Donnerstag, 25. Juni 2009

Worterfinder

Irgendwo in der erleuchteten Düsternis des siebzehnten Jahrhunderts findet man einige amüsante Zeugnisse einer kleinen Schar Worterfinder, die sich gegen die Verfranzösisierung und Lateinisierung der deutschen Sprache (wie Otto Waalkes schön bemerkte: "Di Sprache muss sauba bleihm") wehren.

Für mich stechen besonders die Fehlversuche von Philipp von Zesen (1619-1689) hervor. Einige Beispiele folgen. Damit es etwas spannender wird, kommen erst die Versuche, unten dann mit Übersetzung, also nicht zu früh nach unten schielen. Viel Glück beim Raten :)

Dörrleiche
Jungfernzwinger
Krautbeschreiber
Meuchelpuffer
Spitzgebäude
Spottnachbildung
Windfang















Dörrleiche: Mumie
Jungfernzwinger: Kloster
Krautbeschreiber: Botaniker
Meuchelpuffer: Pistole
Spitzgebäude: Pyramide
Spottnachbildung: Parodie
Windfang: Mantel


Wobei mir die gleichgültigen Worte trotz allen Amusements lieber sind. "Gleichgültig" ein Vorschlag eines Zeitgenossen Philipps für … na? "Synonym".

Und mit diesen Worten schliesse ich die Tageslichter (gegen Kerbtiere und Landschnupfen), winke dem Weiberhof zu, drehe die Blitzfeuererregung ab und ziehe meinen Gesichtserker aus dem Geistesanbauteil, schreite an meinen Schaumünzen vorbei und wende meinen Urgeist dem Entensack zu, die Felltrommel versinkend träume ich von Wüstenoasen und Streifhorden. Noch ein Süsschen davor? Nein, denn meine Beissreihen sind geschmirgelt und glanziert.

Gute Nacht allerseits. Oder sollte ich sagen: "Wohl horizontal im Gefiedertal, Wortverschlinger"?

Donnerstag, 18. Juni 2009

Here's to the crazy ones.

Einfach einer meiner Lieblingstexte, von Apple.

«Here's to the crazy ones.
The misfits.
The rebels.
The troublemakers.
The round pegs in the square holes.
The ones who see things differently.
They're not fond of rules.
And they have no respect for the status quo.
You can praise them, disagree with them, quote them, disbelieve them, glorify or vilify them.
About the only thing you can't do is ignore them.
Because they change things.
They invent.
They imagine.
They heal.
They explore.
They create.
They inspire.
They push the human race forward.
Maybe they have to be crazy.
How else can you stare at an empty canvas and see a work of art?
Or sit in silence and hear a song that's never been written?
Or gaze at a red planet and see a laboratory on wheels?
We make tools for these kinds of people.
While some see them as the crazy ones, we see genius.
Because the people who are crazy enough to think they can change the world, are the ones who do.»

Montag, 15. Juni 2009

Die Geschichte vom fröhlichen Hund und dem mürrischen Kater

Manchmal mag ich mir etwas ausserirdisch vorkommen, hier im schönen Oerlikon. Aber ich denke, das geht allen anderen genau gleich, denn Oerlikon ist ein Inselstaat – ein Staat aus menschlichen Inseln. Die einen, älteren, gehörbedingt fluglärmgeprüft, die anderen sprachbedingt insuliert (Wortspiel!). Aber menscheln? Das tut es, dass sich die Kokospalmen biegen und an menschenumspülten Stränden Schaumkronen auf Sand für die Ewigkeit eintrocknen. Hier spricht Kapitän Hanke, Befahrer, Beobachter und Umschiffer der Inselwelten.

Wo sonst wird einem auf einem abendlichen Rundgang gleich zweimal die Welt erklärt und wo bekommt man zweimal vigoros die Hand geschüttelt, in alkoholbedingten Entermanövern? Pokergeheimnisse werden enthüllt, Beziehungsdetails ausgebreitet, der Südanflug glühend innerlich debattiert, äusserlich gelallt?

Wo sonst breitet sich im Bus folgende Szene aus, herzzerrend: Ein etwas rotunder Mann erstreckt sich über 1,5 Sitze im Bus, gleich links von mir, der ich im Gang stehe. Von hinten nähert sich eine merkwürdig schielende Frau, der weisse Stock verrät Blindheit. Der Mann, auf den ersten Blick scheint er Türke, rotes Hemd, ein breiter Schnauz, den Mund bedachend. Er entdeckt die Frau aus dem Augenwinkel, erkennt ihre Suche nach einem Platz – der einzige zur Hälfte von ihm eingenommen, und bietet ihr sogleich an, die Luft etwas einzuziehen, um wertvolle Sitzfläche preiszugeben.
Unglücklicherweise tut er dies mit einem auf dieselbe gerichteten Zeigfinger. Sie reagiert – erwarteterweise – gar nicht. Er zuckt die Schulter, und zeigt insistierend auf den Platz, diesmal mit der anderen Hand. Sie reagiert gar nicht. Der Mann aber scheint der Sprache nicht mächtig, oder schämt sich gar, diese nur in Brocken zu benutzen, und unterstreicht nun sein nobles Vorhaben gleich mit beiden Handflächen.
Plötzlich meldet sich die junge Frau gleich vor mir – verteidigende Anmerkung: der Ort blosser Zufall – und meint, ihm ein "Si münd mit ihre rede." über die Schulter zuwerfend, wohlwollend, ihm geholfen zu haben. Nichts dergleichen, er versteht sie nicht, die Blinde Frau versteht ihn nicht.
Eigentlich DER Moment für einen jungen, sprachgewandten Mann – zufällig ist einer anwesend ;) – und er ergreift ihn, voller Vorfreude! Oh, ich hoffe, es ist ein Portugiese, oder vielleicht, ja vielleicht ist es ja ein Schwede, an dem ich meine 3 Brocken Schwedisch ausprobieren mag. Wir erinnern uns, dass bei seinem Aussehen der Ursprungsort Schweden etwa so fest in Frage kommt wie blonde Ghanaerinnen, aber auch hier, wie in der Liebe gilt: Die Hoffnung stirbt zuletzt und wenn sie stirbt, rafft sie sich abermals hoch und schleift sich per Zahnfleisch durch die glühendste Wüste, die man sich vorstellen kann, nur um der durchwegs eingebildeten Oase einen Meter näher gekommen zu sein.
So auch hier: "What language do you speak?" – Wir versuchen es mit Englisch, der selbsternannten universalen Sprache. Der Schnauz des Mannes verschränkt quasi abweisend die Arme. Schliesslich Portugiesisch, dann Französisch. Der Mann staunt mich nur an und zuckt mit der Schulter, fast entschuldigend. Sein Schnauz neigt sich leicht provokativ, was ich augenbrauenhebend zur Kenntnis nehme. In kürzester Zeit komme ich bei der Gebärdensprache an: Wie signalisiere ich Blindheit? Einer der drei Affen muss hinhalten. Die Hände bedecken die Augen. Als ich den Ringfinger leicht hebe, zwischen den Fingern durchlinse und eine Ecke des Schnauzes sehe, dessen Spitze verzweifelt und etwas enttäuscht sich der Erde zuneigt, einer Weide gleich, gebe ich auf. Das kleine Schauspiel endet abrupt für mich, als die Haltestelle Hallenbad ausgerufen wird und ich dem Bus entsteige. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass der Schnauz am Ende zum Schluss gekommen ist, ich wäre durch und durch geistesgestört.
Wenn ich den guten Mann das nächste Mal sehe, werde ich ihn zu einem Deutschkurs animieren. Die Frage ist nur: In welcher Sprache?

Was den Titel angeht: Ich habe gestern, an einem einzigen Tag, wohl den fröhlichsten Hund und den mürrischsten Kater meines Lebens gesehen. Ich denke, nicht viele Menschen können dies von sich behaupten.