Doch bevor es dazu kommt und scharenweise Polizisten den Tatort per gelb-schwarzem Leuchtband umzingeln, damit eifrige Detektive in dieser künstlichen Arena einige Salven trockenen Humors abfeuern können, um die natürliche Rangordnung alter, erfahrener, aber müder Detektiv über jungem, unerfahrenem, aber ehrgeizigem Detektivanfänger zu bestimmen... :)
Eine kleine Beschreibung. Irgendwo im riesigen Bauch des siebenstöckigen Sportkomplex' (wir erinnern uns) befindet sich der zweistöckige Kraftraum. Schon auf dem ersten Stock erwarten den sündigen Churrascão-Geniesser ein Arsenal an Foltermaschinen, das jeden Inquisitor zu Tränen der Freude rühren würde. Neben jedem Gerät befindet sich eine kleine Skizze der Position des hier trainierten Muskels und dessen Namen auf Portugiesisch. Trotz der sprachlichen Probleme bin ich mir sicher, dass ich manche der gezeigten Muskeln auch auf Deutsch noch nie gesehen habe. (Aber schon demnächst würde ich sie kennenlernen, im dichten Dschungel der Unbenutztheit: "Dr. Flexor-Icosazeps, I presume?") Zusätzlich sind noch in Glaskästen Velo- und Aerobicraum untergebracht. Das ganze wird "musikalisch" von einer kleinen Musikanlage untermalt, die uns vermutlich (ich spreche kein Techno) mit motivierenden Parolen quäkend eindeckt.
Etwas verloren stolpere ich vor den beeindruckenden Maschinen hin- und her, bis mich schliesslich Alexander, der einzige Englisch sprechende Trainer, findet. Er bittet mich, noch 5 Minuten zu warten, während mein Trainingsplan zusammengestellt wird. Trainingsplan? Auf meine Frage, ob er den zusammenstellt, weist er stumm auf eine kleine alte Frau hin, die in der Ecke über ein Blatt Papier gebeugt schreibt. Manchmal schiebt sie die Brille etwas über ihre Nase und hält einige Fotos nahe vors Gesicht. Mein erster Impuls ist es, innerlich zu kichern, aber etwas hält mich zurück. Ist es Alex' respektvolles Verhalten? Beobachten wir hier die erste Fitnesstrainerin Porto Alegres, ja gar Brasiliens bei der Arbeit? Wohnt sie mit ihren drei Lieblingsmaschinen (Quadrizeps, Abdominalis, und Fingerbrecher) in einem kleinen Häuschen, und nur wenn ein Fall von gröberer Miss-Haltung vorliegt, ruft man sie, damit sie ihre jahrzehntelang angesammtelte Weisheit auf das vor ihr liegende weisse Blatt strömen lassen kann? Ich weiss es nicht, aber schon nach zwei Minuten ist sie fertig, schaut mich über den Brillenrand an, lässt die Brille schliesslich an einer um den Hals geschlagenen Schnur hängen, und reicht Alex wortlos - aber nicht ohne ein kleines Grunzen - das Ergebnis ihrer Arbeit. In schönster (ich würde fast sagen, antiker) "Schnüerlischrift" stehen da die Namen der Maschinen, in deren mächtigen Pranken es sich zu werfen gibt.
Da dies heute mein erster Besuch im Krafttraining ist, werde ich die ganze Zeit von einer Trainerin, "Shila", begleitet. Dies aber erst nachdem ich einem ziemlich amüsanten Ringkämpfchen zwischen ihr und Alex beiwohnen musste. (Der Grund dafür ist, dass sie sich für ihr nicht vorhandenes Englisch schämte, und sich daher zierte, mich zu trainieren. Das, oder der neuentdeckte Pickel auf meiner Nase. ;) ) Trotzdem verstehen wir uns ziemlich gut - sie bringt mir ziemlich viele Brocken Portugiesisch (das berüchtigte Portugiesisch der Krafträume, z.B: "Mais Pesos?") bei, und ich zeige ihr, was "Fuss", "Füsse", oder "Knee" auf Englisch heisst ("Fut", "Fiz", "Niiiii?", so ihre ersten Versuche).
Als Erstes geht es in den zweiten Stock, der mit Laufmaschinen gefüllt ist. 10 Minuten bei 6 km/h, so der Befehl. Doch kaum ist sie verschwunden, kann ich dem lockenden Ruf der sich vor mir befindenden Knöpfchen und Anzeigen nicht widerstehen. Schliesslich kann ich 6 km/h auch auf einer ordinären Landstrasse haben. "Volle Kraft voraus!", rufe ich quasi ins Messingrohr, der Maschinist antwortet prompt, und ich fliege mit 15 km/h über die endlose Ebene dahin, die komplett aus schwarzem Gummi zu bestehen scheint. Für 5 Minuten ist das ziemlich befriedigend, das Muskeln kontrahieren, der Mensch japst. Dann aber entdecke ich den "Elevation" Knopf, der den Schweizer in mir wachruft. Ausdauernd (und vermutlich breit grinsend) lasse ich den Zeigefinger auf dem Knopf verweilen, bis die endlose Gummiebene endlich heimatliche 25° in den Himmel zeigt. Der Ausflug in die Schweiz wird aber dann hinterhältig von der eingestellten Steigung, der Geschwindigkeit, und sogar meinem eigenen Körper vereitelt. Not really "Jerome, Jerome, the Metronome" (siehe "Gattaca"), am I? ;)
Genügend erniedrigt, ich meine, aufgewärmt trete ich zum Training an. Shila ist äusserst nett, nur verfügt sie über diese riesigen traurigen Augen, die sie jedesmal einsetzt, wenn ich das Gewicht erhöhen will - und so beginnt mein Training äusserst unfulminant. Eine voll qualifizierte Fitnesstrainerin schaut einem 1/35 qualifizierten Muskelpaket zu, das Seile hin- und herzieht. (Mittlerweile habe ich das Gewicht und die Dauer gnadenlos erhöht - Kameraschwenk zu noch riesigeren, traurigeren Augen ;) ) Dennoch ist es witzig, die Zeit vergeht vor Allem damit, dass sie mir klarzumachen sucht, dass mein Knie nicht "Cabeça" heisst. Und, zu meiner Überraschung, befindet sich mitten im Kraftraum ein Gratis Mate Tee Becher, der zur freien Verfügung steht! (Und wer könnte *dem* widerstehen? Nun, ich würde sagen, die gesamte zivilisierte Welt, aber wir wollen mal nicht so sein. ;) )
Am Nachmittag überrascht uns dann die Lehrerin damit, dass wir einzeln nach vorne gehen müssen und sie uns mit einem unregelmässigen Verb in Grundform überrascht, das wir im Präsens konjugieren müssen. *gulp* Ich gehe mit wehenden Fahnen unter, als ich das Verb "poder" zwar glorios und locker konjugiere, dann aber bei "Eu ..." versage. Ist es posso? Neeeein, das ist doch Italienisch! Oder doch? Hmmm... (Tatsächlich - posso)
Eu posso
Tu podes ("podschis")
Voce pode ("podschi")
Nós podemos
Voces podem ("podeng")
Mittwoch, 11. August 2004
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