Nach zwei Tagen unerträglichen Lockrufs des nur etwa 100 Meter entfernten Strandes entscheiden wir uns endlich, uns in das (wie uns von anderen Gästen berichtet, mindestens kinderbadwarme, aber zum Glück ungelbe) Nass zu stürzen. Aber natürlich nicht etwa gleich vor dem Haus, nein - vielmehr brausen wir 50 km nach Norden, nach Praia do Forte. Was nicht etwa, wie von mir erst vermutet "Strand der Stärke" (Filmschnitt zu angestrengt grunzenden Muskelmännern und kichernden Aerobicmädels, die mit mitleidigem, fast verächtlichem Gesichtsausdruck den grinsend vorbeiflanierenden Flo unbeachten) bedeutet, sondern "Strand des Forts". Das zum Strand passende Fort befindet sich 2 km im Landesinnern und gehörte ehemals der Familie Magalhães. Soviel ich weiss, war dies eine der ersten Adelsfamilien, die eine der 15 Capitanías (Ländereien) vom König von Portugal zugewiesen bekam.
Ratet mal, wie gross die Scheibe Brasilien war, die dieser Familie zugewiesen wurde?
800'000 Quadratkilometer.
Könnt ihr euch etwas darunter vorstellen? Nun, sei nur gesagt, dass die Schweiz etwa 19 Mal drin Platz hätte. Für Deutsche: Bisschen mehr als zweimal (!) die Fläche Deutschlands...
Diese Familien übrigens besitzen immer noch sehr grosse Ländereien (Bahia soll quasi einer Familie gehören) und bestimmen immer noch stark die Politik, sei es mit Bestechung, geschäftlichem Unter-Druck-Setzen oder freizügigem Party-Spendieren - oder anderen amüsanten Mafiahobbies. Doch zu diesem dunklen Kapitel der Brasilianischen Politik ein ander Mal.
Das Dorf "Praia do Forte" ist wie ein kleineres Städchen aus dem mittleren Westen von Nordamerika angeordnet, zirka 1830. An einer direkt zu einem Meeresschildkrötenprojekt (TAMAR) führenden Strasse klebt links und rechts Ladenfassade um Ladenfassade. Manchmal stellt sich ein mutiger Dorfbewohner uns in den Weg, die Hängematte ("Só 8 pila!") bedrohlich an der Hüfte aufgehängt, die Hand in Warteposition. Eine Sonnenbrille, vielleicht?
Wir lassen sie alle unseren Staub schlucken. :)
Es folgt ein Besuch bei den Meeresschildkröten, über welche ihr euch bei obigem Link zur Genüge informieren könnt. Beeindruckend war die weltgrösste Meeresschildkröte, die gut und gern etwa 2 Meter gross wird, und genug Gewicht, um kreuzende Fischerböötchen mit einer Flossenzuckung über die gefürchtete Meereskante zu wischen (750 kg).
Den Nachmittag verbringen wir vor Allem damit, an dem dortig vorhandenen tropischen Ferienbroschüren-Traumstrand in der fast senkrecht über uns sengenden Sonne zu brüten, im ruhigen Meer zu liegen und die perfekte V-Formation der verblüffenden, über uns hinwegbrausenden Armeehelikopter zu bestaunen. (Links und rechts von uns werfen sich vietnamesische Touristen in die vorbereiteten Löcher ;) )
Beim Rückweg besteigen wir vielleicht etwas naiv einen Kleinbus, nachdem ich mit dem Ausrufer den Preis wie folgt bestimmt hatte: "Quanto?" - '"Cinco." - "Cada um?" - "Não." - "Cinco total?" - "Sim." Im Bus dann aber will er trotzdem je 5 Reais von uns, die wir ihm zähneknirschend übergeben. Nichts gegen Entwicklungshilfe, aber dann doch lieber in Form von freiwillig überreichten Reissäcken und Wasserpumpen... ;)
Andere potentielle Reisende, die erst hoffnungsvoll den ohnehin schon überfüllten Kleinbus stürmen, verlassen ihn kurz danach kopfschüttelnd, als sie erfahren, dass es sie 2 Reais kosten würde. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass wir zuviel bezahlen würden... *g*
Donnerstag, 4. November 2004
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