Dienstag, 6. Juli 2010

Stockholm

Zwei Prozent der Weltbevölkerung sind naturblond. Florian Hanke hat sich im Juni 2010 mit Machete und Kreditkarte in den Norden aufgemacht, selbige zu finden. Ergebnis: Sie verstecken sich in Dänemark und Schweden. Äh ja *räusper*

Noch etwas unsicher bezüglich meiner Schwedischkenntnisse spreche ich den Kioskverkäufer in Malmö auf Englisch an. Ich kaufe eine, nein drei dieser genialen Vanilleglace-Sandwiches, welche hier überall, in der Schweiz nur im Coop erhältlich sind. Der Verkäufer lässt mich leicht skeptisch zurück, spricht er mich doch immer mit einem "Yes, Sir!" oder "Of course, Sir!" an. Ich erinnere mich aber an J. Vogel, was mich etwas beruhigt. Wenn man in einem Fussballklub Deutsch lernen kann, so kann man sich sicher auch per Gefängnisfernsehserie Englisch beibringen. Yes, siree.

Nach wenigen Minuten gleitet der X2000 auf Gleis 8 in den im Umbau begriffenen Bahnhof Malmö ein. Ein wunderbares Gefährt, das zwar nicht die Annehmlichkeiten eines ICEs für den modernen Stadtnomaden bietet, aber durchwegs in den typisch schwedischen Farben (blau, weiss und holz) gestaltet ist und man sich auch gleich wohl fühlt. Man vermisst fast kleine blaue Vorhänge an den Fenstern.

Auf meinem Platz – der Zug ist ansonsten nur spärlich gefüllt – findet sich ein älterer Herr wieder. Ich quacke ihn natürlich gleich höflich und geschliffen an: "Det är min plats" [alle Zitate sic], worauf er in Bestem Swenglish antwortet: "Let's see how it fills up." Ich mag ihn sofort und so tratschen wir ein Bisschen. Später gesellt sich noch ein weiterer älterer Herr dazu, diesmal inklusive Bart und ruhiger Art. Ich spendiere ihnen – wie so oft – einen Kaffee. (Sie hatten zwar grade einen, aber nehmen gern nochmals einen, dazu später)

Beim Bestellen – auf Schwedisch! *jubel* – fällt mir erneut auf wie höflich alle sind. Dies scheint sich durch ganz Skandinavien zu ziehen wie mir versichert wird. Tatsächlich, schon in Kopenhagen dämmert mir, dass man sich hier gerne und oft bedankt. Schon bei einer Bitte wird immer "tak" angehängt, also "en kopp kaffee, tak" und dann gerne nochmals beim Entgegennehmen. Kurioserweise sagt man hier mittels des zusammengesetzten Worts "varsågod" bitte, als Antwort auf danke. Ich war erst überzeugt, dass ich das bei einer Bitte sagen müsste, analog zu unserem "wärschsoguet" (quasi identisch ausgesprochen, das "rs" wird als "rsch" intoniert)

Als Faustregel gilt: Immer bedanken! Alle bedanken sich fast permanent, für alles. Man ertappt sich fast dabei, sich für den Sauerstoff zu bedanken, den man hier aus der Luft stibitzt.

Ein weiterer erster Eindruck vermittelt auch das ganzseitige Inserat für das "Woodworking Magazine – new issue out now!".

Lustige (rolig) Wörter findet man hier überall. Was könnten folgende Wörter bedeuten?

- stickkontakt

- strax

- skivspelare

- fyrkantig

- frukost

Die Übersetzungen:

- Steckdose

- schnell

- Plattenspieler

- viereckig

- Frühstück

Alle erkannt? Oft habe ich das Gefühl, dass Schweizerdeutsch und Schwedisch einige altmodisch scheinende Ausdrücke sich teilen. Als kleines Beispiel "hurtig" – "jetzt abär hurtig", heisst hier genau dasselbe, nämlich "geschwind", schnell. "strax" erkennt man auch wieder, im deutschen "schnurstracks".

Die Fahrt dauert geschlagene 5 Stunden und führt uns durch eine Abfolge von Seen, Häuschen, Wälder, Wälder, Seen, Wälder. Schön(,) weitläufig.

Am ersten Tag zieht es mich direkt in die Gamla Stan (die alte Stadt, d.h. "Gamla Sta(de)n"). Die kleine Insel, auf der sich zu einer Zeit, in der bereits 200'000 Menschen sich in London durch die Strassen zwängten, noch 10'000 Menschen hausten. Mehr ginge auch fast nicht, denkt man sich, wenn man durch die kleine Insel wandelt. Die Strassen sind 5 Meter breit, eingeklemmt zwischen 4-5 stöckigen Häusern, aus denen Abendgespräche durch die Schluchten hallen. Fast fühlt man sich in die Renaissance versetzt und kann gut nachfühlen wie es hier wohl gewesen sein muss, damals. Mit dem einzigen Unterschied wohl, dass die Kanalisation heutzutage unterirdisch geführt wird. Zum Glück, fällt doch mein linker Schuh fast auseinander.

Schliesslich ende ich vor einem kleinen Restaurant, auf der äusseren Fenstersitzbank, mit Blick auf die Strasse. Nach einer Vorspeise aus verschieden zubereiteten Heringen (köstlich!) geniesse ich einen eingelegten Fisch (ebenso köstlich), dazu ein folköl, ein Volksbier, also mittelstark. (lättöl = Leichtbier, starköl = normales Bier).

Apropos Volk. Essen in Schweden scheint ein Volkssport zu sein. Nach dem frukost gibt man sich dem lunch hin. Dann dem middag. Abendessen? Natürlich. Und damit man dazwischen ja nicht verhungert, gibts mellanmål, also Zwischenmahlzeiten.

Ich stürze mich förmlich, also eigentlich unförmlich (daher nun unförmig) auf die hier überall erhältliche "svensk husmanskost". Also Heringe, Köttbullar (Fleischkugeln mit Lingonbeeren, sauren Salatgurkenscheiben und Kartoffelstock) usw. usf. Am Besten gefällt mir des Namens wegen, "Janssons frestele", also "Janssons Versuchung", ein Auflauf aus Kartoffeln und salzigen Fischchen.

Doch zurück zum ersten Abend. Da ich alle(s) und jede(n) anrede, komme ich in ein reges Gespräch mit Anders und Ann-Kristina. Ein Ehepaar. Er besitzt eine Stahlverarbeitungsfirma und sie eine Tankstelle. Ich gewinne sofort Punkte, als ich den Slangbegriff für Tankstelle hervorzaubern kann: "mock". Ha! Wir unterhalten uns über … na eigentlich alles. Sie leeren Jägermeister um Jägermeister, mit dem Ziel, sich etwas aufzuwecken nach einem langen Besichtigungstag. Ihre Taktik scheint nach hinten loszugehen. Sie versichern mir aber, dass es bei ihnen normalerweise funktioniert. Mir persönlich empfehlen sie, den hier üblichen Vodka auszuprobieren. Dieser Schuss geht zwar nach vorne los, hat sich aber am nächsten Morgen wundersamerweise in einen Bumerang verwandelt.

Nach einem Emailtausch und der kurzen mentalen Notiz, dass Gamla Stan an meinem Portemonnaie zehrt (wie die ganzen Ferien), stolpere ich den Abend geniessend nach Hause.

Am nächsten Tag gehe ich snurstrax zur Vasa, dem grossen Kriegsschiff, das der kriegslustige damalige Schwedische König bauen liess, zusammen mit drei anderen. An der Vasa ist speziell, dass sie sich beim Beladen des Ballasts (160 Tonnen Steine) leicht verkalkulieren und das wunderschön verzierte Schiff gleich nach der ersten Kurve zwar elegant in die Kurve liegt, dabei sich aber durch die Kanonenluken an einer grösseren Menge Wasser verschluckt, zusammen mit 50 Crewmitgliedern.

Bis ca. 1950 gerät das Schiff in Vergessenheit, bis ein faszinierter Hobbyist nach ihr sucht und sie tatsächlich findet. Das brackige Wasser von Stockholm verhindert effektiv, dass sich der sonst in Salzwasser vorkommende holzfressende Wurm an dem schönen Schiff vergeht. Anfangs der 60er Jahre wird sie schliesslich aufwendigst gehoben (nicht so einfach, wir reden von 500 Tonnen).

Nach 3,5 Stunden finden mich die Sicherheitskräfte und bugsieren mich aus dem der Erhaltung des Schiffs dienenden klimatisierten (tiefgekühlten) Raum.

Danach gönne ich mir mal wieder Köttbullar und einen Kaffee in Gamla Stan, nicht ohne mit der Besitzerin ein paar Worte gewechselt zu haben. Auf Schwedisch und Englisch, und Schweutsch (ein paar Worterfindungen fliessen ein, was sie laut lachend quittiert).

Sie merkt an, dass meine Aussprache fast schon perfekt sei, wenn auch die Wörter fehlten. Mir fällt dafür auf, dass es nicht immer so hilfreich ist, wenn die Aussprache dem Wortwissen voraus ist. Manchmal scheint mir, dass sich die Menschen, an denen ich mein Schwedisch ausprobiere, sich leicht verhohnepipelt fühlen. Oder vielleicht ist das auch die normale Reaktion darauf, wenn ein Fremder die eigene, schöne Sprache verunstaltet, und dabei breit grinst – manchmal auch plötzlich in Schweiss ausbricht *splosch*.

Ebenfalls erzählt sie mir, dass Stockholm im Winter grausam langweilig, nur im Sommer bewohnenswert sei. (Das wiederholen eigentlich alle hier)

Nach gefühlten 20 Kilometer Fussmarsch schleppe ich mich nach Hause und gucke den zweiten Teil der Salander Trilogie, welche durch die Kenntnis der Strassen Stockholms noch an Spannung gewinnt.

Der nächste Tag ist dem Rad gewidmet, d.h. zuvor dem monströsen frukostsbuffet und den 5 Neuseeländern (Bauern von "'small' farms", also "just 1000 acres") am Tisch, mit denen ich die ulkigsten Diskussionen haben.

Mit schockgeweitet tellergrossen Augen erzählen sie mir, wie viele Leute hier rauchen würden. (Einen Tag zuvor fällt mir auf, wie wenig Leute hier rauchen). Ich frage sie, wohin sie als nächstes Reisen würden. Als sie mir mit "Paris" antworten, kann ich es nicht verkneifen, dass der Kauf einer Gasmaske nun angebracht wäre.

Zwar meinen sie alle, dass Neuseeländer eigentlich grundsätzlich die Australisch - Neuseeländerische Rivalität ignorieren, geben dann aber kurz darauf etliche Witze zum Besten, die eigentlich alle auf dem folgenden Ur"witz" beruhen: "We came because we wanted to. They came because they had to."

Danach gehts los. Kein Rennvelo, sondern einen Cruiser leiste ich mir. Dabei handelt es sich um ein Velo, dessen Konstruktion folgenden zwei Maximen untersteht:

  1. Der Fahrer muss cool aussehen.
  2. Möglichst viel Energie muss vernichtet werden.

Mein Exemplar erfüllt den zweiten Punkt blendend, während Punkt 1 sehr subjektiv gelöst wurde. Sollten Sie, geneigte Leserin, auf stocksteif senkrecht aufgerichteten Fahrer mit O-Beinen stehen, so dürfen Sie Punkt 1 als erfüllt ansehen.

Noch vor den ersten Erfahrungen mit dem Rad nehme ich mir einen Punkt 10 Kilometer im Osten als Ziel vor. Ein Naturschutzgebiet, das schwedischer nicht sein könnte: Rote Holzhäuser, Pferde, Seen, Felsen. Fünf Kilometer lasse ich mich rollen. Es fühlt sich perfekt an. Das "Easy Rider"-artige Gefährt ist schwer steuerbar, dafür kann man es richtig geniessen, den Berg runterzurollen. Eine Stimmung, die man nur mit dem amerikanischen Ausdruck "laid back" ausdrücken kann, stellt sich ein. Geflissentlich ignoriere ich die Schreie des Gehirnteils, welcher sich ausschliesslich mit der Evaluation der Zukunft beschäftigt. Denn was lange fährt, wird ewig hochfahren (müssen).

Als ich dann bebenden Rades senkrecht zum "Strand" von Stockholm runterdüse, dämmert mir langsam, dass es eventuell von Vorteil hätte sein können, ab und zu einen Blick auf die Karte zu werfen. Führt doch der einzige Weg vom Strand Weg wieder denselben hoch. Etwa zu diesem Zeitpunkt gibt der erste Gang den Geist auf. Zurück bleiben Mr. Mittelgang (5 Meter pro Umdrehung) und Mr. Cruise Mode (10 Meter pro Umdrehung).

Zweifelnd betrachte ich die fast senkrechte Strasse und rufe schliesslich den Gott der Radfahrer um Hilfe an. Und siehe da, in just dem Moment joggt eine hübsche Schwedin um die Ecke, den Berg hoch. Schwitzend danke ich dem Radgott und versuche die galeerenartigen Bum-Bam Geräusche meines Herzens zu überhören.

Der Naturschutzpark übertrifft meine Erwartungen bei Weitem. Ebenso mache ich die Erfahrung, dass hohe Geschwindigkeiten plus Vorderradbremse, plus Kieswege, plus sensationell niedrige Handlingwerte eines Cruiserrads jede Erwartung bezüglich der Schwere eines Unfalls übertrifft.

Nach einem weiteren Missachten der Karte (lerne ich je?) finde ich mich erneut an einem Strand wieder, diesmal mit einem kleinen schaurigst zerfallenen Häuschen vor mir, und einem dunklen steilen Waldweg hinter mir. Mit den Bildern vom Salanderfilm im Hinterkopf rase ich quasi den Weg wieder hoch, zurück in Sicherheit.

Der Weg zurück (wir erinnern uns: 5km hoch) wird begleitet von chronischem Gefluche und meinem Hinterkopf: "Ich habs Dir doch gesagt. Du hörst nie auf mich!"

Zu middag wieder mal Köttbullar (mjammmmm!), und einen cider äpple, der mich den ganzen Nachmittag Kurven fahren lässt. Schliesslich helfe ich noch ein paar Talinnerinnen zu ihrem Schiff, kaufe bei einer Polin Erdbeeren (sie glaubt mir nicht, dass ich in Krakau gewesen sei – warum ist mir immer noch schleierhaft) und: Ein weiterer cider. Das Handling des Cruisers verbessert sich merkwürdigerweise immer mehr.

Ein Thema noch zum Schluss:

Kaffee. Kaffee ist hier allgegenwärtig. Alle trinken Kaffee, immer. Es gibt zum lunch automatisch Kaffee (wie auch Salat und Beilagen). Kaffee darf man gratis nachfüllen. Zum Zeitpunkt, an dem ich diese Zeielen schereibe, flirsen middestenens funf Kaffes immeinem Bloet. Hagagagagagagagagga *bzzz*

Falls je ein Rucksack erfunden wird, welche dem Träger bequem intravenös Koffein zuführt, dann würde ich wetten, dass dieser von einem Konsortium aus Volvo, IKEA und ABBA entwickelt worden sein wird. "En kopp kaffee med mjölk, tak" Skol!

Freitag, 2. Juli 2010

København

Vor der Abfahrt in Hamburg bemerkt die Billetverkäuferin, dass der Zug etwas voll sein könne. Kein Scherz – alle Plätze sind ausgebucht, ich knülle mich zusammen, und werfe mich in die Ecke neben der älteren Dame und den Spanischen Punks, welche sich aus was immer für Gründen* dafür entschieden haben, nach Kopenhagen zu fahren.

Zusammen mit der älteren Dame, eine deutsche Witwe, welche ihre Schwester in Puttgarden besucht, mache ich mich über die deutsche Bahn lustig. Als ich anmerke, dass obwohl sie wissen, dass so viele Leute nach Kopenhagen fahren wollen, sie den Zug doch nicht länger machen, bleibt sie verdächtig still und staunt mich an: "Aber dann würd der Zug doch nich' mejhr auf die Fähre passen!"

Aha. Klar. Wie … bitte? Fähre?! Die Brücke zwischen Deutschland und Dänemark, von deren baldigem Baubeginn ich vor 2-3 Monaten gelesen hatte, ist also immer noch nicht fertig! ;)

Als die Erkenntnis, dass sich dieser ganze Zug bald komplett auf einer Fähre wiederfinden würde, einsickert, finde ich mich in einem Zustand wieder, der auch ohne Spange über dem schiefen Gebiss eines 14-jährigen fast perfekt wäre: Leuchtende Augen, euphorisches Umherblicken, Grenzsabbern in den Mundwinkeln.

Und so ist es auch. Wir verschwinden im Bauch einer 5-stöckigen Fähre spezieller Ausmasse. Ein Kurzbeschrieb: Man könnte sie mit Hilfe eines einzelnen Legosteins nachbauen.

Toll auch, nebenbei: Ich kann mein Spanisch an den Punks ausprobieren. Auch um sie zum Aufstehen zu bewegen, als sie den Weg versperren, weil sie als einzige nicht gehört haben, dass auf der Überfahrt alle aussteigen müssen. "Levanta-se, temos que salir el tren!" (oder so)

Kaum dem Hauptbahnhof Kopenhagens entronnen, erkenne ich die Errungenschaften des modernen Dänemarks: Gratis WLAN mit Internet in den Zügen! Strassen für Fahrräder! Velotaxis mit Elektroantrieb! (So eines hätten wir doch alle gern)

Nochmals: Gratis WLAN/Internet in den Zügen! Wo genau lebe ICH eigentlich? "Ein kleines rückständiges Land in der Mitte Europas widersteht der Zivilisation …"

Weiter gehts in Kurzform:

- 10-stöckige Jugendherberge. Ich im 7. Stock, mit Ausblick auf den Fluss. Ich bin im Zimmer 13. Also ohne Italiener.

- Verdächtig wenig Fisch in den Strassenständen, fast nur Würstchen.

- Kaffee mit Apfelkuchen, einer geöffneten Maracuja und dickem Sauerrahm. Deliziöös!

- Demo für Kampfhunde, gegen Maulkörbe. Würde ich gefragt, antwortete ich, dass ich allergisch gegen Hunde sei. Sie hinterliessen gebissförmige Abdrücke in meinen Lieblingswaden.

- Ich versuche, mich mit meinem Schwedisch durchzuschlagen. Was sich so anfühlt, als würde ich ein Auto vom Rücksitz aus steuern. Mit einem Stock. Also entweder das Gaspedal drücken und bei der nächsten Kurve über die Kante segeln. Oder das Steuer betätigen, dafür so langsam in die Konversation gehen, dass die nächste Kurve gar nie auftaucht.

- 2 Tage je ca. 20km durch Städte gehen: Aua.

- Tivoli: Freizeitpark inmitten der Stadt, mit Achterbahnen usw. Ich kann mich prächtig am Gekreische orientieren.

Tag 2:

- Die Fähre nach Oslo ist bereits ausgebucht. Nur die 700 Euro Suite (eine Augenweide) ist buchbar. Leider zuviel für mich, also morgen doch direkt ab nach Stockholm. Um 8 Uhr morgens. Nur leider ist mein Handy ausgefallen. Ohne Wecker versuchen?

- Heute hat das prächtig geklappt. Um 7 Uhr (beeindruckend, zu welch übermenschlichen Leistungen man in den Ferien fähig ist) mit dem Rad losgedüst.

- Das Rad entspricht dem Familienpanzer Berta von Loriot. Schwer steuerbar und fähig, mittelgrosse Gebäude zu plätten. Ausserdem ist nichts verstellbar. Ich klemme mich irgendwo ins Gestänge.

- Die Meerjungfrau verpasst unser Tête-à-tête. Sie lässt sich entschuldigen, sie sei in Shanghai. Immerhin sind wir kurz per Video verbunden.

- Stadt voller weisser Rosen. Habe ich etwas verpasst? Jedenfalls sehr schön. fast schon kitschig.

- Wie oft kann man eigentlich das Wort "hip" auf einer Stadtkarte verwenden? Ich fahre durch hippe Designerquartier, dann durch das Arbeiterviertel mit seinen hippen Designercafés, und ende schliesslich im hippen Stadtzentrum, gleich neben Christiania mit seinen Hippies. Ich taufe die Stadt neu "Hippenhagen".

So, und heute Abend gibts vermutlich Ausgang, damit ich auch mal das "Fadbier" (der Name lässt wenig Hoffnung aufkommen) probieren kann. Doch erst will ein Wecker gekauft und eine Stadt nochmals quer durchfahren werden :)

*"The migratory patterns of spanish punks during the summer months.", F. R. Hanke, 2011.

Mittwoch, 30. Juni 2010

Hambuuach

Der Arbeit entwische ich etwas früher – ein wildgewordener Index bei TwixTel drohte meine Abfahrt zu verzögern – doch auch diesmal schaffe ich es, eine passende, wenn auch nicht perfekte Lösung zu finden. Falls jemand ansetzt zu meckern, möchte ich doch auf das kleine Loch im Golf von Mexico hinweisen, welches eine Weltmacht vor ernste Probleme stellt.

Um 20:42 holterdipoltert mein edler Nachtzug nach Basel los; "edel" vor allem im Rückblick auf die ausrangierten spanischen U-Bahnzüge, welche nun auf der Linie Zürich - Barcelona ihren Dienst tun und Kinder unter 8 Jahren, Edelgase und besonders Liliputaner aus besonders heissen Gegenden bequem und wohlbehalten an ihr Ziel bringen.

Zwar habe ich aus preislichen Gründen mir immer noch kein 2er Abteil mit Dachfenster und Schampus geleistet, bin aber dem Träumchen immerhin einen Schrittchen nähergekommen: Das flauschige 4er Abteil erwartet mich. Nach 3 schläfrigmachenden Grüntees, einer ruhigen Fahrt und dem darauffolgenden Überfall in Basel durch eine 40-köpfige Segelgruppe der Coopzeitung falle ich in tiefen traumlosen Schlaf. Nicht ganz so schnell, leider – ich frage mich öfters, ob ich die Coopzeitung doch lieber nicht hätte abbestellen sollen, um die resultierenden Verfolgung und den psychologischen Terror zu vermeiden.

Warum ich nicht mit dem möglicherweise billigeren und schnelleren Flugzeug reise, fragt ihr mich? Die kurze Antwort: Das Flugzeug ist mir zu schnell, und zu weit oben. Nicht etwa Flugangst plagt mich, sondern der Wunsch nach einer echten Reise – eine Reise, welche es mir ermöglicht, nach einer Phase der Transition in einem neuen Land anzukommen, und dazwischen die Abstufungen wenigstens teilweise mitzunehmen.

Lernen Sie oft neue Menschen auf einem Flug kennen? Ich auch (fast) nicht. Nicht so im Zug – die Abteile und die Bar sind exzellente Möglichkeiten, neue Leute zu treffen. Auf der Rückfahrt aus Italien lerne ich einen Dachdecker und seine Frau aus Nordostamerika kennen. Und treffe sie ein Jahr später durch unglaublichen Zufall gleich nochmals. Dann einen Künstler, der an alle ABBA Konzerte ging und deren Lieder in jeweils 4 Minuten auf ein Bild zu bannen versuchte. Mit einigem Erfolg, muss ich sagen: Die Bilder sind seicht und eingängig gemalt. Oder auch diesmal, ein junger Franzose, der schnarchfrei (wenigstens er ;) ) mit mir das Abteil teilt. Das spezielle an ihm: Er reist schon so lange, dass er nicht mehr seinen echten Namen nennt, sondern sich mit "Bolo" vorstellt. "Yü know, like the Spaghetti. Evechybodee knows the Spaghetti.", teilt er mir in seinem perfekten Frenglisch mit.

Das erste Mal übrigens, dass ich nicht am ersten Reiseabend eine Frau kennenlerne. Wie Herr Marley uns schon singt, dafür auch keine Tränen.

Als erstes fallen mir die unendlich weiten Kornfelder Norddeutschlands auf, und die Weiten ohne Häuser. Ein Kulturschock für jeden Mittellandbewohner, der es sich gewohnt ist, entweder Häuser, oder auf allen freien Flächen diese Holzgerüste, welche baldige Verhäuserung ankündigen, zu erwarten.

Als zweites grüsst mich der in Deutschland allgegenwärtige "Wortwitz", zum Beispiel: "Zopf oder Kahl" (eine gelungenere Variante für einen Frisör). In Hamburg sind sie etwas derber: "Morgenlatte, 2,90€" Ich bestelle eine, und frage mich dann ob und vor allem wie die Dame hinter der Theke dies denn bewerkstelligen möge. Zu meiner Unterraschung bekomme ich dasselbe wie die Dame neben mir, welche einen Latte Macchiato (oder wie man hier sagt "La-TE Ma-KIA-to") gewünscht hat.

Ist wohl "Moinmoinlatte" der Ausdruck für Anderes?

Der Autor beim Schreiben:

http://www.flickr.com/photos/hanke/4749507963/

Stilvoll schlürft er ein Bier mit Waldmeistersirup.

Meinen vollgepackten Rucksack auf den Hüften balancierend stolpere ich durch die erwachende Stadt und finde mich in einer Bäckerei wieder. Mönströse belegte Brötchen lachen einem hier reichlich aufgetürmt an. Lasziv kräuselt der grüne Salat aus der Seite. Dahinter eine Andeutung, ja ein Hauch Frikadelle bombastischen Ausmasses. Ich kann nicht widerstehen, genausowenig dem frischgepressten Orangensaft, und setze mich neben die zahlreichen Handwerker. In der Schweiz schon mal Handwerker in Cafés gesehen? Hier quasi permanent. Irgendwie gefällts.

Nach dem Ausschlagen eines teuren (später als sehr billig eingestuften) Hotels drehe ich eine Runde durch die edleren Quartiere, einmal "um" die Alster, dann durch die Innenstadt und zum Hafen. Ich fühle mich an London erinnert: Viele billig restaurierte Häuser. Aber auch an Amsterdam: Die roten Radwege zieren jede Strasse und führen oft quer über Fusswege. An jenen Stellen fehlen definitiv Totenköpfe, werde ich doch auch hier wieder schier von einer Oma über den Haufen gefahren. Es tänzelt sich mit einem 12kg Rucksack einfach nicht so leicht auf die Seite.

Fazit zu Hamburg: "Eigentlich ja ganz ok."

Was mir auch immer wieder auffällt, ist, dass beim Reisen einfach viel mehr Dinge vorfallen, mehr Begebenheiten und Möglichkeiten sich präsentieren, wenn man offen für sie ist. Zum Beispiel fährt ein Transportwagen voller Verkehrsschilder an mir vorbei, die Hintertür offen. Ich rufe "Ihre Hintertür steht offen", in perfektem Hochdeutsch. Doch sie fahren weiter. Erst als ein Velofahrer sie in korrektem Hamburgisch anschreit ("Ihr habt eure Tür auf") verstehen sie und korrigieren ihr Missgeschickt lautvoll "Ich dacht' Du hättest die Tür geschlossen". Schade eigentlich. Es hätte mich gewundert, was die nachfolgenden Fahrzeuge mit einem Wald aus Schildern angefangen hätten ;)

Warum eigentlich passieren solche Dinge in Zürich nicht? Oder tun sie es, aber man ist nicht offen dafür? Oder sind wir tatsächlich eine so "geschmierte" Gesellschaft, alles läuft rund?

Der Rest des Tages vergeht im Lernen von Schwedisch und kulinarischen Entdeckungen: (Mehr) Frikadellen, Fish&Chips, Rollmöpse, Matjes. Und nun die Moral der Geschicht: "Rrrrülps!", excusez-moi, ich meine "Smaklig Maltid!" :)

Dienstag, 15. Juni 2010

Game Ooon VI!

Auch der letzte Game Oooooon Event war erneut ein ungebremster Erfolg!

Durch enthemmten Termin-/Freundinnen-/Fussball-/Arbeitsdruck haben wir einige treue Mitgameoner kurzzeitig verloren. Ich hoffe natürlich, dass ihr das nächste Mal wieder dabei seid und bin umso stolzer auf die Teilnehmer dieses Events:

- Jens Christian "jPad" Fischer
- Kaspar "2,5D" Schiess
- Flöre "Chobo" Hanke

Um 18:07 Uhr rasen wir aus den Startblöcken! Jens-Christian ergreift das iPad, welches ihm des enormen Elans wegen aus den Händen zu gleiten droht (Zitat: "Ich könnte jetzt einschlafen") und bringt nach wenigen Minuten seinen Tower Defense Prototyp zum Laufen. Erneut wandern rote Quadrate von links oben nach rechts unten. Nur schneller als auf dem iPhone.

Derweil erklärt Kaspar sein Ziel: "Ein taktischer, rundenbasierter Flugkampfsimulator mit 3D Modellen". Wir fragen uns natürlich alle, was er nach der Implementation des Wettersimulators inkl. Schnee und Regen und der Moralwertsbehandlung der deutschen Piloten im Falle ausgehenden Biers nach 2,5 Stunden mit der letzten halben Stunde noch anfangen soll. JC und ich salutieren und wünschen ihm viel Erfolg auf seinem ambitionierten Weg.

Ich befasse mich mit der ausserst penibel und über Stunden hinweg ausgearbeiteten Story: "Das CERN implodiert in ein Schwarzes Loch und reisst Sofas und Babys in seinen Schlund, während 3 unterschiedlich gefärbte Wissenschaftler die Welt zu retten suchen. Das Schwarze Loch gewinnt immer." Die erste halbe Stunde verwende ich darauf, das schönste Schwarze Loch auszusuchen. Es gewinnt ein richtig dunkles, fast Schwarzes.

Nach einer Stunde dämmert es JC, dass das als "magisch" angekündigte iPad nur unwesentlich schneller als Charles Cabbages Rechenmaschine mit Handkurbel ist und schliesst sich entschlossen Kaspar an. JC nimmt sich des Wettersimulators an.

Nicht ganz. Kaspar hadert noch mit obskuren 3D Modell-Dateiformaten. Was für normale Menschen (also nicht Sie, geehrter Leser) wie eine Teetasse in der Matrix aussieht, biegt sich in Kaspars Augen zu einem X-Wing Flieger aus Star Wars. Oder doch nicht? Ein Mitschnitt aus JCs und Kaspars Dialog: "Aber wenn ein Vertex [ein Punkt im Raum in der Geheimsprache der Informatiker] 3 Koordinaten braucht, warum sind dann im File ein Multiples von 4 vorhanden? Und was sollen diese Zahlen am Ende der Datei?"

Wir schliessen unsere Augen ob der nachfolgenden Sezierung der Datei und reimen uns zusammen, dass die Arbeit an einem Biermoralssimulator doch viel mehr Spass macht. Das ist übrigens auch der Grund dafür, dass sich im Apple App Store viel mehr Biersimulatoren als 3D Modelldatei-Leser finden. (Verhältnis Unendlich zu Null)

In der Mitte irgendwo ein sehr willkommenes Interludium durch Daniela, welche uns durch gelungenes und köstliches Abendessen beglückt. Danke dafür!

Neu gestärkt kämpfen wir weiter. Bei mir rauschen erste Wissenschaftler ums Loch und werden mittlerweile von den Sofas und Babies in Selbiges gedrückt. Irgendwann trifft Melitta ein, d.h: Ideen fliegen durch die Luft, welche ich glücklicherweise sofort einbauen mag.

Der Druck steigt – die letzte halbe Stunde bricht an: Das Dreamteam bestehend aus JC "Ich bin müüüüde" Fischer und Kaspar "Wo ist der Verrrtex" Schiess präsentiert uns einen korrekt glänzenden X-Wing, welcher bis in alle Ewigkeiten um seine eigene Achse rotieren könnte, würde ihn man denn lassen.
In meiner Verzweiflung ein fertiges Spiel zu präsentieren, erinnere ich mich an Shakespeare: "If all else faileth, add a canine to bring amusement to merry onlookers" Und so verdamme ich etliche Hühner (ich kann doch kein Latein) zum Tod durch überhöhte Schwerkraft.

Da wir aus logischen Gründen schon verfrüht mit dem Bierkonsum begonnen haben, bleibt uns zum Schluss nur ein herzliches Schulterklopfen und die Gewissheit, dass wir wieder mal den inneren Schweinehund besiegt haben. Ebenfalls ein grosses Danke an JC und die InVisible GmbH für die Bereitstellung der Räumlichkeiten!

Die Wertung zum Schluss:
- Der A Stern des Tages: Jens-Christian Fischer
- Bester X-Wing Pilot: Kaspar Schiess
- Realistischstes Spiel: Florian Hanke

Die Spiele zum Herunterladen:
Meins: http://github.com/floere/gosu_extensions (ruby examples/cern_horror/run.rb)
JC und Kaspar: Bald.

Die Fotos und ein Film: http://www.flickr.com/photos/hanke/sets/72157624283617386/

Bis zum nächsten Mal, wenn es wieder heisst: "Ich bin müüüüüüde." Nein, falsch. Richtig: "GAME OOOOOOON!" :)

Donnerstag, 8. April 2010

Game ON!

Heute führen Jens-Christian und ich den Spieleprogrammier-Event „Game ON!“ durch, an dem wir 3 Stunden Zeit haben, ein Spiel zu programmieren. Dies ist mein abschliessendes Mail an die Teilnehmer (wenn ihr etwas nicht versteht, einfach weiterlesen):

Game ON! ist nun nach 3 fulminanten Stunden vorbei.
Fotos: http://www.flickr.com/photos/hanke/sets/72157623682154969/
Video: HD, auf Vimeo

Es gab folgende Kategorien:
- Überzeugendster Einsatz des A* Pathfinding Algorithmus
- Game ON Extreme: Spiel in 1,5 Stunden
- King of the Skihill – einziges fertiggestelltes Spiel
- Maximaler Einsatz von Hühnern auf dem Bildschirm
- Beste Kopie eines bestehenden Spiels im Weltall

Die mutigen Teilnehmer:
- Jens-Christian, der grosszügige Sponsor von Ort, Speis, Trank und Jury
- Valentin, der noch durch Nacht und Nebel geröhrt ist, um dem Anlass beizuwohnen
- Severin, trotz später Vorbereitung locker einhändig codet (mit der anderen Hand Zaubertricke mit den Nüsschen durchgeführt*)
- Flöre, der sein Framework dem Spott und Hohn ;) seiner Kollegen aussetzte
- Niko, der körperlose Kopf auf dem Fenstersims, Skype Video sei dank.

Der Ablauf:
  Wild stürzt sich Jens-Christian in die Fluten der iPhone Programmierung. Nein, nicht etwa begnügt er sich mit Pong, ein über Bluetooth funktionierendes Multiplayer Tower Defense Spiel muss her. Wir staunen alle und erinnern ihn an die 3 Stunden-Regel. Als gleich nach Beginn der erste Bluetooth Handshake steht und nach einer Stunde bereits die Creeps ihren Weg um die Hindernisse finden, schielen wir betupft auf unsere Ergebnisse, die bei Selle aus zwei Skifahrern besteht, die einen Hang runterdüsen und sich gegenseitig in die Schneewächten kicken. Bei mir nicht viel besser: Ein Jeep hüpft über Steine und verschiesst Raketen. Äh ja.
  Verbissen hacken wir weiter. Valentin trifft ein: Noch 1,5 Stunden. Sein leeres Schlucken verhallt im Raum und er verkündet sein Ziel, ein Shufflepuckgame auf dem iPhone zu erzeugen. Etwas vereinfacht.
  Nach 2 Stunden steht auf meinem Plan: „Ergebnis verfeinern und polieren, eventuell bessere Sounds einpflegen.“ Noch habe ich keine Gegner und erste Verzweiflung macht sich breit. Severin derweil kichert sich ins Fäustchen ob der Kapriolen seiner Skifahrer. Jens-Christian verzeichnet erste Erfolge auf dem iPhone selbst!
  The disembodied head, Niko, trifft ein und beglückt uns mit diversen Geräuschen, welche durch seinen Computer surreal verstärkt werden. Er zollt dem leichten Zeitdruck Tribut und beginnt, ein älteres meiner Spiele, mit dem faszinierenden und in seiner Einfachheit genialen Titel „Tank vs. Spaceship“ abzuändern. Nach 20 Minuten der erste Rückschlag: „Meine Spielfigur versinkt bis zur Hüfte im unteren Rand!“ Oder doch nicht, folgt doch kurz darauf: „Hahahaha!“
  Eine erste Demorunde beeindruckt mich total, bei allen :)
  Schliesslich leiten wir die „Hilfe noch 20 Minuten“ Phase ein. Severin baut noch Punktestand ein, Valentin kniffelt an den Details, Jens-Christian ergötzt sich an einem optimierten Pfadfindealgorithmuseinsatz, ich baue noch ein paar Hühner ein, in der Hoffnung, dass damit alles besser wird. Niko’s Spielfigur schiesst sich erst in den Kopf, dann in den Fuss, schliesslich in die Weichteile. 

  Zum Schluss trudeln die Kinder von JC ein und befinden fast einstimmig: „Tree Run“, von Selle zum Sieger zu küren. Das coole Spielprinzip und die schöne Umsetzung überzeugt sie. An meinem Spiel „Mad Fred“ bleiben sie unerklärlicherweise länger kleben. Vermutlich, um herauszufinden, wo genau die Rakete hin muss und warum ein Jeep 20 Meter hoch springen kann. Valentins Spiel „Shufflepuck Single Player 3000“ bleibt in seiner Einfachheit bestechend und es gewinnt mit dicken Lorbeeren den Game ON! Extreme Preis. Für die Kinder vielleicht doch etwas zu konzeptionell, artistisch? JCs Spiel „BTMPiPTDG“ (http://screencast.com/t/YjliMzQ2) läuft quasi ausser Konkurrenz: iPhone, Bluetooth, und den A* Pfadfinderalgorithmus eingesetzt. Warum genau braucht EA Sports 3 Jahre für ein Spiel? Niko, ebenfalls ausser Konkurrenz wurde der Sieger der Herzen mit seiner Version von „Jumping Giana Sister Space Genocide“.

Mein Fazit:
  Geeks, die um Computer sitzen und Nüsschen knabbern mögen grundsätzlich nicht so sexy sein. Aber ich war – und bin – absolut beeindruckt, was man erreichen kann, wenn man wenig Zeit und ein gutes Ziel hat.
  Ich bin total stolz auf alle Teilnehmer, und ich hoffe, dass ihr noch ein wenig Zeit findet, die Spiele noch weiter- und/oder fertig zu entwickeln.

Dienstag, 26. Januar 2010

Vom Rennen und gerannt werden

Als Kind tragen mich die Füsse überall hin – Nachmittage lang durch die Wälder in und um Erlenbach gestreift, das Tobel hoch und runtergerannt, im Garten von Steinplatte zu Steinplatte hüpfen, so schnell es geht. In den dunklen Stunden die 2km lange Lerchenbergstrasse hochgerannt, am besten in der Mitte der Strasse. (Wohl des überbordenden Lichts wegen, welches im Tobel nur so spärlich vorhanden ist, die Phantasie dafür umso grenzenloser die formbaren Büsche zur Maskerade bewegt)
Mit meinen Freunden war nur die maximale Geschwindigkeit schnell genug, um an neue Orte, zum Tennisspiel, zum Basketballplatz, und natürlich zu den Häusern der angebeteten Mädels zu kommen.

Die überaus einfache Formel des rennend, velofahrend Glück lautet wie folgt:
Glück (rennend) = Wind im Haar x vorbeiziehende Natur
Kein Glück entsteht hierbei nur, wenn entweder kein Wind das Haar umspielt, oder keine Natur vorbeizieht. Glatzenträger mögen ihre eigene Formel herleiten.

Später dann bemerkt eine meiner ersten Freundinnen: "Du rennst immer überall hin!" Zwar darf das "immer" getrost für später oft wiederholte Benutzung in die Welt der Östrogene gebettet werden, aber so ganz Unrecht hatte sie nicht. Treppen kann ich gar nicht anders als hochrennen – die Rolltreppe führt die Top Ten der Weltverbrechen an, kurz vor der Atombombe und verkochten Spaghetti.

20 Jahre später finde ich mich mitten in einem Halbmarathon wieder und frage mich: Was ist passiert? Zwar, ja, durchaus entstehen Glückgefühl im Danach und dem Davor. Aber muss es so mühselig sein? Muss man sich auf den Biss in eine erfrischende Zitrone bei der nächsten Verpflegungsstelle tatsächlich sooo freuen, weil man sonst nicht viel hat?

Was also ist passiert? Ich habe wieder einmal zuviel auf Leute gehört, von denen ich annahm, sie würden es besser wissen. Die und die Schuhe werden gebraucht. So muss gerannt werden. Und die Sportmedizin belegt… Dass vor 5 Jahren Stretching wichtig gewesen sein sollte, vor 4 wieder sogar schädlich, dann vor 3 unentbehrlich, vor zweien völlig irrelevant – vor einem Jahr dann definitiv Klarheit: Stretching ist bei Kälte so wichtig, weil einem sonst alle Bänder zerreissen, will man auch nur einen Zeh leicht anheben usw.
Dabei sind die Zeichen klar: Ich kaufe mir immer die härtesten Schuhe, die ich finden kann. Ich liebe Barfusswandern. Zu Hause tripple ich ebenso herum.

Irgendwann letzten Sommer lese ich von einem mexikanischen Indianerstamm, der für sein ausdauerndes Rennen bekannt sein soll. Aus der Wüste kommend, sollen sie einmal einen brutalen 100 Meilen Lauf gewonnen haben, um danach wieder quasi spurlos zurückzugehen. Ich bin fasziniert und entdecke die Welt der Ultramarathonläufer. Lese Geschichten von hart trinkenden Surfergirls, die am nächsten Tag lachend einen 100 Meilenlauf querfeldein bestreiten, nicht ohne dazwischen an den Verpflegungsstellen mit den Zuschauern Armzudrücken, oder das Baby zu füttern. Von Männern, die in der Wüste verschwinden, um zu rennenden Geistern zu werden. Von einem Jagdstil, der die Essenz der menschlichen körperlichen Vorteile erfasst. Zeitlupenvideos grosser Läufer.

Ein weiterer Puzzlestein fügt sich langsam aber stetig nahtlos ein. Es fühlt sich viel besser an, selbst nachzuforschen. Nächte lese ich mich in die neugeborenen Stunden: Vom Fuss, von grossen Menschen, vom Mut, mal etwas Anderes zu denken, "giving a shit".

Und renne. Renne, als wäre ich wieder Kind.