Freitag, 26. November 2004

Photoeintrag!

Neu: Fotos sind nun auf flickr zu finden:
Hier!

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Fotos von der ersten Unterkunft, dem Labor und dem Herd der neuen Unterkunft, inklusive Mathias.

Fotos von Gramada und Canela.

Fotos von den Foz do Iguacu von der Brasilianischen Seite aus.
(Bitte begebt euch in die Nähe eines Klos - es sind etwa 40 Bilder von Wasserfällen)

Fotos von den Fällen von der Argentinischen Seite aus.
(NOCH mehr Wasserfälle & Regenbogen - denkt euch einfach ein Ohrenbetäubendes *BRRRROOOOOOMMMM* hinzu. Von Wasserfällen kann ich seit dem Sommer photographisch nicht genug kriegen.)

Fotos vom IPCT & dem Museu de Ciências e Technologia (Ein Museum voller Knöpfe und Hebel, ein Maxi-Technorama - für die ganz grossen Kinder :) )

Ein paar Fotos von Santis Party, an der ich leider krank war - und auch so aussehe! ;)

Meine Portugiesischklasse.

Ein Ausflug in den riiiesigen Botanischen Garten. Beeindruckend.

Das Getränk Brasiliens: Cachaça! (2 Riesenbecher für je 6 Reais - ich zehre heute noch davon... ;) )

Bierbrauerei mit Geschmack: DaDo Bier.

Der grosse Ausflug zum Canyon, der schliesslich im Nebel endete, dann eine der grösseren Vergehen, die man kulinarisch begehen kann: Käse-, Fleisch- & Schokoladefondue!

Torres, der beste Strand von Rio Grande Do Sul. (Inklusive UFO-Fotos und Lehrbildern, die aufzeigen, wieso man nicht schon Mittags mit Caipirinhatrinken beginnen sollte)

Einige Verschiedene: Essen im Shopping Center mit Madruga, Mascha (from Rascha, nein, der Ukraine), und Felipe. Dann Jurastudis, die erst dachten, ich sei der zweite Fotograph. Schliesslich ein paar Fotos von vor und nach dem Pagode-Tanzausflug (7 Stunden Hopsen :) ).

Das grohohossartige Talent"festival".

Wie eine Chimarrão Session (Teetrinken) aussehen könnte.

In der Nacht vor der Abfahrt nach Montevideo feiern wir Anas Geburtstag. Juhu! :)

Die Reise nach Montevideo, Montevideo selbst, und die Reise zurück nach Porto Alegre.

Der Park Farroupilha, seine Fussballspieler und Süssigkeitenverkäufer.

Cristinas Abschiedsparty!

Neu ab hier...

Churrasco bei Alex, inklusive Spätfolgen (Die Leiden der Mascha Z.)

Urbrasilianischer Sport: Capoeira mit Ana und Mascha

Ausflug nach Florianopolis

Bootsausflug auf der Lagune von Porto Alegre

Die Abschiedsparty von Ana *schnüüürf*

Panoramafotos von den obigen Orten! (Speziell vom Labor und meinem Haus - inkl. Bonus Wasserfall Poster :) )

Und unter Verschiedene habe ich die restlichen Fotos eingefügt...

Dieser Eintrag wird ganz oben bestehen bleiben, damit die Fotos immer anguckbereit sind.

Zusätzlich zu meinen Einträgen könnt ihr auch Jiris Fotos angucken. (Auf Tschechisch, aber ich hoffe, einigermassen verständlich)

Demnächst folgen auch noch Filme...

Vielen herzlichen Dank erst mal an meinen Vater, der mir die Webseiten gebastelt hat! :)

Sonntag, 21. November 2004

Unabwendbar...

Geht an alle, die das unerklärliche Bedürfnis verspüren, mich am Flughafen abzuholen und danach noch einen Cachaça zu probieren. Ich komme am 20. November, um 19:20 an, mit dem Swiss (falls sie bis dahin noch existiert ;) ) Flug LX1623 von Milano.
Ich erwarte mindestens ein Jodelchörli und en Schnäfel Chääs! :)

Unser Erkennungszeichen (nötig, sehe nach Amazonas dank Mücken vermutlich aus wie ein roter Michelin Man) soll ein nach oben gereckter Daumen und ein gesprochenes "Todo bom?" ("Tuuduuu boong?", wobei man das "g" am Schluss brutal erwürgt und was davon übrig bleibt, in die Nase verfrachtet)

Und:
Bin gerade in Brasília - kann mir mal jemand erklären, wieso hier die Uhren von Fortaleza her kommend um eine Stunde nach vorn verschoben werden. Meine Gehirnwindungen mögen sich nicht um diese Tatsache winden. Muss die Hauptstadt dem Rest des Landes partout (relativ gesehen), voraus sein?

Dienstag, 16. November 2004

Teure Sucht...

Hallo Leute,

Kann leider momentan weder neue Einträge machen, noch Mails gross beantworten, da hier auf der Lodge das Internet 6 R$ pro 5 Minuten kostet (Iiiiiek!)...

(Bin aber in einer Woche zu Hause wieder online)

Montag, 8. November 2004

Fortaleza

Der Flug nach Fortaleza dauert schlappe 2 Stunden - und fliegt, im Gegensatz zu den bisherigen Flügen, tatsächlich direkt und ohne Firlefanz zu unserem Ziel: Fortaleza!

Auf dem Flug verschlinge ich eines der vielen, auf dem exzellenten Flughafenbuchladen eingekauften Bücher ("The 39 Steps" von Buchan), und wundere mich nebenher über zwei Konstanten im Brasilianischen Flugverkehr:
A) Die TAM Flugzeuge sind viel moderner als die der Varig (Leiser, bequemer, ...)
B) Die Varig Stewardessen sind schöner, und das Varig Essen ist besser als bei der TAM
Dies nur als Einkaufsführer für den reisebewussten Mann. ;)

Vor dem Anflug zeichnet unser (altes) Flugzeug (mit den schönen Stewardessen) eine lange Kurve über der Stadt und entblösst das Ergebnis einer etwa 30 Jahre zurückliegenden, schweren Kollision zwischen Tourismus und kleinen Dörfern, die zufällig an wunderschönen Stränden liegen: Kurz hinter den Stränden zanken sich Hochhaus um Hochhaus um die Gunst von tausenden Strandsüchtigen. Dahinter liegen Restaurants und das Nachtleben wartet geduldig darauf, wachgeküsst zu werden. Ich als doppelmoraliger Tourist, der den geballten Tourismus verabscheut, nenne die Stadt kurzerhand "Feialeza" ("Hässlicheza"), und schaudere leicht, als mir klar wird, hier mehrere Tage verbringen zu müssen...
[Meldung aus der Zukunft: Aber es kommt alles weniger schlimm als gedacht]

Unser Ziel liegt räumlich fernab der Hochhäuser, beim Betreten könnte man meinen, dass das auch zeitlich zuträfe. In der Reception setze ich mich auf das altmodische Ledersofa, das mich sogleich in die Arme nimmt, anscheinend in der Absicht, mich länger nicht loslassen zu wollen. Der Geruch von altem Papier hängt schwer in der Luft. Die Wände voll von Bildern: Alte Schriften, Lincolns Rede ("Four Score and ..."), hinter mir ein Ausschnitt aus der Bibel. Wäre es Nacht, so würde sich ein mich beiläufig beobachtender Passant in einem Gemälde von Hopper wähnen.
Das Bild wird schliesslich von "Herrn Bellardo" (O-Ton Paps) komplettiert, ein langsam zum Schreibtisch wackelnden, und sich schliesslich mit einem leisen Ächzen in den Sessel (ver-)senkenden älteren Herrn, der uns auf Deutsch anredet, ab und zu aber ein Französisches oder Englisches Wort einwirft. Seine Frau erklärt mir kurz danach, dass er Portugiesisch, Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch, und Russisch fast fliessend beherrscht. выразительный! :) (Mascha fram Rascha möge mich korrigieren)
Ebenfalls unser Zimmer. Langsam setze ich mich auf mein knirschendes Bett, beäuge die alte Klimaanlage, und entdecke, dass unser Fernseher, Brasilianisch undenkbar, nicht über Kabelanschluss verfügt. Ein Durchzappen eröffnet mir, dass von den 7 Sendern, die erreichbar sind, einer von Unfällen handelt, zwei von Soaps verseucht sind, drei weitere Aerobic- und Modesendungen ("Ich bin hässlich, TV Moda macht mich blen-dend schön!") zeigen, und einer dem schon erwähnten "1 dicker Showmaster, 20 linde Frauen im Hintergrund"-Ideal nacheifert. Später entdecke ich dann noch das absolute Fernsehjuwel: Ein Moderator, der sich vor der Kamera durch "Isto é Gente", einer Prominentenzeitschrift durchblättert - mit durchwegs trockenen, daher für mich umso amüsanteren Kommentaren! :)

Als Touristenstadt behandelt Fortaleza - und alle Bewohner, dazu später - das Thema "Sicherheit" bevorzugt. Schon der Hotelbesitzer warnt uns vor, im Falle eines Überfalles immer schon bereits gefaltete 20 bis 50 Reais dabeizuhaben, die wir dann ohne zu zögern dem verblüfften Dieb überreichen können. Im Hotelzimmer dann ein kleines Heftchen von der "Polizei Spezialeinheit Tourismus", die uns einige Verhaltensregeln vorschlägt, die helfen sollen, überfallsfrei zu bleiben. Merkwürdigerweise ist das Ding nicht im nüchternen Ton verfasst (z.B: im Umgang mit Schlafdrogen in Drinks: "You Snooze, You Lose!"), sondern leuchtend BUNT! und mit lachenden Smileys gefüllt, was mich leicht an die Stelle in Fight Club erinnert, wo die Flugzeugpassagiere mit der Glücksseligkeit von Hindu-Kühen ihrem sicheren Untergang entgegenblicken.


Mit einem mulmigen Gefühl betreten wir die Strassen von Fortaleza, merken dann aber, dass es sich hier nächtlich wunderbar wandeln lässt...

Samstag, 6. November 2004

Even MORE Kirchen und Bettler

(aber davon soll nichts geschrieben werden)

Vielmehr: Kennt ihr die Bauchsäcke, die man sich als Mann umbinden kann, um mit seiner Frau (Freundin, Konkubine usw.) bei der Schwangerschaft mitfiebern zu können? Seit heute Morgen verfüge ich über eine mit ähnlichem Hintergrund gestaltete Brille, mit dem Unterschied, dass sie den grauen oder grünen Star simuliert. Mein Paps hat leider die Brille genau so fallen gelassen, dass beide Gläser mit einem (in meinem Kopf dumpf widerhallenden) STOINK gleichzeitig auf dem harten Boden aufprallten, und je ein Stück davon absplitterte.
Nojo...

(Später mehr, as is the custom)

Donnerstag, 4. November 2004

Praia do Forte

Nach zwei Tagen unerträglichen Lockrufs des nur etwa 100 Meter entfernten Strandes entscheiden wir uns endlich, uns in das (wie uns von anderen Gästen berichtet, mindestens kinderbadwarme, aber zum Glück ungelbe) Nass zu stürzen. Aber natürlich nicht etwa gleich vor dem Haus, nein - vielmehr brausen wir 50 km nach Norden, nach Praia do Forte. Was nicht etwa, wie von mir erst vermutet "Strand der Stärke" (Filmschnitt zu angestrengt grunzenden Muskelmännern und kichernden Aerobicmädels, die mit mitleidigem, fast verächtlichem Gesichtsausdruck den grinsend vorbeiflanierenden Flo unbeachten) bedeutet, sondern "Strand des Forts". Das zum Strand passende Fort befindet sich 2 km im Landesinnern und gehörte ehemals der Familie Magalhães. Soviel ich weiss, war dies eine der ersten Adelsfamilien, die eine der 15 Capitanías (Ländereien) vom König von Portugal zugewiesen bekam.
Ratet mal, wie gross die Scheibe Brasilien war, die dieser Familie zugewiesen wurde?
800'000 Quadratkilometer.
Könnt ihr euch etwas darunter vorstellen? Nun, sei nur gesagt, dass die Schweiz etwa 19 Mal drin Platz hätte. Für Deutsche: Bisschen mehr als zweimal (!) die Fläche Deutschlands...
Diese Familien übrigens besitzen immer noch sehr grosse Ländereien (Bahia soll quasi einer Familie gehören) und bestimmen immer noch stark die Politik, sei es mit Bestechung, geschäftlichem Unter-Druck-Setzen oder freizügigem Party-Spendieren - oder anderen amüsanten Mafiahobbies. Doch zu diesem dunklen Kapitel der Brasilianischen Politik ein ander Mal.

Das Dorf "Praia do Forte" ist wie ein kleineres Städchen aus dem mittleren Westen von Nordamerika angeordnet, zirka 1830. An einer direkt zu einem Meeresschildkrötenprojekt (TAMAR) führenden Strasse klebt links und rechts Ladenfassade um Ladenfassade. Manchmal stellt sich ein mutiger Dorfbewohner uns in den Weg, die Hängematte ("Só 8 pila!") bedrohlich an der Hüfte aufgehängt, die Hand in Warteposition. Eine Sonnenbrille, vielleicht?
Wir lassen sie alle unseren Staub schlucken. :)

Es folgt ein Besuch bei den Meeresschildkröten, über welche ihr euch bei obigem Link zur Genüge informieren könnt. Beeindruckend war die weltgrösste Meeresschildkröte, die gut und gern etwa 2 Meter gross wird, und genug Gewicht, um kreuzende Fischerböötchen mit einer Flossenzuckung über die gefürchtete Meereskante zu wischen (750 kg).

Den Nachmittag verbringen wir vor Allem damit, an dem dortig vorhandenen tropischen Ferienbroschüren-Traumstrand in der fast senkrecht über uns sengenden Sonne zu brüten, im ruhigen Meer zu liegen und die perfekte V-Formation der verblüffenden, über uns hinwegbrausenden Armeehelikopter zu bestaunen. (Links und rechts von uns werfen sich vietnamesische Touristen in die vorbereiteten Löcher ;) )

Beim Rückweg besteigen wir vielleicht etwas naiv einen Kleinbus, nachdem ich mit dem Ausrufer den Preis wie folgt bestimmt hatte: "Quanto?" - '"Cinco." - "Cada um?" - "Não." - "Cinco total?" - "Sim." Im Bus dann aber will er trotzdem je 5 Reais von uns, die wir ihm zähneknirschend übergeben. Nichts gegen Entwicklungshilfe, aber dann doch lieber in Form von freiwillig überreichten Reissäcken und Wasserpumpen... ;)
Andere potentielle Reisende, die erst hoffnungsvoll den ohnehin schon überfüllten Kleinbus stürmen, verlassen ihn kurz danach kopfschüttelnd, als sie erfahren, dass es sie 2 Reais kosten würde. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass wir zuviel bezahlen würden... *g*

Mittwoch, 3. November 2004

Iguatemi Salvador

Heute steht nur ein kurzer Besuch im Einkaufszentrum Iguatemi bevor, der mir schliesslich langbenötigte Shorts und ein Filmbesuch (besser als ich dachte - handelt von Dodgeball, besonders wegen den Teams. Prä-Alkoholisierung vonnöten *g*) einbringt.

Auf der langen und holprigen Fahrt Richtung Iguatemi fällt mir auf, dass ich im Vergleich zu meinen Mitfahrern in leuchtend hellem Weiss erstrahle. An der Rodoviária verstärkt sich der Eindruck noch mehr. Gänzlich "Lost in Africa" fühle ich mich, als ich auf der untersten von drei Verkaufsebenen herumstrolle. Auf der mittleren Ebene wird die Hautfarbe leicht heller, gleichzeitig mit der Aufmachung der Läden. Auf der obersten Ebene locken glitzernde und weite Geschäftsfronten, die Klientele so hell wie der edle, erleuchtete Steinboden, der zum Flanieren einlädt. Auf allen Ebenen werden in den Kleiderwerbungen exklusiv Weisse porträtiert.

Auf der Rückfahrt passieren wir ein enormes Plakat, auf dem drei weisse Frauen gezeigt werden, darunter der Text: "Qual mulher você quer ser?" (Welche Frau möchten Sie sein?). Die Linke, vielleicht? *räusper* Ich drehe mich um - erneut keine Weisse. Ich erinnere mich aber daran, dass Michael (wie üblich in unterhaltender Form) erzählte, er wäre in Salvador beim anderen Geschlecht überaus beliebt gewesen. Das Ziel davon, so er, dass die Kinder dieser Union weisser wären und damit mehr Chancen im Arbeitsmarkt hätten...

Etwa 100% der Werbung ist "weiss", etwa 80% der Bevölkerung ist schwarz.

"... Florian Hanke, Sozialreporter, Salvador, Brasilien." ;)
(Amüsantere Einträge hoffentlich später)

*********!

Die Amerikaner sind dabei, einen Präsidenten wiederzuwählen, der erwiesenermassen gelogen hat, und nur einen Bruchteil seiner Versprechen umgesetzt hat.

Was sagt sowas über ein Volk aus?
Was über die Situation in einem Land?


Ganz unabhängig davon:
In den geplanten Einträgen seit dem Letzten bis zu Diesem werden Massenvernichtungswaffen vermutet, was leider zu Verzögerungen führen kann...
:)

Andererseits ist das gar nicht witzig, eigentlich.

--> www.michaelmoore.com

Dienstag, 2. November 2004

Von Kirchen und Bettlern

Am Vortag erhole ich mich den Rest des Tages, um mich von den Strapazen des bereits um 3 Uhr beginnenden Tages zu erholen - was in der Pousada Eckerlino kein Problem darstellt. In der flauschigen Hängematte, umgeben von diversen Fruchtbäumen und einer angenehmen Meeresbrise, ist es ein leichtes, sich zu entspannen, dafür umso schwerer, einen Arm dafür zu bemühen, sich ein Buch vor Augen zu halten.

Heute: Mit den lokalen Klimaanlagetraditionen eher schlecht vertraut, beginnt der Tag mit einem kleinen Schwumm durch einen See aus Schweiss und dem Versuch, nicht an diversen Möbeln klebenzubleiben. Das folgend eingenommene Frühstück beeindruckt: Nicht nur finden sich etliche Früchte, die ich noch am Vortag glücklich am Baum habe baumeln sehen, auch Tapioca (End-lich! :) ) und diverse Fruchtsäfte, wobei ich den Zitronengrastee besonders hervorheben möchte, hat er doch an allen folgenden Tagen dafür gesorgt, dass mein Gehirn morgens in Schwung kommt: "Was riecht denn hier so nach Zitrone?" (3 Sekunden Stille) "A-haaaaa!" ;)

Der heutige Tag gilt Salvador, einer Stadt übrigens - und davon handelt das heutige Thema - eine Stadt, die überquillt vor Heiligkeit. Etliche Kirchen kleben wie eine Napfschneckenkolonie auf dem Fels, die "Cidade Alta" ächzt unter Tonnen von Blattgold. Wie Sünder auf ihrem eher unbeschwingten Aufstieg zum Berg Golgotha tragen wir stöhnend, und nicht ohne unsere Schweissdrüsen überzubeanspruchen, unser Kreuz, das hoch und beständig über uns brennt, die "Strasse der Hilfe" den Berg hinauf. Militärpolizisten säumen unseren Weg, der endlos scheint. Trotzdem erreichen wir über den "Platz der Pietät" den Praça da Sé relativ unbeschadet (ohne umzufallen! <- Dazu später...), stellen unsere Kreuze salopp in die Ecke, um im kühlen Internetcafé unsere Mailboxen abzurufen und einen kühlen Maracujasaft zu geniessen.


Ist man erst im Gewirr der das Pelorinho-Viertel umgebenden Kirchen gefangen, gibt es keinen Ausweg! Ich gebe freimütig zu, dass ich auf Schulexkursionen immer gelb vor Neid an Esra vorbei in die Kirchen gezerrt (mental) werden musste - Juden dürfen nicht in Gotteshäuser anderer Religionen treten. Würde mich ja sehr interessieren, was sonst passieren würden? Würden sie in den Gazastreifen geworfen? Öffentlich von verkleideten und sich des öfteren verhaspelnden Frauen gesteinigt? (Weiss es jemand?)
Äusserlich sind die Kirchen zu bemitleiden. Die Natur erobert sich den ihren angestammten Platz zurück, auf den ehemals vielleicht leuchtenden Dächern wuchert Moos, vereinzelt lugt ein Baum hinter einem Kirchturm hervor. Um den Verfall aufzuhalten, hat man sich oftmals für die wohl billigste Methode entschieden: Ein gelb-roter Neonstreifen zieht sich um die wichtigsten Merkmale und verwandelt so ein ehemals ehrwürdiges Gebäude in etwas, was Christian "Karnevals-Kirche" nennt, und was mich unwillkürlich an das Verfahren erinnert, dem sich ältere Frauen mittels Makeup des öfteren unterziehen. Wie dem auch sei, das Endergebnis kann als inspirierter, aber hoffnungsloser Versuch abgetan werden, die Fassade neu erscheinen zu lassen.
Innerlich sind die Kirchen nur wenig besser in Stand gehalten, dafür umso besser gefüllt. Mit Menschen? Ha. Nein, mit etlichen Bildern und Statuen von Heiligen, Jesus, und anderen Mitwirkenden. Man könnte fast meinen, dass das Verbot, Bildnisse von Gott zu schaffen, dafür umso eifrig glühendere Anstrengungen in allen anderen Bereichen hervorbringt. Wie zum Beispiel von Jesus. Der Platz, um den sich im Kirchenviertel alles dreht, nennt sich "Terreiro de Jesus" (www.worldlingo.com übersetzt "Terreiro" überaus passend mit "Place of Fetichism"). Das ist nicht zuviel gesagt. Es scheint, dass die eher bodenständigeren und sehr (sehr? Nein: seeeeeeeehr) taktil veranlagten Bahianer mit der abstrakten Idee eines gesichtslosen, von ihren Problemen weit entfernten Gottes wenig anfangen können - dafür umso mehr mit seinem Sohn! In all den Kirchen, die wir besucht haben (Rosário dos Pretos - "Rosenkranz der Schwarzen", SS. Sacramento da Rua do Passo, Carmo e Ordem 3ª do Carmo, S. Francisco, Ordem 3ª do S. Francisco), findet sich kein Fleck, an dem uns nicht das bekannte, immer leicht schräg geneigte (wieso eigentlich?) Gesicht, vom zeitlosen Langhaarschnitt eingerahmt, entgegenblickt. Überall blenden mich perfekt lippenpolierte Fuss- und Handpaare von kleinen, an den Wänden befestigten, und auch nicht so kleinen (fast zum Kolossalen neigenden), Räume dominierenden Jesus-am-Kreuz Statuen, die äusserst liberal mit Blut versehen sind.
Die Entdeckung des Tages für mich persönlich ist die Ordenskirche vom S. Francisco, die jeglichen Besucher nicht nur per Qualität, sondern vor Allem mit der Quantität des Blattgoldes im Kircheninnenraum niederblendet. Die gesamte Kirche erstrahlt in goldenem Schein und es würde mich nicht wundern, würde die Kirche auch öfters des Nachts von zwar pietätslosen, aber umso hungrigeren Salvadorianern mit einem kleinen Schaber besucht werden. Was mich eigentlich noch mehr beeindruckt, ist der Kreuzgang gleich neben der Kirche. Jesus dominiert erneut. Diesmal so fest, dass seine "Erlebnisse" fast etwas zu detailliert dargestellt werden. Neben dem allseits beliebten "Jesus am Kreuz" gibt es 2x2 Meter grosse Bilder wie "Jesus fällt das erste Mal auf dem Weg nach Golgotha", und es hätte mich nicht überrascht, wären auch alle weiteren Ausrutscher und Stolpereien seinerseits gezeigt worden. ;) Des Weiteren stellen etliche, ziemlich grosse Wandzeichnungen die Regeln für Ordensbrüder bildlich dar. Bei einem Rundgang (im Kreuzgang?) bemerke ich amüsiert, dass die Franziskaner vor einige Herausforderungen gestellt wurden. Eine Maxime lautet zum Beispiel "Sei zufrieden mit was Dir beschieden!", eine andere "Strebe nach Ruhm!". Kein Wunder, stiessen sie bei solchen Widersprüchen ihre Habseligkeiten von sich und suchten Zuflucht auf der Strasse, um "sich an den Tisch des Herrns" zu setzen ;)

Von den freiwilligen Bettlern zu den anderen (und Strassenverkäufern). Kaum im Pelourinho angekommen, werden wir von diversen Personen bestürmt: Diese beliebten pinken Armbänder, Fotos mit *echten* Salvadorianerinnen in Urtracht, und jene überall zu kriegenden Halsbänder werden feilgeboten, quasi ins Gesicht gedrückt. Hier ein kleiner Auszug übrigens aus dem Dictionaire "Salvador Strassenverkäufer - Portugiesisch (NEU mit Zeichensprache!)":
"Não" bedeutet "Ja", "Não" mit horizontalem Zeigefingergewackel bedeutet "Ja!", "Não, não, não!", begleitet von Kopfschütteln, subtilem Zurückweichen, gefolgt von energischem Abwinken kann man nur als "Oh ja! Ich will alle Ketten kaufen!" deuten :)
Manchmal habe ich mit dem Tourismus meine liebe Mühe. Nur weil meine Vorgänger billige und dazu hässliche Glasketten, Rastahüte mit falschen Haaren, oder Che Guevara Shirts für die grösste kulturelle Entdeckungen seit langem hielten, muss ich unter dem Anstrum wehren, für den ich keineswegs etwas kann. Wieso konnten tausende von vorhergehenden Touristen nicht erfrischendes Kokosnusseis mehr schätzen, als alles, was ihnen aus Versehen angeboten wurde?
Ich will mich absolut nicht über die Bettler und Strassenkinder lustig machen, aber es begeben sich ein oder zwei (von vielen) erheiternde Treffen, die ich im O-Ton wiedergeben will. Zuerst der kleine Junge, der mit einem Schuhputzgestell und Bürste vor uns tritt, und uns blitzblank geputzte Schuhe anbietet. Bei soviel Enthusiasmus schiessen mir fast Tränen in die Augen, sind wir doch mit Sandalen bekleidet! Als ich ihm das klar mache, will er Geld, um Milch für seinen Bruder zu kaufen. Obwohl ich lieber - wenn schon - Milch kaufen gehen würde, gibt ihm mein Vater einen Real, worauf er sich beklagt, dass es nicht genug sei. Hm.
Dann der Mann mit dem speziellen Arm. Unschuldig gehe ich in der Mitte der Strasse, als ich seitlich mit dem Ausruf "Mira! Mira!" (sehe ich so Spanisch aus?) angefallen und am Arm ergriffen werde. Ich weiche aus und "mir"-e wie mir befohlen. Mehr als einen kleinen Mann kann ich nicht erblicken. "Oqueequtuqier?", krame ich mein bestes Gaúcho-Portugiesisch hervor, worauf er auf seinen Arm zeigt. Tatsächlich. Kleine weisse Flecken. Fragend beäuge ich ihn, eine mir helfende Erklärung erwartend. "Lepra", so seine mit Seitenblick geraunte Diagnose, die mich schweisserzeugend an die anfängliche Berührung zurückdenken lässt. Schliesslich zeige ich ihm aber mein von mehr als 40 Stichen (Bissen, so hier) durchlöchertes linkes Schienbein. Stille legt sich über unsere unmittelbare Umgebung, er meint mit einem bemitleidenden Gesichtsausdruck: "Também?" (Auch?)
An der Bushaltestelle dann der Mann, den ich schon öfters eine Kiste unter seinem Arm herum habe tragen sehen. Es stellt sich heraus, dass die Kiste seine Bescheinigung, HIV-Positiv zu sein, beinhält. Kaum ist er verschwunden, tritt ein Neuer an seine Stelle, diskutiert mit uns breit über lang, ob wir ihm Geld geben wollen. "Nein - wir haben schon genug Leuten Geld gegeben", so unsere Antwort, worauf er aufheult "Der vorher war ein Lügner! Das sind alles Lügner! Die kaufen sich nur Cachaça damit!", während mich eine bekannte Fahne umweht...

Ich muss aber dazu sagen, dass wir abseits der vom Tourismus pervertierten Strassen etliche sehr hilfreiche und nette Menschen kennenlernen. Im esoterischen Buchladen kramen sie extra für uns ein paar uralte Postkarten hervor, derweil mir der Seilbahnwärter die Aussicht über die Cidade Baixa erklärt. :)

Zum Geld geben muss ich noch anmerken, dass ich früher zwar gab, mittlerweile aber davon abgekommen bin - denn wo liegt die Motivation eines Bettlers, von der Strasse abzukommen, kriegt er von mir öfters Geld? In Brasilien ist das nicht so klar, denn ob sie - wie in der Schweiz - sonstwo hingehen können, ist gar nicht klar. Besonders bei den Strassenkindern habe ich ab und zu eine Ausnahme gemacht, meist mit kleinen Esswaren. Leider ist es so, dass hier Strassenkinder von ihren Eltern auf die Strasse geschickt werden, um einen fixen Betrag pro Tag zu sammeln. Wenn sie es nicht schaffen, dürfen sie nicht in die Schule oder werden sonstwie benachteiligt. Soll man Geld geben, oder nicht? Ich weiss es nicht. Die Eltern kriegen genug Geld zusammen, weil sie meist viele Kinder haben. Wie denkt ihr, werden es diese Kinder später machen - ebenfalls viele Kinder, die selbst auch betteln gehen?

Als Fazit des Tages kann ich nur sagen, dass ich mich mit Kirchenbesuchen etwas mehr angefreundet habe, als auch schon - speziell, weil mich katholische Kirchen (zwar wie üblich abstossen - visuell, da kitschig, und olfaktorisch) in letzter Zeit mehr zum Denken anregen. Z.B: Wer spendet das Gold in Kirchen, und warum wirklich - Gott zu huldigen (was bedeutete ihm/ihr dies?), oder sich selbst ein Denkmal zu setzen, weil sowieso alle wissen, wer es spendete? Wieso wählen soviele Leute Bush, weil er auch in die Kirche geht? Ein oftmals gehörter Kommentar lautete, dass es bedeute, er wäre darum ein besserer Mensch. Könnte es nicht sein, dass das starre Regelgefüge und die Sünden den "Genuss" (im weitesten Sinn) sogar verstärken, sollte man sündigen, was in dem Zusammenhang zu einem "schlechteren" Menschen führen würde? Warum hat die katholische Erziehung so viele gute Schriftsteller hervorgebracht? Was ist der Zusammenhang zwischen Armut und Katholizismus? Wer war zuerst? Wenn ich mir Zürich und Genf in der Renaissance ansehen, würde ich auf die Religion tippen. Könnte man dafür vielleicht die belebteren katholischen Städte auf die geniesserische Übertretung der Sünden zurückführen? Oder ist Letzteres zu simpel? Und liessen sich die damaligen Kirchenoberhäupter tatsächlich von den Sklaven hinters Licht führen, die unter dem Deckmantel der kirchlichen Feiertage weiter ihren Candomblé-Riten nachgingen, oder wussten sie es und waren mit dem äusserlichen Schein zufrieden?

Und: Warum sitze ich brütend im Dunkel der Kirche, während draussen Bahianische Lebensfreude (und "Gemütlichkeit") auf mich wartet? :)

(Even more) Fun with Varig

Abends in Campo Grande besucht Paps noch kurz das "Amadeus" Flugreservationssystem, um seine Nerven bezüglich des Flugs (Campo Grande - Salvador) zu beruhigen. Zirka 30 Sekunden später stürmt er sichtlich entnervt durch die (offene) Zimmertür und eröffnet einem sich wegen Schlafmangels ziemlich betäubten und sich bis dahin erholenden Flo: "Wir haben ein Problem!" Ungläubig lausche ich der Beschreibung: Trotz Bestätigung soll Varig unseren Flug vom nächsten Tag, 11:15, auf frühmorgens, 5:30, gelegt haben. Trotz Müdigkeit bin ich aber mit der Entwicklung nicht ganz unglücklich - ein Omen für folgende abenteuerliche Erlebnisse? *hoff* Nach einem Telephonat, das uns zeigt, dass Varig Mitarbeiter zwar weniger tun, dafür umso freundlicher sind ("Ja, Sir, ihr Flug ist auf morgen, 5:30 verlegt worden, das haben sie gut gemerkt!"), meinen Vater schnaubend, mich kichernd zurücklässt, legen wir uns Schlafen. (Was aber von Edward mit den Scherenhänden kurz danach vereitelt wird)

4:00 morgens stolpern zwei, deren Köpfe von comichaften Blasen umblubbert werden, zum nächsten Taxistand, um sich zum Flughafen karren zu lassen. Ich frage mich, ob wir den wohl stressigen Umstieg von Congonhas - Guarulhos (oder umgekehrt) in São Paulo ohne Verluste durchstehen werden. Doch wir haben Glück! Unser Aussehen erregt das Mitleid eines aufgeweckten Mitarbeiters, der mich öfters über die Schulter schauen lässt, ob es nicht doch mitten am Tag ist, und der uns mit butterweicher (und für uns engelsgleicher) Stimme anfragt, ob wir vielleicht Brasília fliegen wollten. Ist das eine Frage? *g*

Um Mittag erreichen wir nach einem kleinen Zirkuskunststücks (Landeanflug, kurz zuvor abbrechen und fast 45 Grad wieder aufsteigen, dann enge Kurve ziehen) unseres Piloten Salvador. Doch dazu - wie üblich - später mehr...

Sonntag, 31. Oktober 2004

Nach Campo Grande

Schon vor dem Abflug in die sogenannte "Zivilisation" (Ha!) weiss ich, dass mir diese Woche noch länger in Erinnerung bleiben wird. Das gute lokale Essen, von zwei Köchinnen für uns zubereitet, die Zeit mit der Familie, den Kindern (Lele, die Schweizerdeutsch versteht, aber partout auf Portugiesisch antwortet :) ), aber auch der Hauskater, mit dem Herz eines Hundes.

Der Abflug gestaltet sich hektisch. Ronnie landet früher als geplant, drängt, wir schlingen noch ein letztes Mittagessen hinein und starten kurz danach, ohne uns richtig verabschieden zu können. Als wir von der Startbahn abheben, diverse Dosen, Capibaras, Zäune hinter uns herreissend, bemerke ich links von uns eine dunkle Wand, die näherzukommen scheint. Während bei uns das Wetter noch einigermassen schön ist, kriechen aus dem Süden aberdüsterste Regenwolken langsam auf uns zu, deren Regenerguss kein Licht durchlässt. Was sich dahinter befindet, steht (wörtlich) in den Wolken: Das Ende der Welt? Das Bermuda Dreieck? El Dorado? Wir wissen es nicht.

Der Flug beginnt gut, wir steigen langsam, ich beobachte das Wetterschauspiel. Nach einigen Minuten werfe ich einen kleinen Blick nach links...
Kennt ihr das Gefühl, auf dem Nebensitz eines Autos zu sitzen, während ein durchwegs nervöser Fahrer das Auto lenkt? Sich dann für einen drohenden Crash bereit zu machen, indem man sich in den Sitz presst, den Gurt noch etwas enger anzieht, die Hand subtil um den Deckengriff wickelt?
Ronnie dreht zitternd am Radiosender, fährt sich permanent durchs Haar, drückt überenergisch auf dem GPS Gerät herum, und starrt ab und zu länger auf die dräuende, alles verschlingende Wand der Dunkelheit, die immer dann näherzukommen scheint, wenn wir nicht hinschauen. Ich frage mal Ronnie, ob es ein Problem gibt, was mit einem Grinsen und einem nach oben gereckten Daumen beantwortet wird. Alles in Ordnung, alles klar, Mann! Ich zweifle kurz an meiner Menschen-Beobachtungsgabe, beende dann aber den Gedankengang, als ich unseren Piloten geröteten Kopfes in das Handy schreien sehe, wie denn das Wetter am Zielort sei.
Nonchalant linse ich auf den Throttle (voll aufgedreht), dann den Tachometer, der 130 Knoten anzeigt - so ziemlich das Maximum für diese Maschine. Auch der GPS meint, dass sich unsere Flugzeit quasi halbiert hätte, im Vergleich zum Hinflug.
Gerade, als ich mir überlege, ob ich schon mal mit der Konversion zur einer beliebigen Religion, in der man wenigstens als Frosch wiedergeboren wird, beginnen sollte, schraubt Ronnie sein Steuerrad auseinander (Alles verloren, also?) und montiert es auf meiner Seite wieder an (Definitiv alles verloren). ;)

Ich steuere auf ein Häufchen Regenwolken zu. Im Vergleich zu letztem Mal ist die Luft sehr unruhig - eine Erinnerung daran, dass ein Flugzeug präzise fast nicht steuerbar ist, sondern dass man vom dünnen, es umgebenden Medium sehr abhängig ist. Ich versuche den Kurs zu halten, komme mir aber vor wie in einem Geländewagen, der eine Buckelpiste runterfährt, die mit Schlaglöchern zusätzlich gesprenkelt ist.
Es ist anstrengend, aber wie auf der Achterbahn: Cooooooool! :)
Noch eine Regenwolke umkurvt, und Ronnie übernimmt wieder das Steuer, um zur durchwegs holprigen (in der Luft noch mehr, als auf dem Boden) Landung anzusetzen.

Campo Grande hat uns wieder!

Samstag, 30. Oktober 2004

Pantanal Teil II

Zu den in Unmengen im Pantanal zu findenden Tierarten könnte ich entweder Riesenwälzer, die die Encyclopaedia Britannica neidisch zurücklassen, schreiben, oder, was zu mir als unglaublich exzellentem und professionellem Nichtbiologen eher passt, einige kleine Anmerkungen fallenlassen.

Vögel finden sich im Pantanal haufenweise. Lucas berichtet mir davon, dass schon öfters von etlichen Ernithologen besucht (heimgesucht? ;) ) wurde, die ihm (dem eigentlichen Führer) mit Teleskopen, die sonst potenzschwachen Männern zugeschrieben werden, vorausgepirscht sind, und hinter jedem Busch, auf jedem Ast, und in jedem Sumpf etliche Vögel ausgemacht (bestimmt, und mit lateinischen Namen versehen) hätten.

Was ich ornithologisch gesehen erblicke, als wir mit dem Jeep um die Ecke biegen, und sich uns erneut ein prächtiges Farbenspiel bietet, das sich im kleinen See spiegelt, und die ihn umstehenden Bäume scherenschnittartig erscheinen lassen: 16 Vögel. Nicht etwa den Crypturellus undulatus, Jabiru Mycteria, Anodorhynchus Hyacinthinus, oder gar den Coragyps atratus! Nur Vögel. Mehr kann ich nicht erkennen. Dies liegt allerdings aber auch an den gar unschuldig und brav aussehend herumstehenden Vögelchen, die aus einem Gary Larson Comic entsprungen sein könnten. Meist mit stiftartigen langen Schnäbeln ausgestattet stehen sie mit langen Beinen im Sand neben den Seen, ein blosses, ein, oder zweifarbiges Federfell umhüllt sie. Nicht gerade spektakulär, könnte man denken. Kaum aber überschreitet oder überfährt man unwissend eine unsichtbare Grenze, die sich um die Vögel zieht, EXPLODIEREN diese durchwegs durchschnittlich aussehenden Geschöpfe von einer Kakophonie an Kreischenden Vogelrufen begleitet in wahre Wolken aus Flügeln!

Ganz besonders haben mir es die überall zu sehenden Sandpipers angetan, die man übrigens auch im Palmenhaus in Zürich bewundern kann. Ebenfalls witzig sind die Undulated Tinamou ("Jaó"-"Verdeador?"), die vielleicht einem Kiwi gleichen (schwer zu sagen) und deren (aus dem Rachen hervorgestossenen) "u-u-uu" (Do-Do-Re) Rufe den üblichen Pantanallärm durchschneiden. Witzig sind sie aus dem Grund, dass man den Ruf imitieren und damit Männchen oder Weibchen, je nach Rufdetails, anlocken kann.

Was ich erst für das Gackern von mächtigen Riesenhühnern halte, entpuppt sich (halbwegs zu meiner Freude, halbwegs nicht <- siehe "Riesenhühner") als Aras, Macaws, oder Papageien. Hier zeigen sie sich in rotem, grünem, oder wunderschönem blauen Farbenkleid - und sind quasi omnipräsent. Sei es in Person, meist in Pärchen, im merkwürdigen Stil über die Wipfel fliegend, oder lauthals mit Brüllaffen (3000 Fussballfans kreischen schwächer) um das Wohnrecht in einem Baum streitend akustisch anwesend. Schon mal einen Papagei am Boden herumgehen sehen, auf der Suche nach Essbarem? Selten habe ich so etwas erheiterndes erblickt. Von weitem erscheinen sie einem wie winzige Männlein, die in farbene Mäntelchen gehüllt in wackelndem Gang durch die Gegend torkeln. Nun, nicht alle können wie die hiesigen Reiher durch die Lüfte brausen. Fast hätte ich meinen Lieblingsnesträuber vergessen: Den Tukan!
Wunderschönes Tier, versucht oft, die ebenso beeindruckenden, gewebten und sackartig von Ästen herunterhängenden Nester eines "Nestwebervogels" (? - Biologen zu Hilfe), ihrer Eier zu berauben.

Zu Vögeln gäbe es noch so viel zu sagen, doch hier ist Schluss. Eine Googlesuche nach "Pantanal Birds" eröffnet euch Vieles mehr als ich auch nur andeutungsweise behandeln kann. Und dies erst noch korrekter ;)

Zwei weitere Erlebnisse möchte ich euch nicht vorenthalten:
Als wir eines Nachts müde auf der Rückbank des Jeeps sitzend nach Hause fahren, die kühle Nachtluft geniessend, leuchtet plötzlich Fernando mit dem Scheinwerfer auf die Grasfläche neben einem kleinen See, um den sich Capibaras scharen. Wo? Wie? Was? Aufregung herrscht. Bevor die Moskitos das Licht des Scheinwerfers ersticken, erhasche ich einen Blick von einer, nein, zwei grossen Katzen: Pumas!
Die Pumas scheinen sich kein Bisschen von unserem Scheinwerferlicht stören zu lassen, als sie langsam den Capibaras näher kriechen. Die Capibaras ebenfalls ignorieren das Licht vollständig, obwohl es den Moderator der Show - den einen Puma - hell beleuchtet! Nach einiger Zeit sprintet der Puma plötzlich nach vorn und wirft sich in einem Anfall von Grössenwahn (und wie ich vermute mit einem "Geronimooooo!") auf den Lippen auf das wohl grösste Capibara, das sich ins Wasser rettet. Der Nachteil des Pumas ist, dass er wie fast jede Katze das Wasser scheut, und es vorzieht, sich die Pfoten per Zunge zu säubern.
Wir sind alle verblüfft und grinsen über beide Ohren - sowas haben selbst die Führer noch nie erlebt: Eine Pumajagd vor unseren Augen! Was mich aber noch viel mehr beeindruckt, gleichzeitig erschreckt, sind die Schreie der Capibaras, die über das Wasser an unsere Ohren dringen. Die Laute hören sich an, als wären gleich mehrere Männer gleichzeitig in riesige Bärenfallen gestolpert, und würden nun verwundet um Hilfe schreien. Schauerlich. (Vielleicht ist das im Wald hinter den Tieren auch passiert? ;) )

Das zweite "Erlebnis", besser Ereignis, an dem wir beiwohnen, ist das monatliche Schlachten einer Kuh. Als wir auf dem Jeep ankommen, sind die Cowboys gerade dabei, die Kuh aus der Herde zu isolieren. Das anvisierte Tier gibt aus weiblich hormonell bedingten Gründen keine Milch mehr. (Das auch als Hinweis an Frauen, ihre Menopause etwas lockerer anzugehen - anderen geht es schlechter, wie ihr gleich lesen könnt) Als sie nach einiger Zeit die Kuh mittels Lassos an den Hörnern extrahieren, wehrt sie sich dagegen, indem sie sich auf den Boden setzt. Für einen Moment überkommt mich tiefstes Mitleid für das Tier, das sich so energisch, aber gleichzeitig ohne Chance gegen ihren Tod wehrt. Ich möchte sie befreien und mit ihr über die weiten Ebenen des Pantanals reiten.
Mit Hieben wird sie zum Laufen bewegt, was gelingt, und kurz danach Kopf voran an einem Baum befestigt. Dann schlitzt ihr einer der Cowboys die Halsschlagader mit dem Messer auf. Die Kuh verblutet innerhalb von zwei Minuten. Mit dem Traktor wird sie neben grosse Blätter gezogen und auf den Rücken gerollt, um sie fachgerecht zu zerschneiden. Ich werde es nicht im Detail beschreiben, sondern nur anmerken, dass es beeindruckend ist, was alles genau von der Kuh verwertet wird. Und: Im Magen der Kuh hätte ich ohne Weiteres Platz, wobei ich auf diese Erfahrung verzichten kann :) Bilder folgen!
Kurz nach der Schlachtung stürzen sich etliche der bereits lange wartenden Geier auf die spärlichen Überreste, während wir mit dem Fleisch davonfahren.

Obwohl sich die obige Beschreibung vielleicht etwas blutig und hart anhören mag: Auf der Fazenda haben sich schon zwei Vegetarierinnen zum Fleischverzehr selbst überzeugt, weil die Kühe hier wirklich ein "glückliches" (mindestens im Vergleich zu Stallkühen) Leben führen.

Zum Flug später mal ein Kurzeintrag...

Mittwoch, 27. Oktober 2004

Pantanal Teil I

(Dieser Eintrag behandelt zusammenfassend die Woche im Pantanal)

Für alle, die hofften, ich würde das Flugzeug ungeschick flugs gen drohend entgegenkommend Boden lenken - nehmt dies! HA! :)

Nach einem ausgedehnten (zeitlich wie räumlich: 8 Meter Buffet) Morgenessen um 6 Uhr morgens begrüssen uns Ronnie ("Honey") der Pilot und seine Frau ("I'm Hooome" - nicht wirklich). Ronnie gehört dem Typ Mensch an, der von Freundlichkeit überzuquellen scheint, der es sich aber gleichzeitig nicht nehmen lässt, im Auto noch etwas mit seiner Frau zu streiten. ;)
Auf dem Flughafen erwartet uns Ronnies
Piper - dieses spezielle, und beliebte Modell stammt aus dem Jahr 1960, ich bete zum Gott der Atheisten, dass das Flugzeug neueren Datums ist. Nach einigen kleineren Startvorbereitungen (Öltank ölen, mit den Flaps flappen, und auch z.B: Wasser aus den Tanks abwassern - was meine zarten Hände Palmolivebedürftig zurück lässt) brausen wir in die Luft, mein Magen drückt weich aber beharrlich auf meine restlichen Eingeweide, die dank des reichlichen Morgenessens dem Druck gut standhalten können. (Ich kann also - entgegen weltverbreiteter Folklore - vor einem schwierigen Flug raten, möglichst viel zu essen)

Kurz nach dem Abflug bemerke ich, dass mich Ronnie nur zu fest an jemanden erinnert, den ich nie neben mir am Steuer eines Flugzeugs erblicken will: Christoph! Das Flugzeug hat aber mittlerweile schon die stuntgeprüfte Höhe von 30 Metern überstiegen und so bleibt mir nur, selbst Hand anzulegen. Ein ungewollter kurzer Anfangsausrutscher erinnert mich daran, dass eine Piper keineswegs mit einem Tieflader zu vergleichen ist, sondern ein Werkzeug darstellt, das von feiner Hand sanft geführt werden will. Auf minimalste Steuerbewegungen antwortet das Flugzeug bereits mit Kursänderungen von mehreren Grad. Zöge man das Steuer wie oft in Filmen erblickt stark gegen sich selbst, so würde das Flugzeug nicht langsam aufsteigen, sondern darauf mindestens mit sofortigem Stall, oder gar - wie auf dem Cartoon Network portraitiert - sich querstellen, mit quietschenden Pneus. Nach etwa 15 Flugminuten zwingen meine zu kleinen Bällchen der Pein zusammengeschrumpften Schultern mich, das Steuer wieder an Ronnie zu übergeben, der das Flugzeug legère auf 5000 Fuss senkt, wo er dann die Brasilianische Sitzposition (international als "Rückenschläfer" bekannt) einnimmt.

Unter uns entwickelt der
Pantanal seine Prächtigkeit. Kleine Waldgebiete streiten sich mit abertausenden von kleinen Salz- oder Süsswasserseen und offenen Savannenflächen um die Oberherrschaft. Etliche weisse Kühe (O-Ton Flo: "Sind das Schafe?" :) ) laben sich dank seit 85 Tagen erwartetem und auch endlich eingetroffenem Regenguss am frisch gesprossenen Gras. Nach einer Stunde und ein Bisschen mehr als 200 Kilometer Flugstrecke taucht im Grün unter uns die Farm auf - und noch unbestätigten Berichten zufolge soll sich dort auch eine Landepiste befinden. Noch bevor ich daran zweifeln & handeln kann, lehnt sich Ronnie etwas gar überschwenglich auf den Steuerknüppel, was unser Vehikel zu einer immer steiler nach links unten tendierenden Kurve bewegt. Als ich meine Augen wieder öffne, sind wir schon weich gelandet, links von mir ein grinsender Ronnie. (Quatsch, das mit den geschlossenen Augen stimmt nicht - wir Hankes blicken dem Tod gefasst ins Auge. Gefasst, und wie Waschweiber kreischend ;) )

Begrüsst werden wir von der Familie Leuzinger (Lucas, Marina, und deren Töchter Lele (2,5) und Ana (0,5)) - und von zwei glücksseligen abreisenden ZürcherInnen, die sich auf Hochzeitsreise befinden. Ich werde mich zurückhalten, euch Fakten - wie so oft - zur
Fazenda ("Farm") in Zahlenform an den Kopf zu werfen. Nur soviel sei gesagt: Ein durchschnittlicher Reiter wie ich benötigt vermutlich etwa drei Tage, um die Fazenda komplett zu umreiten. Dies inklusive der mehrfachen Abwürfe und Spitalflüge, die zusammen etwa 2 Tage in Anspruch nähmen. ;)
Auf diesem Ritt würde ich etwa einen Drittel der Strecke vor wilden Kühen flüchten und mich dabei in Indien wähnen (dazu später), einen Drittel der Strecke würde ich mich per Machete durch den oberhalb zwei Metern ziemlich Europäisch aussehenden, unterhalb von fiesen Stech-/Kratz-/Fiesheitskakteen verseuchten Wald hacken. Der letzte Drittel der Strecke wäre diversen Salz- und Süsswasserseen gewidmet, in denen ich all die zwischendurch erworbenen Kratzer baden könnte. Mmh, vielleicht ist es angebracht, mich etwas verständlicher auszudrücken. Nun gut. Auf den 8'000 Hektaren der Fazenda finden sich etwa 130 meist ziemlich rundliche Seen (~50% salzig, ~50% "süss"), die von fruchtbarem Weideland umgeben sind, welches wiederum von Wald umgeben ist. Zu meiner Überraschung tummeln sich trotz Schweizer Gastgeberfamilie nicht etwa pralle, glücklich über die Weiden hüpfende Schweizer Milchkühe, aus deren Eutern frische Milchschokolade sprüht, sondern Indische Kühe, die einem schwer das Bild vermitteln, man wäre in Indien. Was mir dann auch von den Temperaturen bereitwillig bestätigt wird: Üblicherweise 34 Grad mittags, Rekord 37, Abends um 10 Uhr so 23-26 Grad. Die Luft über der Wüste sirrt, Tiere verstecken sich unter Steinen, eine Hängematte knirscht galgengleich, die Extremitäten ihres Opfers (Ich) baumeln im Wind, mal hier-, mal dorthin, wie es die Schwerkraft ihnen gebietet.
Trotz der unter den (*DEN*) Umständen offensichtlich reifsten Alternative, in die Tiefkühltruhe zu steigen und dort permanent an diversen Eissorten zu lutschen, begeben wir uns auf täglich zwei Exkursionen in die gräuliche Obherrschaft der Sonne. Und ich muss sagen, Hitze hin oder her - ich war vom Pantanal beeindruckt. Man wird fast wörtlich mit Tieren beworfen. Schon am ersten Tag, bei dem mein Paps und ich noch ahnungslos hinter den beiden Führern (Lucas und Fernando, ein Cowboy) herstolpern (teilweise auch auf dem Jeep, das dann ohne Stolpern), erblicken wir Krokodile, Papageien (Aras), etliche Vogelarten (Sand Pipers usw.), Capibaras (Monsterhamster des Todes), Brüllaffen, Reiher und etliches mehr. Am Besten, ihr guckt euch durch die Bilder auf obiger Webseite.
Auf späteren Exkursionen wird unser Blick weiter geschärft. Am zweiten Tag fühle ich mich wie ein 12-jähriges Mädchen, das gerade beim Wendy-Preisausschreiben ein Pony gewonnen hat - wir gehen Reiten! Juhu! *räusper* Wohl dank unserem eher gemächlich eingenommenen ausgezeichneten Morgenessen verpassen wir leider knapp, wie die Cowboys ("Howdy" heisst hier "Falou" passend übersetzt: "Du hast gesprochen!") die Rinder zusammentreiben, um sie zu säubern usw. Dennoch stehen die etwa 200 Kühe immer noch enggedrängt am Zaun. Ich reite hinter sie, neben den Zaun. Es ist eine ausgesprochen merkwürdige Erfahrung, das von einem äusserst mulmigen Gefühl begleitet wird, wenn man vor sich 200 Augenpaare auf sich gerichtet sieht, während hinter einem ein Zaun den Weg versperrt, und man wieder mal zu faul war, das Pferdehandbuch komplett durchzulesen: Welche Hebel zu ziehen, welche Knöpfe an dem Vieh zu drücken wären, um es zu vertikalen Höhenflügen über Zäune zu bewegen, blieb mir verschlossen. Obwohl die Idischen "Nelore" Kühe normalerweise ziemlich wild sind, sind sie sich mehr oder weniger an Pferd und Reiter gewöhnt, und machen auch bereitwillig den Weg frei, als ich wieder in die Freiheit reite. Die Wildheit (will heissen Ungezähmtheit, nicht etwa Zähnefletschen usw., obwohl das auch amüsant wäre) drückt sich darin aus, dass man die Kühe regelmässig zusammentreiben, und mit Pferd und Reiter bekannt machen muss, damit sie nicht verwildern. (Wer weiss, wieviele Kühe sich in den Wäldern verstecken, frei und ungehindert das rauhe, aber freie Leben führen, eine Marlboro zwischen die Lippen geklemmt? ;) ) Die Kühe zu führen ist auch nicht gerade eine einfache Aufgabe. Folgen sie nicht von selbst, kommen die 11 Leitkühe zum Einsatz, die von klein auf an den Umgang mit dem Menschen, und mittels paarweisem Zusammenbinden an die anderen Kühe gewöhnt werden.
Warum die Mühe, wenn doch europäische Kühe viel pflegeleichter und auch braver sind? Die Anwort liefern uns die im Schatten eines Baumes mit hängenden Zungen hechelnden Schweizer Kühe, die sich nur zu gern den Schweiss (schrieb erst "Schweizz" - hmmm) von den Hörnern wischen würden. Die Kühe, die wir uns gewöhnt sind, würden die Hitze und die langen Trockenperioden nur unter Aufgabe ihrer Fortpflanzungsfunktion unter Anderem aushalten. Die Indischen Kühe halten das Klima ohne Weiteres aus, und zum Zeichen ihrer Überlegenheit stehen sie auch noch den ganzen Tag in der brütenden Hitze, mit wie mir scheint einem überheblichen Grinsen auf dem Gesicht. Dennoch: Die Schweizer Milch ist immer noch die beste. Daher die Schweizer Kühe. Hüaraguat! :)

Weitere Aktivitäten in Kürze:
- Kanufahren, den Rio Negro hinunter. Sehr angenehm. Der erste Kaiman, der zwecks Aufwärmung regungslos mit offenem Gebiss auf dem Bauch in der Sonne liegt, wird so ausgedehnt aus allen Winkeln und Distanzen fotografiert, dass ich fürchte, dass er sich demnächst auf uns stürzt, um per spitzen Zahns unsere Bauchdecken zu öffnen, kaltblütig (<- Informative Anmerkung für Kinder ;) ). Der Fotografierdrang schwindet dann stetig, um schliesslich beim 347. Kaiman zu verstummen. Dazwischen: Spektakuläre Fotos von uns angreifenden Vögeln! *g*

- Fischen! Den Strohhut ins Gesicht gezogen, ein Buch von Jack Kerouac "On the Road" auf den Kniern, mache ich es mir bequem, um die Ankunft des ersten Fisches zu erwarten, nach früheren Fisch-Erfahrungen etwa in mehr oder weniger 2 Stun... *yoink* Nach etwa 0,3 Sekunden, in denen der (merkwürdigerweise aus Kuhfleisch bestehende - was genau fangen wir? Nessie?) Köder kaum Zeit hatte, unter die Wasseroberfläche zu sinken, beisst der erste an. Und wie! Ein Piranha muss per Zange vom ohnehin schon zerbissenen Haken genommen werden. Seine halbkreisförmig angeordneten, dreieckig spitzen Zähne kratzen über das Werkzeug, ein schauerliches Geräusch verursachend. Leider ist er zu klein, weshalb er wieder als Fischfutter verwendet wird, eine Wunde an seinem Bauch markiert die Stelle, um die sich kurz nachher etliche seiner Brüder drum streiten werden. Der Zweite beisst die Angelschnur durch, wieder ein Haken geht flöten. Ich versuche neue Arten des Angelrutenzuckens, des Fleischbefestigens - erneut: Ein Fisch, Überraschung! Verbissen reisse ich an der Rute, in der Hoffnung, den Piranha durch ein schnelles An-Land-Ziehen vom Zerstören weiterer Angelhaken abzuhalten. Es gelingt, aber es handelt sich keineswegs um einen Piranha, vielmehr um etwas, das aus dem Fluss neben Tschernobyl oder aus der Gegend um Saturn stammen könnte. Vier Antennen spriessen aus dem Kopf des Ungetüms, die Flossen stachelig. Mein Gedächtnis klärt mich kurz danach auf, dass es sich dabei um einen Wels handelt. Später, noch besser, ein Tigerwels, äusserst schmackhaft! Der Preis des Tages für den grössten Unglücksvogel (d.h. -fisch) schliesslich geht an Piranha Nummer 2, der sich beim Herausziehen merkwürdig fest wehrt, zappelnd, dennoch aber ziemlich leicht scheint. An der Luft löst sich das Mysterium schnell: Bloss der noch zuckende Kopf hängt an der Rute, am Hals von zwei starken Bissen vom Rumpf getrennt. Als Suppenfisch nur wenig geeignet, erweist er sich als Köder von vorzüglicher Qualität.
Zwei Tage später geniessen wir eine exzellente Fischsuppe, die sogar mich als Verwehrer jeglicher Meeresfrüchte zu überzeugen vermag. :)

Die Mittage sind wegen der Hitze der ausgezeichneten Bibliothek unserer Gastgeber gewidmet: "The Painting of Dorian Gray" von Oscar Wilde (Lord Henry Wotton regt zu Gedanken an), "Anleitung zum Unglücklichsein" von Watzlawick (Lebensratgeber, der sich in Ironie hüllt), und schliesslich "Versuch über die Liebe" von Alain de Botton (Ich sag mal: Etappen einer Liebe).


Mehr zu den Tieren und dem Rückflug später...

Montag, 25. Oktober 2004

Die Wildnis wartet!

Eine Kurznotiz:
Nach 2 Tagen São Paulo geht es nun schon wieder weiter, diesmal in den Pantanal, eine fantastisch faunastisch florastische Gegend.

In einer halben Stunde boarden ("entern") wir unser Flugzeug, nach Campo Grande. Von dort aus weiter mit einem Kleinflugzeug in den Rachen ungebändigter Natur.

Ich hoffe, das Internet hat den Dschungel schon erreicht - wenn nicht: Bis in einer Woche!

Sollte ich mich wider erwarten nicht mehr melden, dann hatte die Piper oder die Cessna einen Motorschaden und das jahrelange Training am Flugsimulator war für die Katz! ;)


(Am selben Tag, 23:40)
Öhm, obig schräggeschriebener Text traf nur teilweise bis gar nicht ein!
Vielmehr (in Kurzform, da nur 10 Minuten Zeit - gnah) ergab sich Folgendes:
Wir erheben uns majestätisch (*knorsch, ächz, stöh-ööhn*) um 5:30, düsen brav und pünktlich wie es sich für zwei echte Schwäizer gehört von São Paulo los. Nach verdächtig unphotogenem Flug in sehr dichten Wolken versucht uns der Captain auf Englisch zu informieren, dass wir uns leider nicht wie geplant in Campo Grande graziös zu Boden senken können, sondern nach Cuiabá weiterhinken müssen.
Abenteuer!
Oder doch nur bei 32 Grad im Schatten leicht geköchelt und in Schweissauce blanchiert? Cuiabá mag einige Vorzüge an sich haben, angenehme Kühle gehört leider nicht dazu. Nach 4 Stunden ungewisser Wartezeit, etlichen Glacés und Mineralwassern später (die wir uns mehrheitlich über den Kopf leeren - so glaube ich - die relevanten Erinnerungsneuronen dazu sind leider verdampft), wird uns ein Platz in den "TRIP" Airlines offeriert. Als wir uns aufs Rollfeld begeben, erwarte ich nichts weniger als einen dieser alten VW Busse, umgemodelt in ein Flugzeug ein Hippietraum in Grelllila und Plasmagrün. Der Auftrieb rührt vor Allem von den verteilten LSD Tabletten her. Als wir uns auf die bequemen Batikkissen niederlassen, begrüsst uns der Captain mit einem empathischen "Paz, caras!" :)
Nichts dergleichen! Ein flottes Propellerflugzeug bringt uns nach nur 4,5 weiteren Stunden über Londres, dann einer Stadt mit M..., gleich westlich davon, nach Campo Grande.
Morgen früh, 5:30, geht es weiter in die Wildnis - in einer 3-plätzigen Piper. Das Beste: Ich darf selbst fliegen! (Sollten Rettungstrupps losgeschickt werden: Wir sind in dem absolut unglaublich spektakulär gecrashten, unverhältnismässig stark brennenden und qualmenden Metallhaufen ;) )

Wer weiss, ob ich nächste Woche Internet habe. Wenn nicht, versuche ich mich danach wieder zu melden...

Samstag, 23. Oktober 2004

São Paulo I

Nur kurz - sind grad in São Paulo, in einem Cybercafé.

Bisher zurückgelegte Kilometer entsprechen der Strecke Frankfurt - Palermo, und wieder zurück. Die letzten zwei Nächte allein sind wir sozusagen nach Berlin und wieder zurück gefahren. Momentan warten wir auf das Hotel, das uns erst um 12 Eintritt gewähren will.
Übermorgen geht es schon wieder weiter, mit dem ersten der uns noch erwartenden 11 Flüge...

Wie sagt James Flo-nd doch immer: "Ich mag meine Innereien geschüttelt, nicht gerührt" ;)


Der Rest des Tages vergeht damit, dass ich die Abdrücke der Bussitzpositionen (siehe letzten Eintrag) auf meinem Körper mittels längerem Nickerchen zu entfernen suche...

Freitag, 22. Oktober 2004

Florianópolis in Kürze

Nach einer langen Busfahrt erreichen wir Florianópolis - die Stadt, die 1977 als Antwort auf meine Geburt aus dem Boden gestampft wurde. Oder auch nicht. ;)

Kein Tag, um sich neben Strassentafeln photographisch zu verewigen, Regen regiert, und wir entscheiden uns, noch am selben Tag nach São Paulo weiterzufahren.

Ab hier werde ich leider die Einträge etwas kürzer halten müssen, weil es auf Reisen etwas schwer ist, genug Zeit zum bloggen zu haben.

Donnerstag, 21. Oktober 2004

Itaipú

Der Titel des heutigen Eintrags bedeutet auf Guaraní: "Der singende Fels".
"A-haaaa?", höre ich euch kollektiv aufseufzen. Der Grund, weshalb ich euch dies erzähle, liegt darin, dass dieser vermutlich einmal wunderschöne Balladen erklingen lassende Steinbrocken nun unter einer unvorstellbaren Menge an Stahlbeton und Wasser begraben liegt.

Diese Unmengen an Material dienen nun dazu, zum Beispiel vielleicht den Computer zum Leben zu erwecken, den ich im Moment gerade benutze. Besser gesagt, 25% davon. Wieso 25%? Nun, das ist der prozentuale Anteil an elektrischer Energie vom Gesamtverbrauch Brasiliens, die das Bauwerk, das Kraftwerk Itaipú, generiert: Pro Jahr 100 Milliarden *kreisch* Kilowattstunden. Falls euch diese Zahl nichts sagt: Das Atomkraftwerk Gösgen generiert schlappe 7,8 Mia. kWh pro Jahr, 13x weniger.
Mehr? Beim Bau des Monsters wurde jede Stunde soviel Stahlbeton verbraucht wie normalerweise für ein 20-stöckiges Gebäude verbraucht wird.
Noch mehr? Das Kraftwerk verfügt über einen Sicherheitsabfluss, der - wenn mein Paps sich recht erinnert - 64'000 m³ Liter Wasser pro Sekunde abfliessen lassen kann. Die 40-50 fache Menge an Wasser, die die Iguaçu Fälle runterfliesst. 64 Millionen Liter Wasser pro Sekunde!
Ich dachte immer, Menschen könnten sich die Unendlichkeit nicht vorstellen - bin aber mittlerweile der Meinung, dass die Grenze irgendwo bei 64 Mio. Liter Wasser, die pro Sekunde irgendwo durchfliessen, liegen muss ;)

Trotz des netten Angebots des Taxifahrers vom letzten Tags entscheiden wir uns, wieder einmal die Dienste des lokalen Busunternehmens in Anspruch zu nehmen. Interessanterweise muss bei einer Fahrt _vom_ Busterminal nichts bezahlt werden, _zum_ Terminal _hin_ aber schon. (Trotzdem aber sind die Busse nicht voll von Velo tragenden Brasilianern ;) ) Und obwohl uns der Buschauffeur versichert, dass der Bus zum Kraftwerk fahre, beweist er uns erst sein feines Gespür für Tourismus, indem er mit uns durch die südliche Hälfte von Foz do Iguaçu gurkt. Wir können es fast nicht glauben, als der Bus zu wenden beginnt, schliesslich in Richtung Sonne (Norden) fährt, und uns tatsächlich an der versprochenen Destination ablädt. Am Ende des Tags berechnen wir, dass wir insgesamt 6 Stunden die grobmassierenden Bussitze von Foz genossen haben müssen...

Die Tour des Kraftwerks ist zu empfehlen, wenn auch nichts gegen die Schönheit des Fälle. Ehrlich gesagt, was mir am meisten in Erinnerung blieb, ist das Geräusch, das der Auslöser meines Fotoapparats von sich gibt, wobei ich mit Auslöser sowohl die Mechanik, als auch den Operator (Papi) meine: *klickediklickediklackklackwhizzklick* "Das Foto ist viel zu hell! Neeeeein, also neeein!" *brrzklickklickklickklackzooooooooomwhuuudklickediklack-zoink-bling-wusch* :)

Und das wars von mir zum
Kraftwerk.


... manchmal, des Nachts, meinen Arbeiter des Kraftwerks leise Gesänge zu hören, die die Menschheit überdauern werden, wenn schon längst Moos und Krabbeltiere wieder die Herrschaft über den Flecken Erde übernommen haben, der einst den Stolz einer von vielen dem Untergang geweihten, sogenannten Zivilisationen, darstellte...
(Um das mal nahe den Worten H.P. Lovecrafts auszudrücken)

Früh Abends machen wir uns mit der Buslinie Reunião auf den Weg nach Florianópolis. Dank anonymer Hinweise aus der Bevölkerung *g* wusste ich, dass die Buslinie Catarinense wegen der vielen (bereits erwähnten) Schmuggler nicht zu empfehlen sei. Bei der Busstation angekommen, blicke ich hocherfreut auf den bei unserer Busplattform um einiges kleineren Stapel dieser durchwegs roten und blauen Riesentragtaschen. Schon etwas weniger hocherfreut bin ich, als ich merke, dass der Mengenunterschied davon rührt, dass die Catarinense einen dieser bequemen Doppelstockbusse fährt und die Reunião ihre Waren im einstöckigen Commum über die staubigen Strassen Westbrasiliens an ihren Zielort verfrachtet.
Dennoch versuche ich es positiv zu sehen und setze dazu an, das Erlebnis wissenschaftlich wertvoll zu verwerten, und die Lebensqualität der Menschheit zu verbessern! (Vor meinem geistigen Auge sehe ich schon die Publikation in "Istop é Gente", die Tickertape Parade quer durch Rio, meine geheuchelt vorgespielten Tränen und diverse Babies, die mir in die Arme gedrückt werden)
Die Fakten:
1. Commum Bus mit 0,4 Quadratmetern Platz pro Passagier
2. 16,5 Stunden markerschütternde Fahrt
3. Testsubjekt, ein vom Brasilianischen Essen durchschnittlich deformierter Mann

Das Experiment:
Drei verschiedene Sitz- und Liegepositionen sollen gründlichen Tests unterzogen werden:
A) Die Standard Liegeposition.
Während man an dieser Position anfänglich noch Freude finden kann, da sie einem bekannten Standard entspricht, merkt man, dass mit der Zeit einige, immer aufdringlicher werdende Tatsachen ins Auge springen, oder wie in meinem Fall: In den Arm kneifen. Der Rumpf fügt sich nahtlos in den Sitz ein. Den Armen und Beinen hingegen fehlt eine Rückzugsmöglichkeit. Man könnte die Situation damit vergleichen, mit 5 Personen in einer 3 Zimmer Wohnung zu wohnen. Bei ähnlichen Bedürfnissen mag es funktionieren, aber da Beine und Arme nun mal grundverschieden anders sind (Beine wollen ihrer Natur entsprechend eher unten, nahe der Erde sein, während sich die Arme in luftiger Höhe wohler fühlen - mit Ausnahmen, wie wir in den späteren Stellungen sehen werden) kann es so nicht funktionieren. Versuche, die Beine durch Ritzen nach vorn zum Nachbar durchzuschieben, stützen sich vollends auf die Kompromissbereitschaftdesselben ab, und sind daher für konsistent erfolgreiche Resultate unbrauchbar. Eine Armstellung, die anfänglich Erfolg verspricht, ist die des Armeverschränkens. Eine Verschränkung der Arme bedeutet normalerweise Nicht-Einverständnis, Trotz, Abwehr, Rückzug. Wie wir alle wissen, sind äussere Anzeichen eines inneren Zustands nicht zwingend unidirektional, d.h. gänzlich symptomatisch, sondern bidirektional. Ein gezwungenes Lächeln kann durchaus zu einer fröhlicheren inneren Haltung führen. In unserem Beispiel führt diese über die Testdauer durchgeführte Armverschränkung zu innerer Missstimmung, einer trotzigen Wachheitsreaktion, einem Unverständnis gegenüber dem Sandmännchen, das ja eigentlich nur noble Absichten im Sinn hatte.
B) Die Faltung
Diese Stellung ist 1:1 von den optimalen Crashhaltungen, wie sie oftmals auf jenen überoptimistischen Pamphleten zu finden ist, die auf Flugzeugen in des Vordermanns Sitz plaziert ist, kopiert. (Bauch flach auf Beine legen, Kopf zwischen Knie) Offensichtlich verspricht diese Haltung eine exzellente Überlebensquote in Crashs. Eine weitere positive Eigenschaft ist, dass zirka 80% des Körpers horizontal liegen kann, im Gegensatz zu den 65% in der Standardhaltung. Zusätzlich dazu stellt sich nach einiger Zeit ein solches Wonne- und Wohlgefühl ein, wie man es sonst nur bei den ruhig liegenden Ölsardinen in den durchwegs bequemen und meist stilvoll designten Aluminiumbehältern finden mag.
C) Der Tornado
(Auch Churrasco genannt) Diese Stellung ist nur erfahrenen Busreisenden zu empfehlen. Dabei wickelt man sich um die zwischen den Sitzen angebrachte "Armstütze" (aka Zahnstocher). Der Vorteil dieser Stellung liegt im perfekten Wärmehaushalt. Bei der Standardstellung und der Faltung wird man mit dem Problem konfrontiert, dass die dem Fenster zugewandte Seite stark abgekühlt wird, während die dem Mitreisenden zugewandte Seite gewärmt, schlechtestenfalls als Kissen benutzt wird. Beim Churrasco vermeidet man gleich beide Probleme, indem man den Mitreisenden bittet, er möge einen ab und zu etwas rotieren. So wird allzeit eine andere Seite der Kälte des Fensters zugewandt, und gleichzeitig wird man nicht als Kissen missbraucht, da der Nachbar durch seine ihm auferteilte Arbeit nicht zum Schlafen kommt. Sollte dies doch geschehen, ist eine strenge, in knappem Ton vorgetragene Rüge durchaus angebracht.
:)

Zum Generellen Klima kann ich nur soviel sagen, dass normalerweise die Klimaanlage durchgehend an ist. Positiv daran ist, dass sich die Temperatur im Bus leicht errechnen lässt: Umgebungstemperatur draussen minus 20 Grad. Negativ fallen eigentlich nur die tosenden Schneestürme und die ewigen Eisbärattacken innerhalb des Busses auf, wenn draussen gerade die Sonne aufgehen will.

Mitten in der Nacht halten wir irgendwo zwischen Porto Alegre und Foz, an einer dieser 24h Churrascarias. Wir geniessen ein kleines Nachtmahl, das sich in dem Moment in einen Nachtmahr verwandelt, an dem ich merke, dass sich die Churrascaria "Nadin" nennt! Bin ich schon von der tödlich tropischen Fuss- und Klauenseuche befallen? Dieser vormals als unbedeutend abgetaner Husten könnte zu gigantischem Asthma erwachsen! Sind das Mückenstiche oder Pestbeulen?!
(Nein, es soll hier ein für allemal gesagt sein: Nadine ist keine Verbreiterin tödlicher Krankheiten! Vielmehr behält sie alle für sich... ;P)

Die 3 Könige:
Vom am Morgen erreichten Blumenau bin ich eher unbeeindruckt. Vielmehr erwecken kuriose Strassentafeln meine Neugierde. Eine zeigt nach "Gaspar", die andere nach "Belchior". Gespannt klebe ich am Fenster, in Erwartung einer Tafel, die gen "Fartasar" weist. Und mit dieser geschmacksvollen Bemerkung beende ich den heutigen Eintrag...

Mittwoch, 20. Oktober 2004

Iguazu Argentinien

Zu den Fällen auf der Argentinischen Seite bleibt mir nur soviel zu sagen: Noch imposanter als auf der Brasilianischen Seite - was vor allem an den Stegen liegt, die quasi direkt über die Fälle führen. Viel mehr möchte ich gar nicht sagen, habt ihr doch bereits Zugriff auf etliche Fotos, deren Anzahl (leider noch nicht online) mehr als vervierfacht wurde! :)
Oder auch :( sollte der geneigte Leser zu unserer Diaschau geplagten nahen Verwandtschaft gehören. *g*

Doch nun zu etwas ganz anderem. Nämlich meiner Vorgehensweise, andere Sprachen zu übersetzen. Auf der Argentinischen Seite werden wir durchgehend mit Spanisch und schlechtem Englisch konfrontiert, wobei ich sagen muss, dass ich ersteres klar vorziehe. Das meiste ist dank der Ähnlichkeit zu Portugiesisch leicht übersetzbar.
Nehmen wir mal einen Beispielsatz von der Zugstation zu den Fällen: "Pisar la raya amarilla". Was könnte dies bedeuten?
Nun, "Pisar" ist offensichtlich ein Verb. Vielleicht verwandt mit "piso", oder "Boden"? Als Verb dann "I floor", "You floor", "10 Tequila"(oder so), ... Klappt nicht, gehen wir also zum nächsten Wort, "raya". Vielleicht hilft uns hier doch Englisch weiter? Vielleicht "ray", also "Strahl" auf Deutsch. Könnte sein. Dann "amarilla", ich würde mal auf "amarelo" tippen, das Portugiesische Wort für "Gelb".
Zusammen also erst mal: "Piso den gelben Strahl". Nun, ich muss zugeben, ich bin überfragt. Vielleicht hilft euch eure Fantasie weiter?
(*g* Ok, nicht ganz ernstzunehmen, aber so ähnlich mache ich es tatsächlich. Französisch hilft auch sehr.)

Auf der Fahrt übrigens zu den Fällen überrascht mich die Polícia Federal damit, dass sie mir mitteilt, ich könne noch am selben Tag wieder einreisen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass der Minierfolg mit unserem deutsch sprechenden Taxifahrer (Livio Fank) zusammenhängt, der sich den Oberen brav unterwürfig und eines Untertanen würdig verhält. Mit einem freundlichen "GRONZ" entlässt uns der PF Beamte wieder aus dem alltäglichen Wahnsinn der Brasilianischen Bürokratie.

Kleine Info: Sollte jemand von euch vorhaben, bequem auf die Argentinische Seite und zurück gefahren zu werden, geht entweder zu dem kleinen "Restaurant" südöstlich von der Rodoviária und verlangt "Livio Fank", oder ruft 9964-9335 an. Er kann auch bei Passproblemen o.ä. gut helfen, da er über die nötige Geduld im Umgang mit den Königen des Bürokratiedschungels verfügt. (Während ich schon längst in einem John Woo Film zum "Zwischenfall am Iguaçu Fluss" verewigt würde)
Auch kann man das eine oder andere Miniabenteuer erleben, wie zum Beispiel das Abholen eines 8kg Fisches für sein Restaurant. Sein Restaurant, übrigens, das er mit viel Hingabe und Initiative, aber auch einigem Pech (Dach wegen schlechtem Baumeister vollends zerstört) führt, ist nur zu empfehlen. Hier gibt es qualitativ hochstehenden Brasilianisches Essen, was Gebilden anderer Brasilianischer Köche, die sich oft höchst Erfolglos an Eigenkreationen versuchen, klar vorzuziehen ist. "Lieber ein paar ehrliche Bohnen auf dem Teller, als ein mit Käse stranguliertes, würztechnisch benachteiligtes Stück Fleisch quer im Verdauungstrakt", sage ich immer. (Seit gestrigem Abend *buähä würg*)

Bereits in der Rodoviária beobachten wir, wie etliche Leute riesige und stabile Plastiktaschen in die Busse zur Weiterfahrt einladen. Im nur wenige Kilometer entfernten Paraguai sind die Preise, besonders für Elektronik, einiges tiefer als in Brasilien, was regen Schmugglerhandel zur Folge hat. Im Restaurant werden uns Socken und Goldketten angeboten, was im Vergleich zu den gestrig angebotenen Frauen usw. natürlich unakzeptabel und unannehmbar erscheint. ;)
(Die Warenträger verkaufen eifrig grössere Mengen an andere im Restaurant weiter, die das dann vermutlich wieder für einen kleinen Gewinn weiterverkaufen)
Doch zu Hobbyschmugglern und anderen morgen mehr!

Zum Schluss ein geniales Erfolgserlebnis. Ich komme spät abends mit einem Argentinier ins Gespräch, der sich so stark der Illusion hingibt, ich sei Brasilianer, dass ich mich glatt zu einem minimal überrissenen "Eu sou Gaúcho, Tchê!" (Gegenstück zu "Ick bihn ein Böhlina!") hinreissen lasse. :))
Mein Trick ist, dass ich einen Brasilianer mime, der versucht Spanisch zu sprechen, während ich doch eigentlich nur ein Schweizer bin, der einen Spanier mimt.

Kurzmeldung:
Blutdruckmessung im Park enthüllt: 110/70. Kein Wunder, schafft es doch mein dank des hiesig gesunden Essens fettumhülltes Herz nicht mehr, ordentlich etwas durchzupumpen. ;)

Dienstag, 19. Oktober 2004

Iguacu Brasilien

Um 19:15 setzen mein Vater (Anm. d. Red.: "Papi"), Aninha, und ich zur grossen Reise an, die uns kreuz und quer durch Brasilien führen sollte, von den tosenden Fällen des Iguaçu, dann Florianópolis, São Paulo, durch die vor Tieren strotzenden Ebenen des Pantanal, mitten ins Geschehen von Salvador, in dem Tag und Nacht die weckenden und zugleich einschläfernden Geräusche des Birimbau (sp?) von den Wänden widerhallen, forsch weiter nach Fortaleza, mit einem Überfluss an Stränden geschlagene Metropole des Nordostens, bis schliesslich - über Brásilia - Manaus, wo wir uns gegen Horden von rauhbeinigen Moskitos zur Wehr setzen müssen.

Aninha, für die, die sich nun fragen, ist übrigens die Puppe, die Ana vermutlich mit Absicht in unserer WG zurückgelassen hat. Wir nehmen sie nun mit auf unseren Teufelsritt, um ganz im Sinne Amelies in unsere Fotos einzubauen. Das Motto dazu lautet: "Ein Foto mit einer debil grinsenden Puppe ist mehr wert als ein Foto mit zwei debil grinsenden Männern" (oder so) ;)

Die Busfahrt im sehr komfortablen "Executivo" verläuft dank der von Papi mitgebrachten High-Tech-Ausrüstung weitgehend im Tiefschlaf. Samtene Augenbedecker und aufblasbare Nackenkissen kann ich mir nun fast nicht mehr aus dem Leben eines Busreisenden wegdenken. Eine Ausnahme sind bei mir die Oropax, die mein Vater benötigt. Dank dem 14-wöchigen Aufenthalt in "Gulag Suele I", pardon, "L´Auberge Brasiliaine" (vier bis fünf Sterne in meinem Taschenführer für krankheits- und lärmresistente Studenten ohne jegliche Ansprüche) bin ich auf knallharte Holzmatratzen mit einem Milimeter Schaumstoff, und um auf die Oropax zurück zu kommen, musikalische Nachtwächter, Hundechöre, Michael & Anas Schnarchduette, und sogar die drohende Zunahme energiegeladener räudiger, damit lautstarker Katzen getrimmt. Ich frage mich sehr, ob ich wohl im ruhigen Zürich, wo mich eine 20cm starke Kamelhaarmatratze erwartet, noch schlafen kann, oder ob ich Mittnachts schweissgebadet aufwache, die Stille in meinem Zimmer als "Bin ich im schon tot?", die fluffige Weichheit unter meinem Rücken als Wolke interpretiere? Obwohl, erfahrene Kenner meines Zimmers würden hier anmerken, dass eher eine der 7 Stufen der Hölle dafür Vorbild war.

(Ich schreibe diese Zeilen am 22., nach einer speziell lustigen Nacht, nur leider durchwacht, was meinen momentan vielleicht etwas exzentrischen Schreibstil zu erklären beginnen vermag)

Apropos Bustyp "Executivo". Ein paar kleine Anmerkungen zum Busreisen in Brasilien. Dies ist der preislich vorteilhafteste Bustyp, meiner Meinung nach. Wenig Geld spart man generell, wenn man auf den "Conventional" oder "Commum" umschaltet, dafür gewinnt man umso mehr an Rückenschmerzen und (in wachem Zustand) erlebtem Abenteuer. Es gilt hier also abzuwägen. Der "Leito" oder "Double Class" ist mit Abstand der bequemste, kostet allerdings auch locker das Doppelte vom Billigsten. Dafür wartet dieser mit fast waagerechten Betten u.ä. auf. Im "Executivo" keine Betten, dafür immerhin eine bequeme Fuss- und Beinstütze. Ist Geld kein Thema, kann ich den "Leito" vollumfänglich empfehlen. (Oder ein Flugzeug, latürnich)

Zu den Iguaçu Fällen in Brasilien nur soviel: Die einiges mehr als eine Million Liter Wasser pro Sekunde, die über zirka 225 Fälle die Steinkante hinunterhupfen, sind trotz meines zweiten Besuchs immer noch eine Pracht, und beeindruckend anzusehen. Ich wünschte mir nur, ich würde mir etwas mehr als die 2 Milisekunden geben, bevor ich den Moment per Digitalkamera zu erhaschen suche. Das wird besonders dann spürbar, wenn Papi und ich schon bevor wir die Fälle auf der Argentinischen Seite erblicken, über die genaue Positionierung der Panoramafotos diskutieren. Wenigstens drängte es mich nicht, die Erfahrung gleich jemandem per Handy mitzuteilen.

Uns blieb noch etwas Zeit, um den quasi gleich neben dem Eingang zu den Fällen liegenden Vogelpark zu besuchen. Anfänglich nicht sehr imposant, steigert sich der Park allmählich über grössere Gehege und prächtigere Vögel, bis hin zu einem frei besuchbaren Gehege, das sich kurz danach als Arena à la Kolosseum entpuppt. Das Handgemenge (oder soll ich sagen Flügelgemenge?) mit einem sich in den Untiefen eines Blutrausches befindlichen Papagei (eine Vermutung, ich sah nur ein wirbelndes grünes Etwas) geht zur Halbzeit 1:0 für den Papagei, schliesslich aber 2:1 für mich aus, wobei der moralische Sieg dem Viech zugesprochen wird, kann es sich doch in seiner mutmasslich mit menschlichen Überresten gefüllten Höhle an Fetzen meines Ohrs gütlich tun. (Nicht ganz, aber so hat es sich angefühlt)

Kurzmeldungen, um diesen Riesenpost sicher zu einem Ende zu führen:
- Fälle Vorbild für Toilette (Modell "Tosender Donnerstuhl") in Hotel.
- Die Suche nach dem Deutschen Taxifahrer endet bei triefend schleimigem Typen, der uns billige Elektronik, Drogen, und Frauen (Mulheres) verkaufen will. (Wir lehnen dankend ab, und flüchten subtil)
- Erreichen doch noch den Taxifahrer, der mich mit der Bemerkung, er könne etwa so gut Deutsch wie ich, minimal beleidigt.
- Es ist doch eher beunruhigend, im Bett neben sich eine grinsende Puppe im Halbdunkeln zu erblicken. Flüsterte sie nicht gerade eben etwas auf Spanisch zu dem Monster unter dem Bett? ;)

Freitag, 15. Oktober 2004

Porto Alegre adeus, Oi resto do Brasil

Mein Aufenthalt in Brasilien neigt sich (ziemlich steil) dem Ende zu, dabei gäbe es noch soviel zu berichten: Das selbstorganisierende Abfuhrwesen (warum eine leere Coladose am nächsten Tag nicht mehr auf der Strasse steht), die Frauen (oder As Bundas Brasileiras), die Wahlen (oder wer hat die lautere Musik), noch mehr Essen, die Strassen von Porto Alegre (renn oder stirb), schwarze Magie an Kreuzungen, und schliesslich die Richtigstellung von Nadines korrekter Beschreibung...

Dies alles muss momentan leider aufgeschoben bleiben, wobei ich es natürlich bei der Heimkehr niederzuschreiben versuche. Ich fürchte aber fast, dass der Schock bei der Ankunft in der abysmal nasskalten Schweiz zu gross sein wird und mir jegliche brasilianische "Feinheiten" beim Kontakt mit Temperaturen unter 25°C abhanden kommen werden.

Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. Ich hoffe, es hat bisher Spass gemacht, mitzulesen und euch an den Fotos zu laben.

Nächsten Montag werden mein Vater und ich zu einer Reise quer durch Brasilien ansetzen, die irgendwann Ende November zu Ende gehen wird. Zum Schluss noch eine Frage Ernestos zu unserer Reise, die er auch selbst gleich korrekt beantwortet:
"Hängt ihr dann zusammen auch in die Jugis zu all den Jungen Briten? 'Helo, we are the Hankes.'" :)

Freitag, 1. Oktober 2004

A minha janela se quebrou

Für alle, die nicht Portugiesisch können: Der Titel deutet auf die exklusiv passive Art meines Mitwirkens im Ableben besagten Schlafzimmerfensters hin. ;)
Das Szenario und die Geschichte steht den furchterregendsten der Gebrüder Grimm in nichts nach. Nach einer erfrischenden Dusche und einer kurzen Wartezeit auf unsere gemächlich die Kleider schüttelnde (da horizontale) Waschmaschine, hüpfe ich flötend und mit feuchten Kleider beladen Richtung Trocknungsraum, in dem auch Gäste empfangen werden und der gleichzeitig selbige auf den Hauptnutzungszweck unserer Wohnung hinweist. Die Kleider hängen wartend, die Sonne scheint. Klein Flo macht sich mit einem seiner Problemkinder, einem 97' gekauften, mittlerweile mehr aus Löchern bestehenden Pullover Richtung Fenster auf, um ihn dort in Streiflufttrocknungsposition zu bringen (Die Eskimos mögen 40 oder mehr Worte für Schnee haben, wir haben 145 für verschiedene Trocknungsarten, wobei z.B: "vestisecar" hervorgehoben sein soll, bei der man Kleider per Tragen der endgültigen Trocknung entgegenführt).

Ich erreiche nichts ahnend das Fenster, beginne es zu öffnen, und das Fenster entscheidet spontan, sich dem Boden entgegenzuwerfen. Vielleicht ein schon längst geplanter Suizid, dem eine letzte menschliche Berührung vorausgehen sollte?

A minha janela que se quebrou

Meine erste Reaktion ist, dank 6 Jahre dauerndem Training, die eines Informatikers. Ich schiebe meine rechte Hand in der Luft umher, drücke dreimal mit dem Zeigefinger ("Datei > Neu > Fenster") und starre wartend auf das Fenster. Ctrl-N geht auch nicht. ;)

Heute Abend jedenfalls auf Kanal Flo: Die Heimwerkershow! Die Themen: Drohender Regen und kein Fenster - was tun? Plastikplane anstatt Glas: Die Vorteile! Und: Wie man mit erzürnten Vermieterinnen umgeht, ohne Anwendung diverser Kampfsportarten.
Aber im Ernst: Mrs. Suele hat es mit ziemlich viel Fassung und wohl dank Übermüdung ziemlich locker genommen. Hoffe ich jedenfalls. Trotzdem: Merda! Nein, besser: Meeeeeeeeeeeeerda!

Sonntag, 26. September 2004

Von Hunden und Menschen

Nach einer ausgedehnten Entdeckungstour in die Gedärme der Cidade Baixa (Niedere Stadt) mit Ana, bei der versteckte Juwelen in Form von Caipiras zum Vorschein kamen: Honig, etwas in der Art von Preiselbeeren, exotische Beigaben noch und nöcher. Uns bei lautem Getöse der mit viel Hingabe (und umso weniger Fähigkeiten) ins Mikrophon gepressten alten Hits versucht, auf Portugiesisch, was sag ich, Portugnol zu unterhalten. Ein Beispiel: "O que tu pensas - as mulheres de aqui são muy bonito das chicas na Espagna?" :) (Anas Antwort übrigens logischerweise, dass die Spanischen Frauen viiiiiiel schöner sind) Aber mittlerweile sind sogar einigermassen hochstehende, siehe oben, Gespräche mit Ana möglich - beeindruckend, wenn man sich den Stand vor etwa 5 Wochen ansieht, bei dem wir (man erinnert sich) ganze 2 Stunden benötigten, um uns (und ich gebe zu: hier wollte ich leicht übertreiben und "Gute Nacht zu sagen" schreiben ;) ) die jeweiligen Interessen usw. mitzuteilen. Das "Nach" zu Beginn des Abschnitts soll hier beendet werden: "kommen wir heute um 2 Uhr, also eigentlich ziemlich früh, nach Hause."

Zum ersten Teil des Titels. Heute "Morgen" um 12 Uhr weckt uns eine ans Fenster klopfende Mrs. Suele. In Tränen aufgelöst erklärt sie uns den Grund für den uns mit merkwürdigen Hustgeräuschen überraschenden Hund - er hat Krebs, genauer Lungenkrebs. Obwohl es mir schleierhaft ist, wie sich ein Lungenkrebs so urplötzlich und rapide in Aktion treten sollte, um seinen Erzeuger in die (ich hoffe es für ihn, auch wenn er ein kleines Ekelbiest ist) ewigen Jagdgründe zu schicken. Im später folgenden Gespräch, das sie in Trauerschwarz und mit dicker Sonnenbrille bestreitet, kann ich nicht anders, als vom Ganzen berührt zu sein, besonders auch in Erinnerung an unsere verstorbene Familienkatze. Und das trotz der gelangweilt und ihre eigene Agenda (Jungs, Jungs, und: Jungs) verfolgende, im Hintergrund mit verschränkten Armen herumstehenden Tochter, die sich kontrast- und effektreich wieder einmal einen Modetag leistet, der ganz im Zeichen der Farben Kreischpink und Grellblau stehen sollte.

Der zweite Teil des Titel sei aufgeschoben, um einen Buchtitel von Peter Handke zu empfehlen: "Mein Jahr in der Niemandsbucht". Erst kürzlich habe ich Handke wiederentdeckt, obwohl ich doch schon vorher wusste, dass viel Gutes aus Kärnten kommt. Zwar benötigt man doch fast schon eine perverse Lust an der deutschen Grammatik, aber ist erst mal Handkes Schreibstil überwunden und verinnerlicht, findet man märchenhafte Landschaften und etliche Variationen des Menschseins vor. Es tut gut, bei allem Portugiesisch und Spanisch, mal wieder ein Bisschen Deutsch - und was für eins - lesen zu können. :)

Heute steht noch bevor:
Anas (La Espaguesa) Capoeira-Vorstellung im Parcão und danach Cristinas (A Portugnola) Abschiedsfest, das in Form einer Churrascão-Völlerei durchgeführt werden wird.

Leider schaffe ich es nicht mehr an Anas Capoeira-Vorstellung, weil ich mich mit Jiri durch den Riesenkaufhausdschungel schlage, er die etlichen Lederkoffer auf den Schultern, die an den Rändern schon zerfetzte Karte in Händen, ich (von etlichen kleinen McDonalds Glaces für 1.25 R$ gestärkt) die Machete schwingend.

Cristinas Abschiedsfest wartet mit exzellentem Churrascão auf, wobei ich sagen muss, dass mir beim Anblick des Fleisches fast schlecht wurde. Vielleicht ist jetzt der Moment gekommen, Vegetarier zu werden, im Schlaraffenland des Muskelfleisches? Nachdem wir ihr unsere Abschiedsgeschenke, verdächtigerweise zu 50% aus Schokolade bestehend, überreicht haben, verwandelt sich die Nacht in einen wilden Tanzevent, der bis drei Uhr morgens dauern sollte.
Ich werde Cristina vermissen, ihre scheinbare Naivität, daher Liebenswürdigkeit, und sogar, wenn auch nur zögernd, ihre Art, jeden und alles nach dem Weg zu fragen. Das bedeutet ja immerhin, dass sie einen Weg hat, was schliesslich nicht alle von sich behaupten können.
Jedenfalls: Cristina, boa Sorte em Cadiz! :)

Eine Bemerkung noch am Rande:
Nadine bat mich, euch mitzuteilen, dass sie nun das Bild der Gesundheit darstelle und mit dem sterbenden Schwan, der im Blog porträitiert wird, nichts mehr gemein hat. Diese Aussage stammt von letztem Freitag. Kann also gut sein, dass sie mittlerweile schon wieder das Grubersche Drüsenfieber o.ä. aufgeschnappt hat. ;)

(Bitte beachtet dazu auch den Kommentar, der zusammen mit dem Blog in einen Running Gag ausarten könnte ;) )

Mittwoch, 22. September 2004

SPLOASH!

Der Titel weist auf das heutige Geräusch des Tages hin.
Überhaupt ist der Tag dem wichtigsten Element gewidmet: Dem Wasser.

Es regnet. In Sturzbächen. In Strömen. Es ist, als wären die Wolken so schwer, dass sie sich notfallsmässig und vielleicht nach einem letzten verzweifelten Mayday! direkt und komplett auf die Erde herniederstürzen!

Kurz nach dem Aufstehen begutachte ich den ehemals leicht feuchten Pullover, den ich gestern Nacht hoffnungsvoll zwecks kompletter Trocknung an die Wäscheleine gehängt hatte. Mittlerweile ist er nun schon fast nass.
Leicht demotiviert, aber immer noch guten Mutes begebe ich mich Richtung Kü-- *SPLOASH* Und da ist es auch schon, das Geräusch. Gleichzeitig ist das erste Opfer des berüchtigen, über Nacht wachsenden See des wogenden Todes in unserer Küche, erkoren. Mit Blick nach oben frage ich mich, ob die Löcher in der Decke vielleicht doch ein kleines Bisschen grösser geworden sind? Mit Blick nach unten schätze ich unsere Versuche, die Gewässerbildung in unserer Wohnung einzudämmen, als mangelhaft bis ungenügend ein. Immerhin kann die kleine Plastikkiste, in strategisch günstiger Position als heldenhafter, wenn auch dem Untergang geweihter Versuch gewertet werden.
Ich begebe mich einigermassen motiviert in Richtung des Ortes, an dem ich immerhin freiwillig mit Feuchtigkeit in Berührung kommen will, der Dusche. Dies äusserst erfolgreich, denn mir gelingt die Gratwanderung zwischen Menge und Wärme des Wassers perfekt. So gut, dass ich beim folgenden Versuch, meine Socken im 1 cm tiefen, vor drei Tagen gegründeten "Lago Ducha" einigermassen trocken zu halten und sie gleichzeitig unfallfrei über meine Füsse zu stülpen, eine - so denke ich - broadwayreife Stepp Nummer hinlege.

Soweit, so gut. Beim Hinausgehen noch eine letzte Kontrolle des Pullover: 98% Wasser, 2% Polyamid.
Auf Konfrontation mit einem zu mächtigen Element, beisse ich auf meine Zähne und trete, die Kaputze montierend, vor das Haus. (Im Wissen freilich, dass meine "Trilhas & Rumos" Outdoor-Jacke höchstens 3 Minuten durchhalten wird) Den Rio Grande, der sich an Stelle der Strasse ergiesst schaffe ich unter Aufgabe meines rechten Schuhs (d.h. der Trockenheit davon) zu überqueren.
Triefend erreiche ich die Busstation - und wundere mich: Weshalb halten die wartenden Personen ihren Schirm horizontal nach vorn? Ein zuvorkommend höflicher Taxifahrer gibt mir unkompliziert und direkt Antwort, indem er sein Taxi durch die vor der Station liegende (wartende?) Pfütze steuert. Ist es besser, nach hinten in den Regen zu springen, oder stehen zu bleiben? Eine Antwort darauf scheint nicht einfach. Ich bleibe stehen, und hoffe, dass eine bessere Flüssigkeitsverteilung (oben UND vorn) später im Labor auch besser trocknet. Der Wetterbericht zeigt mir, dass weitere Feldversuche in den nächsten Tagen gut durchführbar sind.

Brasilien, meine Damen und Herren. Land der strahlenden Sonne, der pulsierenden Urwälder, und der Tangas. Solange sie nicht nach Rio Grande do Sul kommen...

Immerhin ein Lichtblick: Basketball!