Donnerstag, 22. Juli 2004

Churrascão

Die Nacht (siehe unten) beginnt hier übrigens schon so um 18 Uhr. Um dieselbe Zeit also mache ich mich Richtung "Bett" auf. Doch ich habe die Rechnung nicht ohne die Wachmänner des Supermarkts und ihr hübsches gepanzertes Geldfahrzeug gemacht. Wie bereits erwähnt müde stolpere ich seitlich an Selbiges heran, bis mir der Uniformierte auffällt, der subtil auf seinen bewaffneten Zustand aufmerksam macht. (Pistole an Scheibe klopf) Genauso subtil weiche ich zurück (Die Arme rudern fast unmerklich, das Herz setzt erwartungsvoll ein Sekündchen oder zwei aus). Erst danach bemerke ich die ziemlich grosse Aufschrift auf der Seite: "Nicht dem Fahrzeug nähern!" (was mit meinen momentanen Sprachfähigkeiten mit "Não approxima o vehiculo, Tchê!". Tchê ist ein Kraftausdruck, kann aber für eigentlich alles gebraucht werden, auch als "Kumpel")
Viel sympathischer sind mir die Panzerfahrzeuge hier auf dem Gelände der PUCRS. Nicht nur haben sie die Form einer mittels eines Hammers in quadersche Form gebrachte Blechdose, auch sind sie Rosa und Violett bemalt! Eines Tages werde ich den aussteigenden Wachmännern auflauern: Ich bin sicher, es sind alternde Hippies mit Stirnbändern und Blumen in den Haaren... (d.h. sie sind mindestens so gefährlich wie normaleWachmänner. Anm. der Red.: Aussage gründet auf der Lektüre mehrerer TC Boyle Bücher)

Bevor ich das Haus erreiche, lasse ich mir beim Schlüsselkopierer noch eine Kopie des Hauptschlüssels machen. Der Schlüsselkopierer hat sein Geschäft in einem 80 cm x 120 cm x 195 cm grossen Holzkistchen, das sich so etwa 50 Meter von unserem Haus entfernt befindet. Zwar versteht er kein Wort Englisch, und ich noch nicht genug Portugiesisch (ich verdächtige ihn auch des freien Rumslangens, da ich nun wirklich absolut gar nichts verstehe). Dennoch, er erzählt mir doch ziemlich viel - ich räche mich dafür mit ein paar Brocken Portugiesisch und reichlich Englisch. Irgendwie erinnert mich die Situation an die im Film Ghost Dog - und wir könnten dicke Freunde werden, würde er denn Glaces anstatt Schlüssel verkaufen. :) (Das Kopieren des Schlüssels übrigens inklusive Schlüssel kostet mich 2 Real, d.h. 80 Rappen)

Freudig mache ich mich zur Unterkunft auf. Das erste Hindernis stellt sich sogleich - die Gittertür. Zwar kann ich sie mit dem soeben kopierten Schlüssel öffnen, aber das Kettenschloss ist erstens auf der anderen Seite, und zweitens muss man Gummi-Man als Kollegen haben, oder eine Ausbildung in die geheimen Künste der Chinesischen Schlangenfrauen genossen haben. Es erübrigt sich wohl, zu erwähnen, dass für mich keins der Beiden zutrifft. ;)Andererseits wohnt in mir der unerschütterliche Hauruck-Optimismus eines Schweizers, so dass ich unter einigem Ächzen und Stöhnen es schaffe, den Schlüssel von innen ins Schloss zu stecken, und ihn sogar umzudrehen. Etwas zermürbend ist die Tatsache, dass ich den amüsierten Blick des Unterkunftsbesitzers nur so in meinem Nacken spüren kann.

Schliesslich das Zimmer. Dazu später wie versprochen die Bilder. Wofür ich übrigens 140 Reais hingelegt habe. (D.h. eigentlich hätte es 150 gekostet, aber ich habe in einem Anfall von Zürcherischer Schläue gesagt, ich hätte nur 140 dabei. Szenenwechsel zu Flo, der sich im Supermarkt für die gesparten 10 Real königlich verköstigt :) ) Ich lege mich aufs Bett, das mit meinem Vorgehen nicht wirklich einverstanden ist, und mit einem jämmerlichen Knarren und Knirschen antwortet - eine Inspektion der "Lättli" legt ein Gebastel an Holzbrettern frei, vor dem die Entdecker der göttlichen Bicoflex-Philosophie heulend davonrennen würden. Ich füge meinen Namen den etlichen Vorgängern hinzu, indem ich mich ebenfalls daran mache, das Bett zu verbessern.

Ein Besuch auf dem Klo - zum Glück wurde ich von Kristina davor gewarnt, das WC-Papier ins Klo selbst zu werfen (man faltet die hier und legt sie in den bereitgestellten Abfall) - der besser endet, als ich je erträumt hätte. Endlich lege ich mich um 9 Uhr Abends ins Bett. Völlig übermüdet schaffe ich es knapp noch, die ersten drei Seiten des National Geographic Brasil (auf Portugiesisch) zu lesen und sinke dann zwischen neu gekaufter Decke und zerfetzter "Matratze" (Handgeschnitztes Abenteuer aus Schaumstoff) in den Schlaf.
Dann, um halb drei Uhr morgens werde ich vom Nachbar geweckt, der sich mit Brasilianischen Soap Operas vergnügt. Ich kann euch nur bitten, euch nie sowas anzutun. Nur schon der Ton! Ich kämpfe mich dann zu wirren Träumen zurück, in denen ich als Gaucho ("Ga-UUschooo") über die Steppe reite und mit meinem tödlichen Bart des Todes alle Kakteen, die mich in Soap Opera Stimmen anreden, bärtig zu Boden barte.
Um 4 Uhr dann ertönt irgendwo ein Wecker (*üüÜÜüü üüÜÜüü üüÜÜüü*), dessen Batterien bis 5 Uhr reichen. Den Kopf in die Decke gehüllt verdamme ich alle starken Batterien und stelle mir vor, wie Heerscharen von pinken Duracell-Häschen trommelnd, lemminggleich ins Meer stürzen...
Um 7 Uhr gebe ich jegliche Illusionen auf einen tiefen, gesunden Schlaf auf, und mache mich zur Dusche auf. Die Dusche wie erwähnt ein Durchlauferhitzer, der an der Wand befestigt ist. Meine Dusche ist das simplere Modell, bei dem der Erhitzer deaktiviert wurde. Ich entscheide mich also für eine Katzenwäsche und mache mich auf in Richtung Labor. Der Weg ist nicht wirklich eine Beschreibung wert, aber die Umgebung ähnelt dem, was man so in Filmen über Mexico gesehen hat. Was ich nicht weiss, ist, dass ich auf der Slum-Seite des Flusses gehe, vor der mich danach alle warnen... (Erinnerungen an eine durch und durch naive, aber spannende Busfahrt in die Mitte von Los Angeles werden geweckt)

Das Labor! Ganz kurz - später mit Fotos.

Felipe Falcão - Research Assistant. 25.
Gustavo - Ingenieur? Irgendwo in den 20ern.
Maaaaario - Italienischer Abstammung. Unterhalte mich mit ihm auf Italienisch. Tennisspieler. Feinmechaniker. Etwa 50.
Carlos Schossler - Deutscher Abstammung. Kann leider kein Deutsch. Feinmechaniker.
Eduardo - Optiker.
Steiger - Optiker.
Coelho (der Hase) - Pilot.
Fonseca - Tänzer, Sänger, und Pilot.

Später mehr zu den Leuten, was sie machen, und so weiter. :) Jetzt aber endlich zum Titel des Eintrags!(Ich halte mich aber etwas kurz, damit ich eine Chance habe, meinen Rückstand aufzuholen) Abends sind wir bei Felipe zu Churrascão ("Churras-cu") eingeladen. Vegetariern sei nahegelegt, ihre unschuldige junge zu ermordende Karröttchen gewöhnten Augen ;) keusch abzuwenden. Denn was jetzt kommt - es ist nicht schön, das kann ich euch sagen.

Anleitung für ein Churrascão:
1. Man begebe sich in einen Supermarkt und kaufe sich für horrend tiefe Preise möglichst viel Fleisch. Das Fleisch soll bestehen aus möglichst vielen verschiedenen Typen. D.h. Filet, Hohrücken, usw usw. und zum Schluss noch eine Packung Hühnerherzen mit etwa 100 Herzen.
2. Wenn man will kann man noch aus Alibigründen ein, zwei Chipspackungen und Brot kaufen.
3. Bier (Hat hier übrigens recht viele deutsche Biere - und wenn sie nicht aus Deutschland kommen, so heissen sie immerhin "Bavaria" o.ä.)
4. Das Fleisch wird am Zielort ordentlich mit Salz eingestrichen, die Hühnerherzen in einer Salz/Zitronensaft/Bier-Mischung eingelegt, und schliesslich auf einen mächtigen Grill eingelegt.

5. Man warte 1 Stunde und knabbere dabei am Brot.
6. Das Massaker beginnt...

Unser Churrascão endet dann damit, dass Fonseca unbedingt will, dass die Spanischen Austauschstudenten (Santiago und Christina - zu den Beiden später mehr) zusammen Flamenco tanzen. Der Abend endet dann damit, dass ich Christina Tango beibringe, Fonseca perfekt Flamenco tanzen kann und sonst generell alle mehrere Gedanken an die baldige Flucht verschwenden. Leider habe ich davon keine Fotos, aber ich kann euch sagen, es ist besser so. (Quatsch - beim nächsten Churrascão gibt's Fotos!)

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