Donnerstag, 21. September 2006

Ein erneutes Aufbäumen

(Ich schreibe diese Zeilen am Abend des 7. Nov)
Gerade eben bin ich nach einem angenehmen und überaus unterhaltsamen* Besuch im Kraftraum über die Schwelle des nahe gelegenen Cafés "Ricardo" getreten. Mit einem beschwingten Schritt und völlig unbedarft, wie sich bald herausstellt: Kaum landet mein linker (ein Omen, nichts weniger!) Fuss in dem lokal, breitet sich Stille aus, als hätte mein Absatz ein feines Gewebe aus Worten durchtrennt, das nach diesem groben Vergehen völlig verloren im Wind flattert, welcher sonst nur auf Friedhöfen des Mitternachts weht, um den Vergleich vollends jenseits jeglicher Limite zu drängen. Leicht beunruhigt lasse ich meinen Blick durchs Lokal schweifen, um ausschliesslich auf weibliche Augenpaare zu stossen - oder besser, selbigen auszuweichen. Angestrengt bemühe ich mein Grosshirn, was verkündete nochmals die morgendliche Zeitung? "Sex and the City Kinonacht: Freier Eintritt mit grosser Schuhlotterie!", "Brad Pitt zu Gast in Ricardos!"
Grübelnd lande ich - zugegebenermassen etwas erleichtert - vor dem Barkeeper, der mich mit müden, aber ausdrucksvollen Augen anzugähnen scheint. "Renn, solange Du kannst.". "Wie?", entgegne ich überrascht. "Was darfs denn sein?", wiederholt er, seine Augen stützen etliche in sauberen Reihen die Stirn zerfurchende Runzeln, welche auf die kleine spitze Nase herunterzufallen, vermutlich dabei alles ins Chaos zu stürzen drohen. Zur Beruhigung bestelle ich den verrücktesten Kaffee (Konkoktion?) auf der Karte, bei dem die auf dem Grund versenkte Pflaume noch die harmloseste Zutat darstellt. Nun, ich gebe zu: Ich hätte so oder so diesen Kaffee bestellt ;)

Du denkst nun sicher, ich würde völlig übertreiben. Mitnichten, mon frère. Vor etwas mehr als 2 Monaten, als ich gerade Rom meine Heimat nannte, begab sich Folgendes...
Mich schon bis aufs Blut als Römer fühlend, lehne ich mich an die Theke der nächsten Cafeteria, um lässig einen "Doppio Espresso" zu bestellen, die Betonung und etwas undeutliche Sprechweise der Römer perrrr-fekt nachzuahmen. Der Blick des Cameriere verrät mir folgend, dass ich dabei nur knapp an einer Beleidigung seiner Mutter und deren gesamten Verwandtschaft inklusive Vorfahren bis zirka Cäsar vorbeigeschrammt bin. Das Kaffeetässchen in der Hand begebe ich mich nach Draussen, wo rege Diskussionen an zwei fast voll besetzten Tischchen zum Verweilen einladen.
In vollster innerer Zufriedenheit setze ich mich und frage mich nur wenige Sekunden danach, ob ich mich zufälligerweise auf den Stuhl mit dem "Rege Unterhaltung: An/Aus" gesetzt habe. Ich blicke mich um - mehrere glühend kalte weibliche Blicke scheinen mein Gesicht nur knapp zu streifen. Mehrere aufeinandergepresste, besser: zusammengezurrte Lippenpaare unterstreichen die Situation fast überflüssigerweise. Natürlich gilt diese Kühle nicht mir, denke ich mir, als ich den wie üblich exzellenten** Espresso geniesse. Nach dem ersten Biss in eine jener übersüssen italienischen Backwaren bemerke ich allerdings, dass die anfänglich noch betäubend lärmige Strasse nicht mehr hörbar scheint. Ich drehe mich um, meine Aussicht zur Strasse wird allerdings von einem paar verschränkter Arme blockiert, welche auch dieses kribbelnd unangenehme Gefühl erklären, welche mir meine Nackenhaare schon länger zu erklären suchten.
Die folgenden Minuten sind schwer zu beschreiben und werden ausschliesslich von angestrengt nonchalant knapp an mir vorbeischauenden Damen und einem sich mit maximaler Lockerheit wappnenden Flöre (ich konnte es mir nur knapp unterdrücken, laut zu pfeifen, gebe ich zu) dominiert wird.
Erkenntnis des damaligen Tages: Das amerikanische (und leider von selbigen oft ignorierte) Sprichwort "When in Rome, do as the Romans do." muss wohl entstanden sein, als sich im zweiten Weltkrieg ein amerikanischer Soldat an den linken, anstatt den rechten Tisch gesetzt hatte...
:)

Mittlerweile habe ich die Pflaume erreicht und die Damen zeigen auch nicht mehr so offensichtlich per Zeigefinger auf mich.


*unterhaltsam daher, weil sich dort zu gewissen Zeiten die geballte, wundersame Pracht der menschlichen Genetik entfaltet.

**Definition Exzellenz: Das Gefühl, gelähmt in einem See erkühlten Schweisses zu liegen, die Herzfrequenz dreistellige Höhen zu erklimmen droht, während man gleichzeitig das Verb "Comporre" im Konjunktiv konjugiert. Compongonooo!