Samstag, 18. September 2004

Montevideo I

Die Zeit ist knapp, Basketball ruft - dennoch, ein kleiner Eintrag der Erlebnisse im Berichtsstil, die in der Ankunft in Montevideo kulminieren, soll nicht vergessen werden...

Party in unserer Küche

Nach einem ausgelassenen Geburtstagsfest von Ana (28!) inklusive Tanzsession in unserer Küche düsen wir um 1:30 los. Ich kann es übrigens immer noch nicht fassen, dass Ana älter als ich sein soll. Als ich sie zum ersten Mal sah, stritt ich innerlich mit mir selbst, ob sie wohl 19 oder schon 20 ist. Nun, wir düsen also los.
Wir sind: Meine WG (Ana, Christian, Mathias) und Cristina, Diana (Las Espagnolas), Marcío und Ana-Maria (Os Brasileiros) und ich, latürnich. Schliesslich noch der Chauffeur und seine niedliche, 10-jährige Tochter, Amanda. Nach etwa einer halben Stunde merke ich, dass meine Platzwahl in der zweiten Reihe in der Mitte sehr unglücklich gewählt ist. Meine langen Beine sind thrombosig unter den Sitz gefaltet, die Klimaanlage (die der Fahrer trotz kaltem Wetter eingeschaltet hat, wie auch durch den Rest der Reise) bläst mir direkt ins Gesicht. Immerhin kann ich dem Gespräch zwischen Tochter und Vater lauschen, das ich - dem limitierten Vokabular der Kinder sei Dank! - fast komplett verstehe. Ich bin ziemlich beeindruckt, dass Amanda bis drei Uhr immer noch nicht gefragt hat, ob wir denn schon da seien. ;)
Um 4 Uhr der herbeigesehnte Platzwechsel mit Ana, der mir unendliche Beinfreiheit verspricht, während sie sich nun mit der hinter ihr sitzenden Diana um marginale Rückenlehnensteigungswinkelsenkungen streiten kann. Vielleicht etwas egoistisch von mir, aber erstens ist der Geburtstag von Ana vorbei und zweitens ist das Leben hart. (Nein, quatsch - sie ist ja auch einiges kleiner und hat darum eigentlich kein Problem)

Etwa um sieben Uhr morgens kommen wir an der Grenze an, wo wir ohne Probleme unsere Pässe vorweisen und durch dürfen. Das heisst, an der brasilianischen Grenze. An der uruguayanischen Grenze entdeckt unser Fahrer, dass man, um in ein anderes Land einreisen zu können, einen Pass dabei haben sollte. Ich gebe zu, dass das Konzept mich als Kind ebenfalls manchmal etwas überfordert hat. Theoretisch heisst das nun, dass wir nicht einreisen können. Praktisch übrigens auch. [Nachricht aus der Zukunft: Der leicht säuerliche Schreibstil übrigens rührt daher, dass ich damals ebenfalls leicht säuerlich gestimmt war] Obwohl die Hoffnung existiert, dass das brasilianische Konsulat im nahen Grenzdorf dem Fahrer einen Notpass austellen kann.
Was nun folgt, ist eine kleine Lektion, was passiert, wenn man nach dem Weg fragt, wie es die spanische und brasilianische Bevölkerung des Busses unter dem gequälten Aufheulen der versammelten Mitteleuropäer tut. Und zwar wiederholt. Fragen wie Aufheulen.
Ich habe mittlerweile herausgefunden, dass es am Besten ist, etwas jüngere, gepflegt aussehende Menschen zu wählen, die einem nach einem unmerklich kurzen Nachdenkintervall antworten. Sollte sich nach der Frage eine kleinere Pause einstellen, kann man die Antwort getrost vergessen, stellt diese Pause doch die Zeit dar, die das Gehirn benötigt, um das Areal für fantastische Geschichten (Area Münchhausensis) anzuwerfen. Die Antwort an sich ist daher ebenfalls von Interesse: Ist sie knapp ("rechts, dann links") vorgetragen, kann man ihr Glauben schenken. Ist sie etwas länger und beinhaltet Sätze wie ("... dann macht ihr den Zyklopen mit Wein trunken und stecht ihm mit einem Pfahl aus Olivenholz das Auge aus ...") kann sie ebenfalls ignoriert werden.
Der Ruf der Vernunft verhallt aber ungehört und so fahren wir im besten Benny Hill-Stil durch die Gegend. Und finden durch Zufall sogar das am Samstag geschlossene Konsulat!
Wieder zurück zum brasilianischen Grenzposten, und doch wieder zum Uruguayanischen, um einen letzten Versuch zu starten, diesmal auf die südamerikanische Art. Eine halbe Stunde und 50 Reais ärmer, tuckern wir weiter Richtung Montevideo, wo wir nach weiteren, für mich zutiefst entnervenden Frage-Antwort-Verirr-Episoden endlich in der Jugendherberge ankommen.

Der erste Eindruck von Montevideo ist einer einer grauen Stadt. Woher dieser Eindruck genau kommt, ist mir schleierhaft. Ist es die nicht sehr erholend verbrachte Nacht oder liegt es an den oft gelblich gestrichenen Gebäuden in Porto Alegre? Beim zweiten Blick entpuppt sich Montevideo als Stadt voller schöner Gebäude im neoklassizistischen oder Art Deco Stil. (Wobei Buenos Aires dies noch übertrumpfen soll)

Die Nacht ist einem Spaziergang, einigen Pizzas und ziemlich guten Strassensängern gewidmet. Schliesslich einer Tischtennissession bis 2 Uhr morgens...

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