Montag, 8. November 2004

Fortaleza

Der Flug nach Fortaleza dauert schlappe 2 Stunden - und fliegt, im Gegensatz zu den bisherigen Flügen, tatsächlich direkt und ohne Firlefanz zu unserem Ziel: Fortaleza!

Auf dem Flug verschlinge ich eines der vielen, auf dem exzellenten Flughafenbuchladen eingekauften Bücher ("The 39 Steps" von Buchan), und wundere mich nebenher über zwei Konstanten im Brasilianischen Flugverkehr:
A) Die TAM Flugzeuge sind viel moderner als die der Varig (Leiser, bequemer, ...)
B) Die Varig Stewardessen sind schöner, und das Varig Essen ist besser als bei der TAM
Dies nur als Einkaufsführer für den reisebewussten Mann. ;)

Vor dem Anflug zeichnet unser (altes) Flugzeug (mit den schönen Stewardessen) eine lange Kurve über der Stadt und entblösst das Ergebnis einer etwa 30 Jahre zurückliegenden, schweren Kollision zwischen Tourismus und kleinen Dörfern, die zufällig an wunderschönen Stränden liegen: Kurz hinter den Stränden zanken sich Hochhaus um Hochhaus um die Gunst von tausenden Strandsüchtigen. Dahinter liegen Restaurants und das Nachtleben wartet geduldig darauf, wachgeküsst zu werden. Ich als doppelmoraliger Tourist, der den geballten Tourismus verabscheut, nenne die Stadt kurzerhand "Feialeza" ("Hässlicheza"), und schaudere leicht, als mir klar wird, hier mehrere Tage verbringen zu müssen...
[Meldung aus der Zukunft: Aber es kommt alles weniger schlimm als gedacht]

Unser Ziel liegt räumlich fernab der Hochhäuser, beim Betreten könnte man meinen, dass das auch zeitlich zuträfe. In der Reception setze ich mich auf das altmodische Ledersofa, das mich sogleich in die Arme nimmt, anscheinend in der Absicht, mich länger nicht loslassen zu wollen. Der Geruch von altem Papier hängt schwer in der Luft. Die Wände voll von Bildern: Alte Schriften, Lincolns Rede ("Four Score and ..."), hinter mir ein Ausschnitt aus der Bibel. Wäre es Nacht, so würde sich ein mich beiläufig beobachtender Passant in einem Gemälde von Hopper wähnen.
Das Bild wird schliesslich von "Herrn Bellardo" (O-Ton Paps) komplettiert, ein langsam zum Schreibtisch wackelnden, und sich schliesslich mit einem leisen Ächzen in den Sessel (ver-)senkenden älteren Herrn, der uns auf Deutsch anredet, ab und zu aber ein Französisches oder Englisches Wort einwirft. Seine Frau erklärt mir kurz danach, dass er Portugiesisch, Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch, und Russisch fast fliessend beherrscht. выразительный! :) (Mascha fram Rascha möge mich korrigieren)
Ebenfalls unser Zimmer. Langsam setze ich mich auf mein knirschendes Bett, beäuge die alte Klimaanlage, und entdecke, dass unser Fernseher, Brasilianisch undenkbar, nicht über Kabelanschluss verfügt. Ein Durchzappen eröffnet mir, dass von den 7 Sendern, die erreichbar sind, einer von Unfällen handelt, zwei von Soaps verseucht sind, drei weitere Aerobic- und Modesendungen ("Ich bin hässlich, TV Moda macht mich blen-dend schön!") zeigen, und einer dem schon erwähnten "1 dicker Showmaster, 20 linde Frauen im Hintergrund"-Ideal nacheifert. Später entdecke ich dann noch das absolute Fernsehjuwel: Ein Moderator, der sich vor der Kamera durch "Isto é Gente", einer Prominentenzeitschrift durchblättert - mit durchwegs trockenen, daher für mich umso amüsanteren Kommentaren! :)

Als Touristenstadt behandelt Fortaleza - und alle Bewohner, dazu später - das Thema "Sicherheit" bevorzugt. Schon der Hotelbesitzer warnt uns vor, im Falle eines Überfalles immer schon bereits gefaltete 20 bis 50 Reais dabeizuhaben, die wir dann ohne zu zögern dem verblüfften Dieb überreichen können. Im Hotelzimmer dann ein kleines Heftchen von der "Polizei Spezialeinheit Tourismus", die uns einige Verhaltensregeln vorschlägt, die helfen sollen, überfallsfrei zu bleiben. Merkwürdigerweise ist das Ding nicht im nüchternen Ton verfasst (z.B: im Umgang mit Schlafdrogen in Drinks: "You Snooze, You Lose!"), sondern leuchtend BUNT! und mit lachenden Smileys gefüllt, was mich leicht an die Stelle in Fight Club erinnert, wo die Flugzeugpassagiere mit der Glücksseligkeit von Hindu-Kühen ihrem sicheren Untergang entgegenblicken.


Mit einem mulmigen Gefühl betreten wir die Strassen von Fortaleza, merken dann aber, dass es sich hier nächtlich wunderbar wandeln lässt...

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

wenn du "beeindruckend" meintest, hat dein online-uebersetzer gelogen

выразительный! :) heisst ausdrucksstark

(mascha fram rascha)

Florian Hanke hat gesagt…

Auf Mascha kann man zählen.

Muss sagen, "ausdrucksstark" ist sogar noch besser, als mein "beeindruckend"!