(Oder auch Fussball)
Heute fühle ich mich erneut ziemlich schwach, und entfliehe der drohenden Krankheit unter meine Bettdecke.
Gleichzeitig bemerke ich ich, dass meine Rückenschmerzen, die zu Hause doch recht häufig auftreten, vielleicht nur Magenschmerzen sind, die am falschen Ort weh tun, so merkwürdig es sich anhören mag...
Ein kleiner Krankheits-Buchtipp nebenbei:
"Futebol - The brasilian way of life" von Alex Bellos. Kann ich jedem wärmstens empfehlen, der sich ein kleines Bisschen für Brasilien interessiert. Vordergründig handelt es von Fussball, aber da Fussball hier (weniger in Porto Alegre als im Rest von Brasilien) stark mit dem Leben der Brasilianer verknüpft ist, erfährt man auch darüber einiges. Das Buch ist voll von Schicksalen, wie das von Torhüter Barbosa, der im Weltcup von 1950 im Maracanã Stadion von Rio das 2:1 von Ghiggia nicht halten konnte und seither gemieden wurde. Für alle in dem praktisch 200'000 fassenden Stadion (theoretisch weniger) war damals klar, das nur Brasilien gewinnen konnte. Das Buch erzählt von tränenreichen Heimfahrten, und dem kollektiven Schock einer jungen, aufsteigenden Nation, der noch bis 1958 andauern sollte. (Sogar bis heute, wurde doch z.B: Ghiggia am Flughafen von einer 24-jährigen Zöllnerin angehalten, die ihn mit den Worten, dass "die Herzen der Brasilianer noch heute weinen", weiterwinkt.) Interessant auch, dass es den Uruguaianern einigermassen egal war, während die Brasilianer so darin "aufgegangen" sind.
Das Buch handelt aber auch von Garrincha, dem dribbelnden Wunderpartner von Pelé mit den verbogenen Beinen, der zwar fussballerisch Spitze war, aber mit Geld und Buchstaben nicht umgehen konnte. Die Spitzenfussballclubs nützten ihn jahrelang aus.
Apropos Ausnützung, auch davon erfährt man viel. Zum Beispiel, dass die meisten Profifussballer nur etwa 500 Reais (~200 Franken) pro Monat kriegen, während die Präsidenten in Saus und Braus leben usw. Generell Korruption der Obrigen.
Aber auch etliche skurrile Details werden behandelt. Die Candomblé (oder was auch immer für eine Religion, es braucht hier ja nur 3 Leute, um eine Religion zu gründen) Priester, die Frösche zwecks Fluch auf gegnerischen Plätzen begraben, solche, die Stiere schlachten, um eine z.B: von Fröschen hervorgerufene Pechsträhne zu beenden. Oder wie genau Fussball und Religion verknüpft sind. Oder der Einfluss des Fussballs auf die hiesige Politik.
Oder Autobol, Fussball mit einem 1,2 Meter grossen Ball und Autos, die ihn herumschubsen. Futsal, in der Halle, mit 5 pro Seite. Futvolley. Transvestitenclubs. Knopffussball. Beachfussball, anstrengende 3 x 12 Minuten, von Fernsehstationen eingeführt, um eine Stunde zu füllen, mit praktischen Werbepausen. Schlammfussball. Dschungelfussball, bei dem man, wenn man einen auf dem Feld herumstehenden Bäume trifft, in eine saure Limone beissen muss. Die unglaubliche Ausdauer der Indiofussballer (und auch ihre unglaubliche persönliche Freiheit, die sie manchmal mitten im Spiel aufs Klo gehen lässt, z.B: mit dem Ball). Die Fussballturniere von Amazonien, die parallel mit Schönheitswettbewerbe der Klubschönheiten einhergeht. (Jeder Klub hat eine weibliche Schönheit, die, wenn sie gewinnt, ihr Team wieder ins Turnier reinbringen kann, sollte es zu früh herausgefallen sein) Oder die Spitznamenkultur hier, dass z.B: Fussballer mit Spitznamen angeredet und gekennzeichnet werden. Die Erfindung des "Goooooooool" Rufs, der daher rührt, dass der damalige bekannte Kommentator kurzsichtig war und sich Zeit verschaffen wollte, bis ihm sein Assistant vor Augen hielt, wer denn genau das Tor geschossen hat. :) Seither hat es sich in ganz Südamerika verbreitet.
Ich persönlich halte Fussball immer noch für einen Sport, um den zuviel heisse Luft weht, und dass die meisten verrückten Fussballfans lieber selbst Fussball *spielen* und sich einen besseren Lebensinhalt suchen sollten. Aber in Brasilien ist der Sport ziemlich wichtig, denn Fussball bedeutet Kitt zwischen den verschiedenen Klassen und Kulturen.
Also: Für jede(n) Brasilieninteressiere(n) - ob Fussballfan oder ganz und gar nicht - sehr empfehlenswert, unterhaltsam und belebend. :)
Bonuspunkte des Tages gehen übrigens an Andri, der mit der Bemerkung "Gibt es ein Executive Summary deiner Geschichten?" meinen Tag versüsst. Ich denke, ein Executive Summary liegt durchaus im Bereich des Möglichen. Sobald ich weiss, was das genau sein soll. Meine Unschuld wurde - zum Glück! - bisher noch nicht vom Managerjargon besudelt. ;)
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