Blätterdach der die Strasse einrahmenden Bäume. Die Fahrt ist sehr holprig, was zum Glück fast immer von den sehr weichen Sesseln des Sitzes aufgefangen wird.
Der Raum mit dem Chauffeur wird von Vorhängen verdeckt. Ich frage mich: Wer sitzt da verhüllt, 14 Stunden lang über die Landstrassen Brasiliens rasend? Ist es nicht merkwürdig, auf einer riesigen Kugel durch den leeren Kosmos zu fliegen, in einem Bus, der ebenfalls auf dieser Kugel fährt? Und woher weiss ich, dass ich mich auf einer Kugel befinde; wieso nicht in einem schnell dahinschiessenden Bus, unter dem die Erde wie ein Laufband liegt? Ich denke auch an meine Eltern und meine Schwester. Warum? Ist es das Gefühl an den "nahen" Tod? (Z.B: Sekundenschlaf des Busfahrers) Oder einfach das leichte Unwohlsein, wenn ich mein Leben in die Hände eines Menschen lege, der ein etliche Tonnen schweres Ungetüm mit hoher Geschwindigkeit über die Erde bewegt? (Siehe Flugzeuge)
Merkwürdige Gedanken, das gebe ich zu, aber ich denke, ihr würdet verstehen, wärt ihr ebenfalls in dem Bus. :)

Um 6 ein erneuter Halt, Morgenessen ("Café da manhã"), gefolgt von einer Fahrt durch einen Quasi-Urwald, der auf tiefrotem Boden wächst. Mir fällt auf, dass die Windschutzscheibe des Busses an einer Stelle zersplittert ist, Ursprung langer, sich über die Glasfläche legender Risse.

Um 9, eine Stunde verspätet, kommen wir an.

(Nebenbei: Mein Schreibstil ist im Moment wohl von Joyce's "A portrait of the artist as a young man" beeinflusst. Ein merkwürdiges Buch, das ohne die vielen religiösen Abhandlungen ganz ok wäre.)


Montag, 2. August 2004

Zeitraffer!

Zwar ist Zeit kein knappes Gut hier, aber ich schaffe es doch nicht, jeden Tag einen Eintrag zu machen. Daher die folgende Woche im Zeitraffer! (Leider, leider - aber anders geht es nicht. Die Frage ist: Lieber gar nichts, als sowas?)

Montag:
Ich entdecke erste Reaktionen meines Körpers auf das unbarmherzige Bombardement mit Esswaren und Kälte, ein Besuch im Sportzentrum folgt. Das Sportzentrum sehr beeindruckend, total neu. Der Kraftraum hat es mir angetan - vielleicht ein Besuch ab nächster Woche?

Mathias und ich suchen Papers zum Thema Clinostat, mässig erfolgreich. Dafür will Thaïs ein weiteres Paper schreiben, dies über die "Schwerkraftsmaschine", die die Mitte des Labors dominiert. Eine simple Stahlkonstruktion, an der man Menschen aufhängt und mittels eines Gegengewichts Mondschwerkraft auf sie einwirken lässt. Wenn ihr denkt, das hört sich kompliziert an, dann stellt euch etwas viel Simpleres vor. Und dann sage ich euch: Die Wahrheit ist noch viel simpler. Ich wüsste nicht, ob ich den Mut hätte, dies Ungetüm in einem Paper vorzustellen - das heisst, ohne patentierten Faule-Tomaten-Schutz. ;)

Bam! Und schon ist Dienstag:
Tickets für das Wochenende - eine Busreise zu den Foz do Iguacu müssen her! Schliesslich endet die Expedition in einem Burgeressen gleich neben der Busstation. Es wird reichlich und billig gekocht - fürs Ambiente bleibt nicht viel übrig. Trotzdem irgendwie *sehr* brasilianisch.

Mittwoch!:
Der Mittwoch ist extrem warm - kurze Hosen wären kein Problem.
Am Abend ein Treffen des anwesenden IAESTEler. Mathias und ich entdecken den Caipirinha neu und auch die toxischen Eigenschaften desselben. ;) Ich lerne Jiri, den Tschechen, und einen Türken kennen.
Auf der Heimfahrt mit der T9 fällt mir dann auf, dass ich langsam die Unterschiede zwischen ärmer und reicher hier erkennen kann, während bei der Ankunft alles gleich ausgesehen hat. Wegen dieser Anpassung habe ich das dumpfe Gefühl, dass ich bei meiner Rückkehr mit staunend geweitenden Telleraugen durch die Kreise Zürichs laufen, was sag ich, beeindruckt rennen werde - soviel Reichtum, welch Überfluss! ;)
(Aber ich meins im Ernst - es wird merkwürdig werden)

Donnerstag:
Der Donnerstag ist Abends Márcio und seiner Freundin, Ana-Maria gewidmet, die den 23. Geburtstag feiert, gewidmet. Er schenkt ihr einen Zwerghamster, dessen Abenteuer (Misadventures, auf Englisch, ist passender) auch auf Portugiesisch ohne Weiteres verständlich sind (dank Márcios Armgerudere).
Kein Caipirinha, kein Malzbier, aber trotzdem betrunken. ;)
Ana-Maria will die Schweizer Küche kennenlernen - trotz meiner Warnung, dass diese nur aus Käse und Kartoffeln bestehen würde! :)
Am Tag lernen wir den berühmt/berüchtigten 8051 Mikrocontroller kennen. (Wer ihn kennt, ok - wer ihn nicht kennt, ist nicht so wichtig)

Der Freitag, besonders Freitagnacht, kriegt seinen eigenen Eintrag. :)

Sonntag, 1. August 2004

Parque do Caracol

Noch erschöpft vom vorigen Abend entscheiden wir uns, einen Park in Canela (Auf Deutsch: Zimt) besichtigen zu gehen. Den Parque do Caracol! "Canela" übrigens ist ein typisches Wir-Erkennen-Den-Touristen-Wort, man spricht es urspeziell brasilianisch aus: "Ca'nnnealua". Jedenfalls werden zirka 37 Muskeln des Rachenraums benutzt, die man generell sonst nur braucht, um diverse Esswaren in Gegenrichtung zur Schwerkraft zu befördern. ;)

Die Hauptattraktion des Parkes ist ein riesiger 137 Meter grosser Wasserfall! :)
(Bemerkung aus der Zukunft: Ich gebe zu, hätte ich gewusst, dass ich am folgenden Wochenende mehr als 250 solcher Wasserfälle nebeneinander sehen würde, hätte mir dieser Wasserfall vermutlich nur wenig mehr als ein müdes Gähnen entlockt.) Aber wir wissen ja, dass auch der Rahmen das Bild macht, und so geniessen wir den 130 Meter steilen Abstieg über 927 Treppenstufen durch prächtigsten Urwald, der unseren residenten Quasi-Biologen Mathias in Verzückung geraten lässt. Der Wasserfall ist wahrlich beeindruckend! Und so genussvoll der Abstieg ist, so hart wird der Aufstieg. Nicht nur bin ich minimal unfit ("Oh, wirklich? Warum wohl?" fragt ihr mich vorwurfsvoll, ich höre es bis hier! ;) ), aber die meisten anderen kennen Aufstiege offenbar nur vom Innenraum eines Lifts.

Nach dem Parkbesuch geben wir kollektiv endgültig zu, dass wir dem hiesigen Essen verfallen sind. Fast einstimmig (ich wehre mich stumm) entscheiden wir uns für Churrascão. In einer riesigen Holzscheune wird das Zerfleischen diverser...
Moment mal. Es stimmt - in jedem Eintrag ist Essen zu finden!
Klebt ihr etwa schon gierig nächtlich vor dem Bildschirm, um neue Beschreibung edelster kulinarischer Entdeckungen zu lesen, während euch ein leichtes Knurren im Magen euch an das einsam und lustlos eingenommenen Häufchen Spaghetti "à la Nature" erinnert?
Nun, ich werde euch verschonen. Ich kann nur sagen, dass es ziemlich speziell ist - die überall herumschwirrenden Kellner, die alle 30 Sekunden Fleischspiesse auf unsere Teller stellen, und unsere mangelnde Gegenwehr mit einem süffisanten Grinsen zur Kenntnis nehmen, das enorme Buffet, das mein kulinarisches Wissen zwergenhaft erscheinen lässt, und die pure, überbrandende (und eigentlich absolut abstossende) vorherrschende Fressgier! (Eine halbe Stunde später entdecken wir ein Fondue-Restaurant. Des Schweizer Auge tränt, die Galle kichert glücklich vor sich hin.)

Abends schliesslich speit der kleine VW Gol die fünf müden Fremden wieder auf den Asphalt der Millionenstadt. Schon wieder eine Woche vorbei - viel zu schnell! :