Freitag, 26. November 2004

Photoeintrag!

Neu: Fotos sind nun auf flickr zu finden:
Hier!

---------

Fotos von der ersten Unterkunft, dem Labor und dem Herd der neuen Unterkunft, inklusive Mathias.

Fotos von Gramada und Canela.

Fotos von den Foz do Iguacu von der Brasilianischen Seite aus.
(Bitte begebt euch in die Nähe eines Klos - es sind etwa 40 Bilder von Wasserfällen)

Fotos von den Fällen von der Argentinischen Seite aus.
(NOCH mehr Wasserfälle & Regenbogen - denkt euch einfach ein Ohrenbetäubendes *BRRRROOOOOOMMMM* hinzu. Von Wasserfällen kann ich seit dem Sommer photographisch nicht genug kriegen.)

Fotos vom IPCT & dem Museu de Ciências e Technologia (Ein Museum voller Knöpfe und Hebel, ein Maxi-Technorama - für die ganz grossen Kinder :) )

Ein paar Fotos von Santis Party, an der ich leider krank war - und auch so aussehe! ;)

Meine Portugiesischklasse.

Ein Ausflug in den riiiesigen Botanischen Garten. Beeindruckend.

Das Getränk Brasiliens: Cachaça! (2 Riesenbecher für je 6 Reais - ich zehre heute noch davon... ;) )

Bierbrauerei mit Geschmack: DaDo Bier.

Der grosse Ausflug zum Canyon, der schliesslich im Nebel endete, dann eine der grösseren Vergehen, die man kulinarisch begehen kann: Käse-, Fleisch- & Schokoladefondue!

Torres, der beste Strand von Rio Grande Do Sul. (Inklusive UFO-Fotos und Lehrbildern, die aufzeigen, wieso man nicht schon Mittags mit Caipirinhatrinken beginnen sollte)

Einige Verschiedene: Essen im Shopping Center mit Madruga, Mascha (from Rascha, nein, der Ukraine), und Felipe. Dann Jurastudis, die erst dachten, ich sei der zweite Fotograph. Schliesslich ein paar Fotos von vor und nach dem Pagode-Tanzausflug (7 Stunden Hopsen :) ).

Das grohohossartige Talent"festival".

Wie eine Chimarrão Session (Teetrinken) aussehen könnte.

In der Nacht vor der Abfahrt nach Montevideo feiern wir Anas Geburtstag. Juhu! :)

Die Reise nach Montevideo, Montevideo selbst, und die Reise zurück nach Porto Alegre.

Der Park Farroupilha, seine Fussballspieler und Süssigkeitenverkäufer.

Cristinas Abschiedsparty!

Neu ab hier...

Churrasco bei Alex, inklusive Spätfolgen (Die Leiden der Mascha Z.)

Urbrasilianischer Sport: Capoeira mit Ana und Mascha

Ausflug nach Florianopolis

Bootsausflug auf der Lagune von Porto Alegre

Die Abschiedsparty von Ana *schnüüürf*

Panoramafotos von den obigen Orten! (Speziell vom Labor und meinem Haus - inkl. Bonus Wasserfall Poster :) )

Und unter Verschiedene habe ich die restlichen Fotos eingefügt...

Dieser Eintrag wird ganz oben bestehen bleiben, damit die Fotos immer anguckbereit sind.

Zusätzlich zu meinen Einträgen könnt ihr auch Jiris Fotos angucken. (Auf Tschechisch, aber ich hoffe, einigermassen verständlich)

Demnächst folgen auch noch Filme...

Vielen herzlichen Dank erst mal an meinen Vater, der mir die Webseiten gebastelt hat! :)

Sonntag, 21. November 2004

Unabwendbar...

Geht an alle, die das unerklärliche Bedürfnis verspüren, mich am Flughafen abzuholen und danach noch einen Cachaça zu probieren. Ich komme am 20. November, um 19:20 an, mit dem Swiss (falls sie bis dahin noch existiert ;) ) Flug LX1623 von Milano.
Ich erwarte mindestens ein Jodelchörli und en Schnäfel Chääs! :)

Unser Erkennungszeichen (nötig, sehe nach Amazonas dank Mücken vermutlich aus wie ein roter Michelin Man) soll ein nach oben gereckter Daumen und ein gesprochenes "Todo bom?" ("Tuuduuu boong?", wobei man das "g" am Schluss brutal erwürgt und was davon übrig bleibt, in die Nase verfrachtet)

Und:
Bin gerade in Brasília - kann mir mal jemand erklären, wieso hier die Uhren von Fortaleza her kommend um eine Stunde nach vorn verschoben werden. Meine Gehirnwindungen mögen sich nicht um diese Tatsache winden. Muss die Hauptstadt dem Rest des Landes partout (relativ gesehen), voraus sein?

Dienstag, 16. November 2004

Teure Sucht...

Hallo Leute,

Kann leider momentan weder neue Einträge machen, noch Mails gross beantworten, da hier auf der Lodge das Internet 6 R$ pro 5 Minuten kostet (Iiiiiek!)...

(Bin aber in einer Woche zu Hause wieder online)

Montag, 8. November 2004

Fortaleza

Der Flug nach Fortaleza dauert schlappe 2 Stunden - und fliegt, im Gegensatz zu den bisherigen Flügen, tatsächlich direkt und ohne Firlefanz zu unserem Ziel: Fortaleza!

Auf dem Flug verschlinge ich eines der vielen, auf dem exzellenten Flughafenbuchladen eingekauften Bücher ("The 39 Steps" von Buchan), und wundere mich nebenher über zwei Konstanten im Brasilianischen Flugverkehr:
A) Die TAM Flugzeuge sind viel moderner als die der Varig (Leiser, bequemer, ...)
B) Die Varig Stewardessen sind schöner, und das Varig Essen ist besser als bei der TAM
Dies nur als Einkaufsführer für den reisebewussten Mann. ;)

Vor dem Anflug zeichnet unser (altes) Flugzeug (mit den schönen Stewardessen) eine lange Kurve über der Stadt und entblösst das Ergebnis einer etwa 30 Jahre zurückliegenden, schweren Kollision zwischen Tourismus und kleinen Dörfern, die zufällig an wunderschönen Stränden liegen: Kurz hinter den Stränden zanken sich Hochhaus um Hochhaus um die Gunst von tausenden Strandsüchtigen. Dahinter liegen Restaurants und das Nachtleben wartet geduldig darauf, wachgeküsst zu werden. Ich als doppelmoraliger Tourist, der den geballten Tourismus verabscheut, nenne die Stadt kurzerhand "Feialeza" ("Hässlicheza"), und schaudere leicht, als mir klar wird, hier mehrere Tage verbringen zu müssen...
[Meldung aus der Zukunft: Aber es kommt alles weniger schlimm als gedacht]

Unser Ziel liegt räumlich fernab der Hochhäuser, beim Betreten könnte man meinen, dass das auch zeitlich zuträfe. In der Reception setze ich mich auf das altmodische Ledersofa, das mich sogleich in die Arme nimmt, anscheinend in der Absicht, mich länger nicht loslassen zu wollen. Der Geruch von altem Papier hängt schwer in der Luft. Die Wände voll von Bildern: Alte Schriften, Lincolns Rede ("Four Score and ..."), hinter mir ein Ausschnitt aus der Bibel. Wäre es Nacht, so würde sich ein mich beiläufig beobachtender Passant in einem Gemälde von Hopper wähnen.
Das Bild wird schliesslich von "Herrn Bellardo" (O-Ton Paps) komplettiert, ein langsam zum Schreibtisch wackelnden, und sich schliesslich mit einem leisen Ächzen in den Sessel (ver-)senkenden älteren Herrn, der uns auf Deutsch anredet, ab und zu aber ein Französisches oder Englisches Wort einwirft. Seine Frau erklärt mir kurz danach, dass er Portugiesisch, Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch, und Russisch fast fliessend beherrscht. выразительный! :) (Mascha fram Rascha möge mich korrigieren)
Ebenfalls unser Zimmer. Langsam setze ich mich auf mein knirschendes Bett, beäuge die alte Klimaanlage, und entdecke, dass unser Fernseher, Brasilianisch undenkbar, nicht über Kabelanschluss verfügt. Ein Durchzappen eröffnet mir, dass von den 7 Sendern, die erreichbar sind, einer von Unfällen handelt, zwei von Soaps verseucht sind, drei weitere Aerobic- und Modesendungen ("Ich bin hässlich, TV Moda macht mich blen-dend schön!") zeigen, und einer dem schon erwähnten "1 dicker Showmaster, 20 linde Frauen im Hintergrund"-Ideal nacheifert. Später entdecke ich dann noch das absolute Fernsehjuwel: Ein Moderator, der sich vor der Kamera durch "Isto é Gente", einer Prominentenzeitschrift durchblättert - mit durchwegs trockenen, daher für mich umso amüsanteren Kommentaren! :)

Als Touristenstadt behandelt Fortaleza - und alle Bewohner, dazu später - das Thema "Sicherheit" bevorzugt. Schon der Hotelbesitzer warnt uns vor, im Falle eines Überfalles immer schon bereits gefaltete 20 bis 50 Reais dabeizuhaben, die wir dann ohne zu zögern dem verblüfften Dieb überreichen können. Im Hotelzimmer dann ein kleines Heftchen von der "Polizei Spezialeinheit Tourismus", die uns einige Verhaltensregeln vorschlägt, die helfen sollen, überfallsfrei zu bleiben. Merkwürdigerweise ist das Ding nicht im nüchternen Ton verfasst (z.B: im Umgang mit Schlafdrogen in Drinks: "You Snooze, You Lose!"), sondern leuchtend BUNT! und mit lachenden Smileys gefüllt, was mich leicht an die Stelle in Fight Club erinnert, wo die Flugzeugpassagiere mit der Glücksseligkeit von Hindu-Kühen ihrem sicheren Untergang entgegenblicken.


Mit einem mulmigen Gefühl betreten wir die Strassen von Fortaleza, merken dann aber, dass es sich hier nächtlich wunderbar wandeln lässt...

Samstag, 6. November 2004

Even MORE Kirchen und Bettler

(aber davon soll nichts geschrieben werden)

Vielmehr: Kennt ihr die Bauchsäcke, die man sich als Mann umbinden kann, um mit seiner Frau (Freundin, Konkubine usw.) bei der Schwangerschaft mitfiebern zu können? Seit heute Morgen verfüge ich über eine mit ähnlichem Hintergrund gestaltete Brille, mit dem Unterschied, dass sie den grauen oder grünen Star simuliert. Mein Paps hat leider die Brille genau so fallen gelassen, dass beide Gläser mit einem (in meinem Kopf dumpf widerhallenden) STOINK gleichzeitig auf dem harten Boden aufprallten, und je ein Stück davon absplitterte.
Nojo...

(Später mehr, as is the custom)

Donnerstag, 4. November 2004

Praia do Forte

Nach zwei Tagen unerträglichen Lockrufs des nur etwa 100 Meter entfernten Strandes entscheiden wir uns endlich, uns in das (wie uns von anderen Gästen berichtet, mindestens kinderbadwarme, aber zum Glück ungelbe) Nass zu stürzen. Aber natürlich nicht etwa gleich vor dem Haus, nein - vielmehr brausen wir 50 km nach Norden, nach Praia do Forte. Was nicht etwa, wie von mir erst vermutet "Strand der Stärke" (Filmschnitt zu angestrengt grunzenden Muskelmännern und kichernden Aerobicmädels, die mit mitleidigem, fast verächtlichem Gesichtsausdruck den grinsend vorbeiflanierenden Flo unbeachten) bedeutet, sondern "Strand des Forts". Das zum Strand passende Fort befindet sich 2 km im Landesinnern und gehörte ehemals der Familie Magalhães. Soviel ich weiss, war dies eine der ersten Adelsfamilien, die eine der 15 Capitanías (Ländereien) vom König von Portugal zugewiesen bekam.
Ratet mal, wie gross die Scheibe Brasilien war, die dieser Familie zugewiesen wurde?
800'000 Quadratkilometer.
Könnt ihr euch etwas darunter vorstellen? Nun, sei nur gesagt, dass die Schweiz etwa 19 Mal drin Platz hätte. Für Deutsche: Bisschen mehr als zweimal (!) die Fläche Deutschlands...
Diese Familien übrigens besitzen immer noch sehr grosse Ländereien (Bahia soll quasi einer Familie gehören) und bestimmen immer noch stark die Politik, sei es mit Bestechung, geschäftlichem Unter-Druck-Setzen oder freizügigem Party-Spendieren - oder anderen amüsanten Mafiahobbies. Doch zu diesem dunklen Kapitel der Brasilianischen Politik ein ander Mal.

Das Dorf "Praia do Forte" ist wie ein kleineres Städchen aus dem mittleren Westen von Nordamerika angeordnet, zirka 1830. An einer direkt zu einem Meeresschildkrötenprojekt (TAMAR) führenden Strasse klebt links und rechts Ladenfassade um Ladenfassade. Manchmal stellt sich ein mutiger Dorfbewohner uns in den Weg, die Hängematte ("Só 8 pila!") bedrohlich an der Hüfte aufgehängt, die Hand in Warteposition. Eine Sonnenbrille, vielleicht?
Wir lassen sie alle unseren Staub schlucken. :)

Es folgt ein Besuch bei den Meeresschildkröten, über welche ihr euch bei obigem Link zur Genüge informieren könnt. Beeindruckend war die weltgrösste Meeresschildkröte, die gut und gern etwa 2 Meter gross wird, und genug Gewicht, um kreuzende Fischerböötchen mit einer Flossenzuckung über die gefürchtete Meereskante zu wischen (750 kg).

Den Nachmittag verbringen wir vor Allem damit, an dem dortig vorhandenen tropischen Ferienbroschüren-Traumstrand in der fast senkrecht über uns sengenden Sonne zu brüten, im ruhigen Meer zu liegen und die perfekte V-Formation der verblüffenden, über uns hinwegbrausenden Armeehelikopter zu bestaunen. (Links und rechts von uns werfen sich vietnamesische Touristen in die vorbereiteten Löcher ;) )

Beim Rückweg besteigen wir vielleicht etwas naiv einen Kleinbus, nachdem ich mit dem Ausrufer den Preis wie folgt bestimmt hatte: "Quanto?" - '"Cinco." - "Cada um?" - "Não." - "Cinco total?" - "Sim." Im Bus dann aber will er trotzdem je 5 Reais von uns, die wir ihm zähneknirschend übergeben. Nichts gegen Entwicklungshilfe, aber dann doch lieber in Form von freiwillig überreichten Reissäcken und Wasserpumpen... ;)
Andere potentielle Reisende, die erst hoffnungsvoll den ohnehin schon überfüllten Kleinbus stürmen, verlassen ihn kurz danach kopfschüttelnd, als sie erfahren, dass es sie 2 Reais kosten würde. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass wir zuviel bezahlen würden... *g*

Mittwoch, 3. November 2004

Iguatemi Salvador

Heute steht nur ein kurzer Besuch im Einkaufszentrum Iguatemi bevor, der mir schliesslich langbenötigte Shorts und ein Filmbesuch (besser als ich dachte - handelt von Dodgeball, besonders wegen den Teams. Prä-Alkoholisierung vonnöten *g*) einbringt.

Auf der langen und holprigen Fahrt Richtung Iguatemi fällt mir auf, dass ich im Vergleich zu meinen Mitfahrern in leuchtend hellem Weiss erstrahle. An der Rodoviária verstärkt sich der Eindruck noch mehr. Gänzlich "Lost in Africa" fühle ich mich, als ich auf der untersten von drei Verkaufsebenen herumstrolle. Auf der mittleren Ebene wird die Hautfarbe leicht heller, gleichzeitig mit der Aufmachung der Läden. Auf der obersten Ebene locken glitzernde und weite Geschäftsfronten, die Klientele so hell wie der edle, erleuchtete Steinboden, der zum Flanieren einlädt. Auf allen Ebenen werden in den Kleiderwerbungen exklusiv Weisse porträtiert.

Auf der Rückfahrt passieren wir ein enormes Plakat, auf dem drei weisse Frauen gezeigt werden, darunter der Text: "Qual mulher você quer ser?" (Welche Frau möchten Sie sein?). Die Linke, vielleicht? *räusper* Ich drehe mich um - erneut keine Weisse. Ich erinnere mich aber daran, dass Michael (wie üblich in unterhaltender Form) erzählte, er wäre in Salvador beim anderen Geschlecht überaus beliebt gewesen. Das Ziel davon, so er, dass die Kinder dieser Union weisser wären und damit mehr Chancen im Arbeitsmarkt hätten...

Etwa 100% der Werbung ist "weiss", etwa 80% der Bevölkerung ist schwarz.

"... Florian Hanke, Sozialreporter, Salvador, Brasilien." ;)
(Amüsantere Einträge hoffentlich später)

*********!

Die Amerikaner sind dabei, einen Präsidenten wiederzuwählen, der erwiesenermassen gelogen hat, und nur einen Bruchteil seiner Versprechen umgesetzt hat.

Was sagt sowas über ein Volk aus?
Was über die Situation in einem Land?


Ganz unabhängig davon:
In den geplanten Einträgen seit dem Letzten bis zu Diesem werden Massenvernichtungswaffen vermutet, was leider zu Verzögerungen führen kann...
:)

Andererseits ist das gar nicht witzig, eigentlich.

--> www.michaelmoore.com

Dienstag, 2. November 2004

Von Kirchen und Bettlern

Am Vortag erhole ich mich den Rest des Tages, um mich von den Strapazen des bereits um 3 Uhr beginnenden Tages zu erholen - was in der Pousada Eckerlino kein Problem darstellt. In der flauschigen Hängematte, umgeben von diversen Fruchtbäumen und einer angenehmen Meeresbrise, ist es ein leichtes, sich zu entspannen, dafür umso schwerer, einen Arm dafür zu bemühen, sich ein Buch vor Augen zu halten.

Heute: Mit den lokalen Klimaanlagetraditionen eher schlecht vertraut, beginnt der Tag mit einem kleinen Schwumm durch einen See aus Schweiss und dem Versuch, nicht an diversen Möbeln klebenzubleiben. Das folgend eingenommene Frühstück beeindruckt: Nicht nur finden sich etliche Früchte, die ich noch am Vortag glücklich am Baum habe baumeln sehen, auch Tapioca (End-lich! :) ) und diverse Fruchtsäfte, wobei ich den Zitronengrastee besonders hervorheben möchte, hat er doch an allen folgenden Tagen dafür gesorgt, dass mein Gehirn morgens in Schwung kommt: "Was riecht denn hier so nach Zitrone?" (3 Sekunden Stille) "A-haaaaa!" ;)

Der heutige Tag gilt Salvador, einer Stadt übrigens - und davon handelt das heutige Thema - eine Stadt, die überquillt vor Heiligkeit. Etliche Kirchen kleben wie eine Napfschneckenkolonie auf dem Fels, die "Cidade Alta" ächzt unter Tonnen von Blattgold. Wie Sünder auf ihrem eher unbeschwingten Aufstieg zum Berg Golgotha tragen wir stöhnend, und nicht ohne unsere Schweissdrüsen überzubeanspruchen, unser Kreuz, das hoch und beständig über uns brennt, die "Strasse der Hilfe" den Berg hinauf. Militärpolizisten säumen unseren Weg, der endlos scheint. Trotzdem erreichen wir über den "Platz der Pietät" den Praça da Sé relativ unbeschadet (ohne umzufallen! <- Dazu später...), stellen unsere Kreuze salopp in die Ecke, um im kühlen Internetcafé unsere Mailboxen abzurufen und einen kühlen Maracujasaft zu geniessen.


Ist man erst im Gewirr der das Pelorinho-Viertel umgebenden Kirchen gefangen, gibt es keinen Ausweg! Ich gebe freimütig zu, dass ich auf Schulexkursionen immer gelb vor Neid an Esra vorbei in die Kirchen gezerrt (mental) werden musste - Juden dürfen nicht in Gotteshäuser anderer Religionen treten. Würde mich ja sehr interessieren, was sonst passieren würden? Würden sie in den Gazastreifen geworfen? Öffentlich von verkleideten und sich des öfteren verhaspelnden Frauen gesteinigt? (Weiss es jemand?)
Äusserlich sind die Kirchen zu bemitleiden. Die Natur erobert sich den ihren angestammten Platz zurück, auf den ehemals vielleicht leuchtenden Dächern wuchert Moos, vereinzelt lugt ein Baum hinter einem Kirchturm hervor. Um den Verfall aufzuhalten, hat man sich oftmals für die wohl billigste Methode entschieden: Ein gelb-roter Neonstreifen zieht sich um die wichtigsten Merkmale und verwandelt so ein ehemals ehrwürdiges Gebäude in etwas, was Christian "Karnevals-Kirche" nennt, und was mich unwillkürlich an das Verfahren erinnert, dem sich ältere Frauen mittels Makeup des öfteren unterziehen. Wie dem auch sei, das Endergebnis kann als inspirierter, aber hoffnungsloser Versuch abgetan werden, die Fassade neu erscheinen zu lassen.
Innerlich sind die Kirchen nur wenig besser in Stand gehalten, dafür umso besser gefüllt. Mit Menschen? Ha. Nein, mit etlichen Bildern und Statuen von Heiligen, Jesus, und anderen Mitwirkenden. Man könnte fast meinen, dass das Verbot, Bildnisse von Gott zu schaffen, dafür umso eifrig glühendere Anstrengungen in allen anderen Bereichen hervorbringt. Wie zum Beispiel von Jesus. Der Platz, um den sich im Kirchenviertel alles dreht, nennt sich "Terreiro de Jesus" (www.worldlingo.com übersetzt "Terreiro" überaus passend mit "Place of Fetichism"). Das ist nicht zuviel gesagt. Es scheint, dass die eher bodenständigeren und sehr (sehr? Nein: seeeeeeeehr) taktil veranlagten Bahianer mit der abstrakten Idee eines gesichtslosen, von ihren Problemen weit entfernten Gottes wenig anfangen können - dafür umso mehr mit seinem Sohn! In all den Kirchen, die wir besucht haben (Rosário dos Pretos - "Rosenkranz der Schwarzen", SS. Sacramento da Rua do Passo, Carmo e Ordem 3ª do Carmo, S. Francisco, Ordem 3ª do S. Francisco), findet sich kein Fleck, an dem uns nicht das bekannte, immer leicht schräg geneigte (wieso eigentlich?) Gesicht, vom zeitlosen Langhaarschnitt eingerahmt, entgegenblickt. Überall blenden mich perfekt lippenpolierte Fuss- und Handpaare von kleinen, an den Wänden befestigten, und auch nicht so kleinen (fast zum Kolossalen neigenden), Räume dominierenden Jesus-am-Kreuz Statuen, die äusserst liberal mit Blut versehen sind.
Die Entdeckung des Tages für mich persönlich ist die Ordenskirche vom S. Francisco, die jeglichen Besucher nicht nur per Qualität, sondern vor Allem mit der Quantität des Blattgoldes im Kircheninnenraum niederblendet. Die gesamte Kirche erstrahlt in goldenem Schein und es würde mich nicht wundern, würde die Kirche auch öfters des Nachts von zwar pietätslosen, aber umso hungrigeren Salvadorianern mit einem kleinen Schaber besucht werden. Was mich eigentlich noch mehr beeindruckt, ist der Kreuzgang gleich neben der Kirche. Jesus dominiert erneut. Diesmal so fest, dass seine "Erlebnisse" fast etwas zu detailliert dargestellt werden. Neben dem allseits beliebten "Jesus am Kreuz" gibt es 2x2 Meter grosse Bilder wie "Jesus fällt das erste Mal auf dem Weg nach Golgotha", und es hätte mich nicht überrascht, wären auch alle weiteren Ausrutscher und Stolpereien seinerseits gezeigt worden. ;) Des Weiteren stellen etliche, ziemlich grosse Wandzeichnungen die Regeln für Ordensbrüder bildlich dar. Bei einem Rundgang (im Kreuzgang?) bemerke ich amüsiert, dass die Franziskaner vor einige Herausforderungen gestellt wurden. Eine Maxime lautet zum Beispiel "Sei zufrieden mit was Dir beschieden!", eine andere "Strebe nach Ruhm!". Kein Wunder, stiessen sie bei solchen Widersprüchen ihre Habseligkeiten von sich und suchten Zuflucht auf der Strasse, um "sich an den Tisch des Herrns" zu setzen ;)

Von den freiwilligen Bettlern zu den anderen (und Strassenverkäufern). Kaum im Pelourinho angekommen, werden wir von diversen Personen bestürmt: Diese beliebten pinken Armbänder, Fotos mit *echten* Salvadorianerinnen in Urtracht, und jene überall zu kriegenden Halsbänder werden feilgeboten, quasi ins Gesicht gedrückt. Hier ein kleiner Auszug übrigens aus dem Dictionaire "Salvador Strassenverkäufer - Portugiesisch (NEU mit Zeichensprache!)":
"Não" bedeutet "Ja", "Não" mit horizontalem Zeigefingergewackel bedeutet "Ja!", "Não, não, não!", begleitet von Kopfschütteln, subtilem Zurückweichen, gefolgt von energischem Abwinken kann man nur als "Oh ja! Ich will alle Ketten kaufen!" deuten :)
Manchmal habe ich mit dem Tourismus meine liebe Mühe. Nur weil meine Vorgänger billige und dazu hässliche Glasketten, Rastahüte mit falschen Haaren, oder Che Guevara Shirts für die grösste kulturelle Entdeckungen seit langem hielten, muss ich unter dem Anstrum wehren, für den ich keineswegs etwas kann. Wieso konnten tausende von vorhergehenden Touristen nicht erfrischendes Kokosnusseis mehr schätzen, als alles, was ihnen aus Versehen angeboten wurde?
Ich will mich absolut nicht über die Bettler und Strassenkinder lustig machen, aber es begeben sich ein oder zwei (von vielen) erheiternde Treffen, die ich im O-Ton wiedergeben will. Zuerst der kleine Junge, der mit einem Schuhputzgestell und Bürste vor uns tritt, und uns blitzblank geputzte Schuhe anbietet. Bei soviel Enthusiasmus schiessen mir fast Tränen in die Augen, sind wir doch mit Sandalen bekleidet! Als ich ihm das klar mache, will er Geld, um Milch für seinen Bruder zu kaufen. Obwohl ich lieber - wenn schon - Milch kaufen gehen würde, gibt ihm mein Vater einen Real, worauf er sich beklagt, dass es nicht genug sei. Hm.
Dann der Mann mit dem speziellen Arm. Unschuldig gehe ich in der Mitte der Strasse, als ich seitlich mit dem Ausruf "Mira! Mira!" (sehe ich so Spanisch aus?) angefallen und am Arm ergriffen werde. Ich weiche aus und "mir"-e wie mir befohlen. Mehr als einen kleinen Mann kann ich nicht erblicken. "Oqueequtuqier?", krame ich mein bestes Gaúcho-Portugiesisch hervor, worauf er auf seinen Arm zeigt. Tatsächlich. Kleine weisse Flecken. Fragend beäuge ich ihn, eine mir helfende Erklärung erwartend. "Lepra", so seine mit Seitenblick geraunte Diagnose, die mich schweisserzeugend an die anfängliche Berührung zurückdenken lässt. Schliesslich zeige ich ihm aber mein von mehr als 40 Stichen (Bissen, so hier) durchlöchertes linkes Schienbein. Stille legt sich über unsere unmittelbare Umgebung, er meint mit einem bemitleidenden Gesichtsausdruck: "Também?" (Auch?)
An der Bushaltestelle dann der Mann, den ich schon öfters eine Kiste unter seinem Arm herum habe tragen sehen. Es stellt sich heraus, dass die Kiste seine Bescheinigung, HIV-Positiv zu sein, beinhält. Kaum ist er verschwunden, tritt ein Neuer an seine Stelle, diskutiert mit uns breit über lang, ob wir ihm Geld geben wollen. "Nein - wir haben schon genug Leuten Geld gegeben", so unsere Antwort, worauf er aufheult "Der vorher war ein Lügner! Das sind alles Lügner! Die kaufen sich nur Cachaça damit!", während mich eine bekannte Fahne umweht...

Ich muss aber dazu sagen, dass wir abseits der vom Tourismus pervertierten Strassen etliche sehr hilfreiche und nette Menschen kennenlernen. Im esoterischen Buchladen kramen sie extra für uns ein paar uralte Postkarten hervor, derweil mir der Seilbahnwärter die Aussicht über die Cidade Baixa erklärt. :)

Zum Geld geben muss ich noch anmerken, dass ich früher zwar gab, mittlerweile aber davon abgekommen bin - denn wo liegt die Motivation eines Bettlers, von der Strasse abzukommen, kriegt er von mir öfters Geld? In Brasilien ist das nicht so klar, denn ob sie - wie in der Schweiz - sonstwo hingehen können, ist gar nicht klar. Besonders bei den Strassenkindern habe ich ab und zu eine Ausnahme gemacht, meist mit kleinen Esswaren. Leider ist es so, dass hier Strassenkinder von ihren Eltern auf die Strasse geschickt werden, um einen fixen Betrag pro Tag zu sammeln. Wenn sie es nicht schaffen, dürfen sie nicht in die Schule oder werden sonstwie benachteiligt. Soll man Geld geben, oder nicht? Ich weiss es nicht. Die Eltern kriegen genug Geld zusammen, weil sie meist viele Kinder haben. Wie denkt ihr, werden es diese Kinder später machen - ebenfalls viele Kinder, die selbst auch betteln gehen?

Als Fazit des Tages kann ich nur sagen, dass ich mich mit Kirchenbesuchen etwas mehr angefreundet habe, als auch schon - speziell, weil mich katholische Kirchen (zwar wie üblich abstossen - visuell, da kitschig, und olfaktorisch) in letzter Zeit mehr zum Denken anregen. Z.B: Wer spendet das Gold in Kirchen, und warum wirklich - Gott zu huldigen (was bedeutete ihm/ihr dies?), oder sich selbst ein Denkmal zu setzen, weil sowieso alle wissen, wer es spendete? Wieso wählen soviele Leute Bush, weil er auch in die Kirche geht? Ein oftmals gehörter Kommentar lautete, dass es bedeute, er wäre darum ein besserer Mensch. Könnte es nicht sein, dass das starre Regelgefüge und die Sünden den "Genuss" (im weitesten Sinn) sogar verstärken, sollte man sündigen, was in dem Zusammenhang zu einem "schlechteren" Menschen führen würde? Warum hat die katholische Erziehung so viele gute Schriftsteller hervorgebracht? Was ist der Zusammenhang zwischen Armut und Katholizismus? Wer war zuerst? Wenn ich mir Zürich und Genf in der Renaissance ansehen, würde ich auf die Religion tippen. Könnte man dafür vielleicht die belebteren katholischen Städte auf die geniesserische Übertretung der Sünden zurückführen? Oder ist Letzteres zu simpel? Und liessen sich die damaligen Kirchenoberhäupter tatsächlich von den Sklaven hinters Licht führen, die unter dem Deckmantel der kirchlichen Feiertage weiter ihren Candomblé-Riten nachgingen, oder wussten sie es und waren mit dem äusserlichen Schein zufrieden?

Und: Warum sitze ich brütend im Dunkel der Kirche, während draussen Bahianische Lebensfreude (und "Gemütlichkeit") auf mich wartet? :)

(Even more) Fun with Varig

Abends in Campo Grande besucht Paps noch kurz das "Amadeus" Flugreservationssystem, um seine Nerven bezüglich des Flugs (Campo Grande - Salvador) zu beruhigen. Zirka 30 Sekunden später stürmt er sichtlich entnervt durch die (offene) Zimmertür und eröffnet einem sich wegen Schlafmangels ziemlich betäubten und sich bis dahin erholenden Flo: "Wir haben ein Problem!" Ungläubig lausche ich der Beschreibung: Trotz Bestätigung soll Varig unseren Flug vom nächsten Tag, 11:15, auf frühmorgens, 5:30, gelegt haben. Trotz Müdigkeit bin ich aber mit der Entwicklung nicht ganz unglücklich - ein Omen für folgende abenteuerliche Erlebnisse? *hoff* Nach einem Telephonat, das uns zeigt, dass Varig Mitarbeiter zwar weniger tun, dafür umso freundlicher sind ("Ja, Sir, ihr Flug ist auf morgen, 5:30 verlegt worden, das haben sie gut gemerkt!"), meinen Vater schnaubend, mich kichernd zurücklässt, legen wir uns Schlafen. (Was aber von Edward mit den Scherenhänden kurz danach vereitelt wird)

4:00 morgens stolpern zwei, deren Köpfe von comichaften Blasen umblubbert werden, zum nächsten Taxistand, um sich zum Flughafen karren zu lassen. Ich frage mich, ob wir den wohl stressigen Umstieg von Congonhas - Guarulhos (oder umgekehrt) in São Paulo ohne Verluste durchstehen werden. Doch wir haben Glück! Unser Aussehen erregt das Mitleid eines aufgeweckten Mitarbeiters, der mich öfters über die Schulter schauen lässt, ob es nicht doch mitten am Tag ist, und der uns mit butterweicher (und für uns engelsgleicher) Stimme anfragt, ob wir vielleicht Brasília fliegen wollten. Ist das eine Frage? *g*

Um Mittag erreichen wir nach einem kleinen Zirkuskunststücks (Landeanflug, kurz zuvor abbrechen und fast 45 Grad wieder aufsteigen, dann enge Kurve ziehen) unseres Piloten Salvador. Doch dazu - wie üblich - später mehr...