Freitag, 2. Juli 2010

København

Vor der Abfahrt in Hamburg bemerkt die Billetverkäuferin, dass der Zug etwas voll sein könne. Kein Scherz – alle Plätze sind ausgebucht, ich knülle mich zusammen, und werfe mich in die Ecke neben der älteren Dame und den Spanischen Punks, welche sich aus was immer für Gründen* dafür entschieden haben, nach Kopenhagen zu fahren.

Zusammen mit der älteren Dame, eine deutsche Witwe, welche ihre Schwester in Puttgarden besucht, mache ich mich über die deutsche Bahn lustig. Als ich anmerke, dass obwohl sie wissen, dass so viele Leute nach Kopenhagen fahren wollen, sie den Zug doch nicht länger machen, bleibt sie verdächtig still und staunt mich an: "Aber dann würd der Zug doch nich' mejhr auf die Fähre passen!"

Aha. Klar. Wie … bitte? Fähre?! Die Brücke zwischen Deutschland und Dänemark, von deren baldigem Baubeginn ich vor 2-3 Monaten gelesen hatte, ist also immer noch nicht fertig! ;)

Als die Erkenntnis, dass sich dieser ganze Zug bald komplett auf einer Fähre wiederfinden würde, einsickert, finde ich mich in einem Zustand wieder, der auch ohne Spange über dem schiefen Gebiss eines 14-jährigen fast perfekt wäre: Leuchtende Augen, euphorisches Umherblicken, Grenzsabbern in den Mundwinkeln.

Und so ist es auch. Wir verschwinden im Bauch einer 5-stöckigen Fähre spezieller Ausmasse. Ein Kurzbeschrieb: Man könnte sie mit Hilfe eines einzelnen Legosteins nachbauen.

Toll auch, nebenbei: Ich kann mein Spanisch an den Punks ausprobieren. Auch um sie zum Aufstehen zu bewegen, als sie den Weg versperren, weil sie als einzige nicht gehört haben, dass auf der Überfahrt alle aussteigen müssen. "Levanta-se, temos que salir el tren!" (oder so)

Kaum dem Hauptbahnhof Kopenhagens entronnen, erkenne ich die Errungenschaften des modernen Dänemarks: Gratis WLAN mit Internet in den Zügen! Strassen für Fahrräder! Velotaxis mit Elektroantrieb! (So eines hätten wir doch alle gern)

Nochmals: Gratis WLAN/Internet in den Zügen! Wo genau lebe ICH eigentlich? "Ein kleines rückständiges Land in der Mitte Europas widersteht der Zivilisation …"

Weiter gehts in Kurzform:

- 10-stöckige Jugendherberge. Ich im 7. Stock, mit Ausblick auf den Fluss. Ich bin im Zimmer 13. Also ohne Italiener.

- Verdächtig wenig Fisch in den Strassenständen, fast nur Würstchen.

- Kaffee mit Apfelkuchen, einer geöffneten Maracuja und dickem Sauerrahm. Deliziöös!

- Demo für Kampfhunde, gegen Maulkörbe. Würde ich gefragt, antwortete ich, dass ich allergisch gegen Hunde sei. Sie hinterliessen gebissförmige Abdrücke in meinen Lieblingswaden.

- Ich versuche, mich mit meinem Schwedisch durchzuschlagen. Was sich so anfühlt, als würde ich ein Auto vom Rücksitz aus steuern. Mit einem Stock. Also entweder das Gaspedal drücken und bei der nächsten Kurve über die Kante segeln. Oder das Steuer betätigen, dafür so langsam in die Konversation gehen, dass die nächste Kurve gar nie auftaucht.

- 2 Tage je ca. 20km durch Städte gehen: Aua.

- Tivoli: Freizeitpark inmitten der Stadt, mit Achterbahnen usw. Ich kann mich prächtig am Gekreische orientieren.

Tag 2:

- Die Fähre nach Oslo ist bereits ausgebucht. Nur die 700 Euro Suite (eine Augenweide) ist buchbar. Leider zuviel für mich, also morgen doch direkt ab nach Stockholm. Um 8 Uhr morgens. Nur leider ist mein Handy ausgefallen. Ohne Wecker versuchen?

- Heute hat das prächtig geklappt. Um 7 Uhr (beeindruckend, zu welch übermenschlichen Leistungen man in den Ferien fähig ist) mit dem Rad losgedüst.

- Das Rad entspricht dem Familienpanzer Berta von Loriot. Schwer steuerbar und fähig, mittelgrosse Gebäude zu plätten. Ausserdem ist nichts verstellbar. Ich klemme mich irgendwo ins Gestänge.

- Die Meerjungfrau verpasst unser Tête-à-tête. Sie lässt sich entschuldigen, sie sei in Shanghai. Immerhin sind wir kurz per Video verbunden.

- Stadt voller weisser Rosen. Habe ich etwas verpasst? Jedenfalls sehr schön. fast schon kitschig.

- Wie oft kann man eigentlich das Wort "hip" auf einer Stadtkarte verwenden? Ich fahre durch hippe Designerquartier, dann durch das Arbeiterviertel mit seinen hippen Designercafés, und ende schliesslich im hippen Stadtzentrum, gleich neben Christiania mit seinen Hippies. Ich taufe die Stadt neu "Hippenhagen".

So, und heute Abend gibts vermutlich Ausgang, damit ich auch mal das "Fadbier" (der Name lässt wenig Hoffnung aufkommen) probieren kann. Doch erst will ein Wecker gekauft und eine Stadt nochmals quer durchfahren werden :)

*"The migratory patterns of spanish punks during the summer months.", F. R. Hanke, 2011.

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