Heute erlebe ich sowas wie einen durchschnittlichen Tag - rückt also näher und hört mir zu...
*psst flüster wisisisispssst*
Näher!
Danke. *g*
Nochmals: Wie üblich wache ich so um 7:00 auf, und versuche gegen die extreme Kälte ausserhalb der Bettlaken und meinen inneren Schweinehund anzukämpfen. Um 7:30 gewinne ich den Kampf und trotte siegreich Richtung Dusche, die Tatsache, dass sie immer noch kalt ist, vergessen. Die Dusche ist aber sehr zuvorkommend und unterrichtet mich sofort über dieses Faktum. Die Zähne zusammengebissen übe ich mich in Haar-Zen, zur Entspannung: Kaltes Wasser ist gut für Glanz, Spannkraft, und Elastizität eines kräftigen Haars (x20). Dies lässt mich die irrsinnige Kälte für ein, zwei Minuten aushalten. (Obwohl natürlich der Stress mindestens die halbe Haarpopulation dahinrafft, und sie sich kraftlos von meinem Skalp lösen - einen letzten depressiven Spruch auf der Wurzel hinterlassend)
Der Plan für heute: 300 Dollars in Traveller-Checks einlösen! Ich gebe zu, kein grosser Plan, aber ich koche auch hier mit Wasser. Kalkhaltigem, algenverschmutztem, organismenschwangerem Wasser. ;)
(Ach übrigens - meine Kommentare zum Land mögen sich vielleicht etwas bissig anhören, aber das zeigt nur, wie gern ich es eigentlich mag. Ich habe die kleinen Schwächen fast sofort ins Herz geschlossen. Mit Ausnahme der vermurksten Bürokratie - die würd ich am liebsten per Katapult auf die Uranusumlaufbahn befördern)
Die Sonne scheint und in der Küche befinden sich nur ein paar traurige Kekse und Wasser - wir entscheiden uns also für ein edles Frühstück in der nahegelegenen (östlich) Bourbon-Mall. Dort angekommen, ignorieren wir jegliche Bemerkungen der Bedienung und deuten äusserst bedeutungsschwanger auf die Torten und die Kaffeemaschine. Milchkaffee haben wir schon gelernt: "Cafè com Leite", bei der Torte aber hapert es noch ein Bisschen. Zu spät bemerke ich die gesuchten Croissants - irgendwo links unten in der Ecke. Enttäuscht verstummen die Croissant-Schreie nach Freiheit, während wir uns in die bequemen Reisigsessel versenken.
Zum Kaffee wird uns noch ein kleines Miniguetzli und ein Becherchen (zirka 20 Mü-Liter) Mineralwasser gereicht. Die Torten sind wie immer exquisit, und man kann die unter mehreren Schichten an Zucker befindlichen Geschmacksmoleküle ohne Weiteres orten! :)
Schliesslich die Rechnung, die das Deutsche und Schweizer Blut in Wallung bringt - 20 Reais! Und erst noch ohne Begründung! Werden hier unschuldige Touristen (obwohl ich ja der Meinung bin, dass Touristen *immer* schuldig sind ;) ) ausgenommen? Andererseits, dämmert es uns, befinden wir uns in einem edlen Lokal, und 20 Reais sind lockere 8 Franken. Haben wir uns schon zu fest an die Preise gewöhnt? Sind wir üble Rappenspalter? (Ja!)
Dann die Busfahrt in der Linie T2 - die Karte siebenmal abgecheckt - versuchen wir die vorbeiflitzenden Strassennummern zu erhaschen. Die Strassennummern sind übrigens an jeder Strassenecke gut sichtbar angeschrieben: "Avenida Soundso 1000-1200". Sehr brauchbar, kann ich nur sagen, besonders, weil die Strassen hier so eheheheeeelend lang sind. Das Einlösen der Checks ist kein Problem, und ich kriege die Summe von 888 Reais zurück. Mit 888 Reais durch die Strassen zu wandern, ist aber hier nicht wirklich eine sehr tolle Vorstellung, und so bin ich froh, als mir Felipe freudig verkündigt, ich könne es auch in den Safe des Labors legen.
(Der Trip übrigens dauerte etwa 2 Stunden)
Ooooh, wir haben einen Safe! Ist es ein "Löcheppler 1986, mit dreifach verschraubter Intrusionsabwehr"? Oder ein "Vigilante Zero-Knackante"? Oder gar ein "HelterShelter X3000 mit ablativer Schutzplättlung"?
Grinsend öffnet Felipe den Aktenschrank und lässt mich das Geld zwischen Schreibstiften und Kuverts einschieben. Innerlich applaudierend *clap clap* gebe ich ihm recht - wohl einer der sichersten Orte der Welt. Ein Panzerschrank zieht ja sonst die Panzerknacker an wie die Fliegen, wie wir aus unzähligen Hollywoodproduktionen wissen.
Mittags dann die Sportmöglichkeiten angeguckt - trotz Gaumenfreude sind Churrascãos keine Hilfe für die Fitness. Es sieht so aus, als könnte man hier für relativ wenig Geld die weite Welt eines Kraftraums erkaufen. Davor aber muss man sich einer "Physischen Einschätzung" für 35 Reais unterziehen. Hmmmm. Soll ich es machen? (Anwort: Ja)
Am Nachmittag schliesslich schauen Felipe, Mathias und ich das Chipdesign des 8051 Mikroprozessors an. (Ich verschone euch mit technischen Details wie Registerzahl, Speicher, und Megahertz!) Zwar habe ich mich nie recht für sowas interessiert, bin ich nun begeistert. Ein Mikroprozessor ist wie ein guttrainierter Hund. Es gibt einige simple Befehle, und er folgt einem aufs Wort. Blabbert man in unverständlichen Wörtern, tut er einfach nichts, oder hechelt sinnlos vor sich hin.
Dies ist ein grosser Unterschied zu dem, was ich bisher gemacht habe - die Objektorientierten Programmiersprachen ähneln eher einem riesigen Viech, das direkt aus dem Topf eines verrückten Zauberers stammen könnte. Versucht man es zu zähmen, wird man argwöhnisch von etlichen Augen und Auganellen (Biologen mögen mich korrigieren ;) ) angestarrt, während man sich über den Erfolg freut, das Monster dazu motivieren zu können, seine linke untere Klaue (oder ist es ein Tentakel?) zitternd und schleimabsondernd zu bewegen. Dies im ständigen Wissen, dass - sollte man einen Fehler begehen - es einem mindestens ein Bein abbeisst.
Bereits schreiben wir ein erstes Progrämmchen, das zaghaft, aber bestimmt die Milisekunden zählt, die zwischen zwei Ereignissen verstreichen.
Abends dann fahren wir ohne unser Verschulden mit dem Bus viel zu weit - direkt vor ein Einkaufszentrum. Im Hintergrund das Stöhnen unserer Geldbeutel. Eine grosse Safari durch den Dschungel folgt! Deutsches Brot ("Leinsamenbrot"), das gummiweich ist! Früchte nie mein Aug erblickt'! Butter, Frischkäse, Salat, Fleisch, Käse, Gurken, einigermassen hartes Brot eingekauft und schnell nach Hause gedüst, wollen wir doch noch von Frau Suelè erfahren, wie wir genau zu Gas für unsere Küche kommen können. Und wir schaffen es sogar, ihr das klarzumachen. Juhu! Eine Stunde - und ich weiss nicht wieviele Telephonanrufe von Frau Suelè - später rauscht ein Lastwagen vor unsere Tür. Ein Mann steigt aus, und beschwafelt uns, was aber gleich von Frau Suelè mit einem herausgestossenen, zigarrettengeschädigten "Eles não falam Português!" pariert wird. Wir zahlen die etwa 32 Reais für die riesige Gasflasche und tragen den Jagderfolg stolz auf unseren Schultern über die Schwelle. Ein erster Test mit einem gebratenen Würstchen endet in einem vollen Erfolg. Wir vergessen dabei sogar fast, dass unsere Dusche immer noch kalt ist.
Aber nicht ganz, denn wir machen uns kurz danach daran, die Dusche zu reparieren. Ich will nicht alles im Detail erzählen, obwohl das ohne Frage sehr amüsant wäre. Von der Dusche zur Sicherung ist es sicher 20 Meter, und wir testen jedesmal, wenn wir die Sicherung abstellen per Waschmaschine und Mathias' Föhn, ob denn auch wirklich kein Strom fliesst. Alles andere wäre närrisch. Dann machen wir uns daran, per Föhn jede einzelne Komponente zu testen. (Die Komponenten haben wir übrigens vorher gewaltsam herausgebrochen, was die Dusche minimal in ihrer Integrität schwächt. Ok, ich gebe es zu, die Dusche ist nun ein wackliges, bemitleidenswertes Ding). Wir finden endlich heraus, wo das Problem liegt - und es ist genau der Ort im Duschkopf, zu dem wir nicht durchdringen können!
Enttäuscht schlafe ich ein, von wilden Träumen, in denen Mikroprozessoren Würstchen braten, gejagt...
Mittwoch, 28. Juli 2004
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