Dienstag, 19. Oktober 2004

Iguacu Brasilien

Um 19:15 setzen mein Vater (Anm. d. Red.: "Papi"), Aninha, und ich zur grossen Reise an, die uns kreuz und quer durch Brasilien führen sollte, von den tosenden Fällen des Iguaçu, dann Florianópolis, São Paulo, durch die vor Tieren strotzenden Ebenen des Pantanal, mitten ins Geschehen von Salvador, in dem Tag und Nacht die weckenden und zugleich einschläfernden Geräusche des Birimbau (sp?) von den Wänden widerhallen, forsch weiter nach Fortaleza, mit einem Überfluss an Stränden geschlagene Metropole des Nordostens, bis schliesslich - über Brásilia - Manaus, wo wir uns gegen Horden von rauhbeinigen Moskitos zur Wehr setzen müssen.

Aninha, für die, die sich nun fragen, ist übrigens die Puppe, die Ana vermutlich mit Absicht in unserer WG zurückgelassen hat. Wir nehmen sie nun mit auf unseren Teufelsritt, um ganz im Sinne Amelies in unsere Fotos einzubauen. Das Motto dazu lautet: "Ein Foto mit einer debil grinsenden Puppe ist mehr wert als ein Foto mit zwei debil grinsenden Männern" (oder so) ;)

Die Busfahrt im sehr komfortablen "Executivo" verläuft dank der von Papi mitgebrachten High-Tech-Ausrüstung weitgehend im Tiefschlaf. Samtene Augenbedecker und aufblasbare Nackenkissen kann ich mir nun fast nicht mehr aus dem Leben eines Busreisenden wegdenken. Eine Ausnahme sind bei mir die Oropax, die mein Vater benötigt. Dank dem 14-wöchigen Aufenthalt in "Gulag Suele I", pardon, "L´Auberge Brasiliaine" (vier bis fünf Sterne in meinem Taschenführer für krankheits- und lärmresistente Studenten ohne jegliche Ansprüche) bin ich auf knallharte Holzmatratzen mit einem Milimeter Schaumstoff, und um auf die Oropax zurück zu kommen, musikalische Nachtwächter, Hundechöre, Michael & Anas Schnarchduette, und sogar die drohende Zunahme energiegeladener räudiger, damit lautstarker Katzen getrimmt. Ich frage mich sehr, ob ich wohl im ruhigen Zürich, wo mich eine 20cm starke Kamelhaarmatratze erwartet, noch schlafen kann, oder ob ich Mittnachts schweissgebadet aufwache, die Stille in meinem Zimmer als "Bin ich im schon tot?", die fluffige Weichheit unter meinem Rücken als Wolke interpretiere? Obwohl, erfahrene Kenner meines Zimmers würden hier anmerken, dass eher eine der 7 Stufen der Hölle dafür Vorbild war.

(Ich schreibe diese Zeilen am 22., nach einer speziell lustigen Nacht, nur leider durchwacht, was meinen momentan vielleicht etwas exzentrischen Schreibstil zu erklären beginnen vermag)

Apropos Bustyp "Executivo". Ein paar kleine Anmerkungen zum Busreisen in Brasilien. Dies ist der preislich vorteilhafteste Bustyp, meiner Meinung nach. Wenig Geld spart man generell, wenn man auf den "Conventional" oder "Commum" umschaltet, dafür gewinnt man umso mehr an Rückenschmerzen und (in wachem Zustand) erlebtem Abenteuer. Es gilt hier also abzuwägen. Der "Leito" oder "Double Class" ist mit Abstand der bequemste, kostet allerdings auch locker das Doppelte vom Billigsten. Dafür wartet dieser mit fast waagerechten Betten u.ä. auf. Im "Executivo" keine Betten, dafür immerhin eine bequeme Fuss- und Beinstütze. Ist Geld kein Thema, kann ich den "Leito" vollumfänglich empfehlen. (Oder ein Flugzeug, latürnich)

Zu den Iguaçu Fällen in Brasilien nur soviel: Die einiges mehr als eine Million Liter Wasser pro Sekunde, die über zirka 225 Fälle die Steinkante hinunterhupfen, sind trotz meines zweiten Besuchs immer noch eine Pracht, und beeindruckend anzusehen. Ich wünschte mir nur, ich würde mir etwas mehr als die 2 Milisekunden geben, bevor ich den Moment per Digitalkamera zu erhaschen suche. Das wird besonders dann spürbar, wenn Papi und ich schon bevor wir die Fälle auf der Argentinischen Seite erblicken, über die genaue Positionierung der Panoramafotos diskutieren. Wenigstens drängte es mich nicht, die Erfahrung gleich jemandem per Handy mitzuteilen.

Uns blieb noch etwas Zeit, um den quasi gleich neben dem Eingang zu den Fällen liegenden Vogelpark zu besuchen. Anfänglich nicht sehr imposant, steigert sich der Park allmählich über grössere Gehege und prächtigere Vögel, bis hin zu einem frei besuchbaren Gehege, das sich kurz danach als Arena à la Kolosseum entpuppt. Das Handgemenge (oder soll ich sagen Flügelgemenge?) mit einem sich in den Untiefen eines Blutrausches befindlichen Papagei (eine Vermutung, ich sah nur ein wirbelndes grünes Etwas) geht zur Halbzeit 1:0 für den Papagei, schliesslich aber 2:1 für mich aus, wobei der moralische Sieg dem Viech zugesprochen wird, kann es sich doch in seiner mutmasslich mit menschlichen Überresten gefüllten Höhle an Fetzen meines Ohrs gütlich tun. (Nicht ganz, aber so hat es sich angefühlt)

Kurzmeldungen, um diesen Riesenpost sicher zu einem Ende zu führen:
- Fälle Vorbild für Toilette (Modell "Tosender Donnerstuhl") in Hotel.
- Die Suche nach dem Deutschen Taxifahrer endet bei triefend schleimigem Typen, der uns billige Elektronik, Drogen, und Frauen (Mulheres) verkaufen will. (Wir lehnen dankend ab, und flüchten subtil)
- Erreichen doch noch den Taxifahrer, der mich mit der Bemerkung, er könne etwa so gut Deutsch wie ich, minimal beleidigt.
- Es ist doch eher beunruhigend, im Bett neben sich eine grinsende Puppe im Halbdunkeln zu erblicken. Flüsterte sie nicht gerade eben etwas auf Spanisch zu dem Monster unter dem Bett? ;)

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Das sind keine Monster unter dem Bett sondern ganz viele, viele kleine rot bemützte Zwerge ;-)